Die 31-jährige, dreifache Olympiasiegerin startet am Donnerstag beim Nike-Sponsorenlauf in Paris und will dort als erste Frau der Welt die Meile in unter vier Minuten laufen. Kipyegons Rekordversuch unter dem Slogan «Breaking4», ist Teil der Bemühungen des neuen Nike-Chefs Elliott Hill, den Adidas-Rivalen aus der Umsatzflaute zu führen und das angekratzte Image aufzupolieren.

Doch Branchenexperten und Sportlerinnen bezweifeln, dass ein solcher PR-Coup allein ausreicht. Nike wolle damit ambitionierte Läuferinnen ansprechen, sagt David Swartz, Analyst bei Morningstar. Aber ob sich das auch in Verkäufen niederschlage, sei offen. Kipyegon wird bei ihrem Rekordversuch neue Spikes tragen, die leichter sind als jene, die sie bei ihrem Olympiasieg über 1500 Meter im letzten Jahr trug, dazu einen Laufanzug mit 3D-gedruckten Perlen zur Minimierung der Reibung und einen 3D-gedruckten Sport-BH, der laut Nike atmungsaktiver ist als alles andere auf dem Markt.

Da Spikes ein Nischenprodukt sind, legt Nike den Marketingschwerpunkt auf den BH. Das Modell ist seit mehr als zwei Jahren in Entwicklung und wurde für Kipyegons Lauf beschleunigt fertiggestellt, wie Innovationschef John Hoke erklärt. Prototypen seien unter anderem von Basketball-Star Caitlin Clark getestet worden. Kommerziell soll der BH erst 2028 auf den Markt kommen.

Angelina Monti, eine Physiologin aus Pittsburgh, die mit 23 Jahren bereits an 17 Marathons teilgenommen hat, sagt, sie sei von Kipyegons Leistung fasziniert, würde sich aber wahrscheinlich nicht zu einem Kauf von Nike-Outfits entscheiden.

Stärker werdende Konkurrenz

Tatsächlich hat Nike in den vergangenen Jahren Marktanteile eingebüsst: Laut Euromonitor International sank Nikes Anteil am weltweiten Markt für Sportschuhe zwischen 2021 und 2024 von 28,8 Prozent auf 26,3 Prozent - auch weil Verbraucher zu Marken wie On oder Hoka abwanderten. Besonders bei Frauen hat Nike an Popularität verloren. Der Absatz von Nike-Damenprodukten stieg in diesem Zeitraum nur um 4,4 Prozent, während Herrenprodukte um 13,5 Prozent zulegten.

Nike sei seit mindestens 2021 «besessen davon, Frauen zurückzugewinnen», sagte ein ehemaliger Nike-Manager, der namentlich nicht genannt werden wollte. Marken wie Lululemon hätten aber mit innovativen Materialien und besserer Passform gezielter den Geschmack weiblicher Kundschaft getroffen.

Nike wollte sich dazu nicht äussern. Innovationschef Hoke erklärte gegenüber Reuters jedoch, das Unternehmen habe seine Investitionen in die Forschung zur Anatomie und Biodynamik von Sportlerinnen im Vergleich zu vor 18 Monaten verdoppelt. Genaue Zahlen nannte er nicht, betonte aber: «Früher lag der Fokus zu stark auf Männern – das passen wir jetzt an.»

Neuer BH, alte Socken

Der Rekordversuch von Kipyegon erinnert an Nikes «Breaking2»-Kampagne von 2017, bei der Eliud Kipchoge und zwei weitere Spitzenläufer versuchten, den Marathon in unter zwei Stunden zu laufen. Damals gelang dies keinem der Athleten – doch Kipchoge durchbrach die Marke schliesslich bei einem späteren Versuch 2019. Der Hype um die dabei getragenen Vaporfly-Schuhe mit Carbonplatte verhalf Nike zu einem Rekordmarktanteil im Running-Segment.

Solche Impulse könnten diesmal ausbleiben, meint Laufschuh-Designer Richard Kuchinsky: «Der Anzug scheint ziemlich einzigartig zu sein und neue Massstäbe zu setzen, aber die Schuhe wirken eher wie eine optimierte Version früherer Modelle.» Trotzdem lobt Alison Wade, frühere College-Coachin und Gründerin des Newsletters Fast Women, dass Nike eine Frau ins Zentrum stellt, auch wenn die Aktion nicht ganz die Strahlkraft von Breaking2 habe. Seit Hill das Ruder übernommen hat, hat Nike mehrere frauenfokussierte Initiativen gestartet – darunter die «After Dark Tour», eine Serie von Halbmarathon- und Zehn-Kilometer-Läufen in sieben Städten weltweit.

Doch die Aufholjagd beginnt mit Ballast. Erst im April legte Nike einen seit 2018 laufenden Rechtsstreit mit Mitarbeiterinnen bei, die weit verbreitete Diskriminierung am Arbeitsplatz beklagt hatten. Auch eine Partnerschaft mit Kim Kardashians Marke Skims wurde intern kritisch gesehen, weil der Schwerpunkt auf Produkten lag, mit denen sich Frauen «stark und sexy» fühlen. Ein Produkt ist daraus bisher nicht auf den Markt gekommen.

Ein möglicher Weltrekord von Kipyegon wäre ohnehin nicht offiziell: Die Veranstaltung ist kein anerkanntes Rennen, und sie wird von Tempomacherinnen unterstützt. Laufexperten zweifeln zudem, dass sie ihre Bestzeit um die nötigen 3,1 Prozent unterbieten kann. «Aber vielleicht», sagt Wade, «hat Nike ja noch ein Ass im Ärmel und wir täuschen uns alle.»

(Reuters)