In vielen Portfolios von Anlegerinnen und Anlegern befinden sich Schweizer Versicherungstitel. Die üppigen Dividendenzahlungen sind ein Hauptgrund für die Investments. Beim Rückversicherer Swiss Re beträgt die Rendite 6,1 Prozent, die Zurich Insurance bietet 5,6 Prozent. Daneben winken teilweise auch Kurssteigerungen, wie das seit Anfang Jahr erzielte Kursplus von 11 Prozent bei Swiss Life zeigt.

Doch gerade bezüglich der Kursperformance bieten die Titel unterschiedliche Perspektiven. Während der Gesamtmarkt gemessen am Swiss Market Index (SMI) 2023 6 Prozent zulegen konnte, weist die Aktie von Zurich Insurance ein Minus von 3 Prozent aus - wobei absolut gesehen auch dieser Titel inklusive Dividende im Plus ist. 

Zurich Insurance bietet keine Kursfantasie

Zwei Gründe sind für die Kursschwäche bei Zurich Insurance verantwortlich: Die hohe Bewertung und IFRS 17. Auf Basis des Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für 2024 handelt die Zürich auf 11, die Allianz auf 9, die AXA auf 8, und die Generali auf 9. Die höhere Bewertung ist laut Vontobel-Analyst Simon Fössmeier nicht vollständig mit der hohen Profitabilität der Zurich zu erklären. AXA und Generali weisen mit 6,8 und 6,4 Prozent zudem eine noch höhere Dividendenrendite als die Zurich auf.

Und seit dem 1. Januar erfolgt die Rechnungslegung der grösseren gelisteten Versicherer in der Schweiz nach den Spielregeln von IFRS 17. Diese dreht sich im Kern darum, wie die Kosten und Erträge etwa bei länger laufenden Lebensversicherungsverträgen realitätsnaher dargestellt werden können. "Die Umstellung auf IFRS 17 hat nach meiner Einschätzung gezeigt, dass das Lebensversicherungsgeschäft der Zurich nicht so profitabel ist wie das der europäischen Konkurrenten", sagt Fössmeier auf Anfrage von cash.ch.

Konzernchef Mario Greco, der in Marktkreisen auch als der Superstar im europäischen Versicherungsgeschäft gilt, ist bisher ein Erfolgsgarant für Zurich Insurance. Unter seiner Ägide (seit März 2016) hat die Aktie knapp 90 Prozent an Wert gewonnen, die Dividendenrendite nicht eingerechnet. Die grosse Frage ist jedoch: Wie lange bleibt der 63-jährige Versicherungsmanager noch auf dem Chefposten der Zurich?

Makroökonomisch weht für Schweizer Versicherer kein Gegenwind

Auch stellt sich generell die Frage, ob die Versicherungstitel unter der konjunkturellen Entwicklung der kommenden Monate leiden werden. Immer mehr Marktbeobachter gehen von einer Rezession in den USA Ende 2023 aus, auch Europa dürfte von dieser Entwicklung nicht verschont bleiben. Und dass die Inflation trotz der gestiegenen Zinsen langfristig auf die Werte der letzten Jahre zurückfällt, wird unter anderem wegen der Entglobalisierung als unrealistisch betrachtet. 

"Die drei wesentlichen makroökonomischen Faktoren sind Schweizer Versicherungstitel positiv zu beurteilen", fügt Vontobel-Analyst Fössmeier aber an. Die Gründe: Langsam steigende Zinsen führen zu höheren Kapitalerträgen. Die Inflation in der Schweiz ist zudem wesentlich niedriger als in anderen Ländern. Versicherungen können ihre Produkte mindestens einmal im Jahr neu preisen. Abschreibungen auf dem Anleihenportfolio - das grösste Risiko - werden schliesslich nur dann auftreten, wenn Konkurse stark ansteigen - und dies erscheint unwahrscheinlich.

Doch zeigt gerade das unterschiedliche Abschneiden an der Börse auf, dass auch bei Versicherungstiteln ein "Stock Picking" erfolgen muss. Fössmeier empfiehlt Swiss Re und Swiss Life – beide haben ein Buy-Rating von Vontobel. Swiss Life sei wachstumsstark, zudem könne man mit einer deutlichen Zunahme der Cashflows in den nächsten Jahren rechnen. Swiss Re hingegen befinde sich in diesem Jahr in einem Turnaround und profitiere von der Umstellung auf IFRS 17 erst im Jahr 2024. Beide Titel würden zudem mit einer attraktiven Dividende auftrumpfen, so Fössmeier.

Hohe Dividende als Trumpf

Swiss Re gelang bei den verdienten Prämien und Gebühren zuletzt bei den Quartalszahlen eine Punktlandung bei den Markterwartungen. Die wichtigsten Ereignisse wie etwa das Erdbeben in der Türkei oder Tropensturm und Fluten in Neuseeland vom Februar schlugen sich in etwa wie gedacht in der Ergebnisentwicklung nieder.

Der Lebensversicherer Swiss Life, der zu den SMI-Gewinnern in diesem Jahr zählt, musste Anfang Mai hingegen eine schwache Entwicklung im Fee-Geschäft und bei den Prämieneinnahmen in Frankreich kommunizieren. Trotz einer gewissen Abschwächung nach einen dynamischen Vorjahr und der Kurskorrektur im den letzten Wochen ist die Aktie mit einem KGV von 10 nur moderat bewertet.

Hohe Dividenden bieten alle sechs börsennotierten Schweizer Versicherungen - dazu gehören neben den SMI-Titeln auch Baloise, Helvetia und Vaudoise. Die Dividendenrendite liegt jeweils über dem Marktdurchschnitt. Die Spanne reicht von bei 5,1 bis 6,8 Prozent, wie die untenstehende Tabelle zeigt. "Deshalb ist keine Firma negativ zu sehen", argumentiert Fössmeier.

Titel Kursentwicklung seit Jahresbeginn Dividendenrendite
Swiss Re 7 Prozent 6,8 Prozent
Swiss Life 13 Prozent 6,1 Prozent
Zurich Insurance -2 Prozent 5,8 Prozent
Baloise 0 Prozent 5,5 Prozent
Helvetia 16 Prozent 5,1 Prozent
Vaudoise 4 Prozent 4,8 Prozent

Quelle: cash.ch/Bloomberg

"Privatanleger sollten sich überlegen, ob die geringen Handelsvolumina der Vaudoise ein Problem darstellen", fügt Fössmeier an. Baloise und Helvetia seien grundsolide aufgestellt und für einen langfristig orientierten Anleger attraktiv.

Helvetia werde sich in den nächsten Jahren wahrscheinlich noch europäischer aufstellen. Baloise ist auf vier Länder fokussiert. Beide Aktien weisen derzeit eine faire Bewertung auf. Dem Vontobel-Analysten erscheinen die Aktien von Swiss Life und Swiss Re relativ betrachtet günstiger bewertet.

ManuelBoeck
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