Der vielerorts befürchtete Einbruch an den Aktienmärkten nach der Wahl Donald Trumps als neuen US-Präsidenten am 8. November blieb aus. Nach einem kurzen Überraschungsmoment erholten sich die meisten Aktien sehr schnell wieder, in einigen Sektoren kam es in der Folge gar zu einer regelrechten Trump-Rally.
"Beim Brexit hat man gelernt, dass es anders kommt, als erwartet. Deshalb hat bei Trump der Markt viel schneller reagiert", sagt Jörg de Vries-Hippen, Aktienchef Europa bei Allianz Global Investors, zu dieser überraschend positiven Reaktion der Märkte im Video-Interview. Es sei ein Umdenken gewesen, weil das erste Mal das Thema Zinsen wieder viel heftiger ins Gespräch gekommen sei. Nun habe man ein neues Umfeld, wo sich Anleger Gedanken über Sektoren machen müssten.
Europäische Industriewerte locken zum Einstieg
Und wie sollen sich Anleger in diesem neuen Umfeld positionieren? "Für mich sind die Industriewerte in Europa spannend", so de Vries-Hippen. Der Aktienexperte setzt auch auf Versicherungswerte. Und er kann sich durchaus vorstellen, dass der eine oder andere Versorger wieder sehr spannend werden könnte.
Versorger-Aktien hatten es die letzten Jahre nicht leicht. In Deutschland etwa hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der japanischen Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 die Energiewende verkündet. Bis 2022 sollen in Deutschland die noch acht verbliebenen Atomkraftwerke geschlossen werden. In der Schweiz wird am Sonntag über einen frühzeitigen Atom-Ausstieg abgestimmt.
Andererseits sieht de Vries-Hippen bei Anlegern beliebte Sektoren, wo er die Finger lassen würde: "Ich halte Pharma- und Konsumwerte noch immer für sehr, sehr teuer." Solche Titel würden deshalb nicht zum Kaufen einladen, auch wenn deren Qualität sehr hoch sei.
Ein Blick auf Schweizer Werte in diesen Sektoren zeigt aber, dass bereits eine gewisse Korrektur solcher "überteuerter" Titel eingesetzt hat: Der Nahrungsmittelhersteller Nestlé hat in diesem Jahr 9 Prozent eingebüsst, die beiden Pharmahersteller Roche und Novartis sogar 17 beziehungsweise 19 Prozent.
Bankentitel günstig, aber gefährlich
Novartis ist somit der am zweitschlechtesten performende SMI-Titel in diesem Jahr. Getoppt nur von der Credit Suisse, welche an der Börse gar 32 Prozent einebüsst hat und generell schwierige Zeiten durchmacht. UBS, die andere Schweizer Grossbank, hat bislang 18 Prozent nachgegeben.
Sind nach dem Kursfall etwa die Bankaktien ein spannendes Investment? Für de Vries-Hippen jedenfalls nicht: "Wenn man sich nur die Daten anschaut, glaubt man, das sind jetzt Value-Werte, die man haben muss. Doch können Sie den inneren Wert der Aktien genau bestimmen? Ich habe da so meine Schwierigkeiten bei."
De Vries-Hippen sieht das Zinsniveau als zu niedrig an, so dass Banken einfach kein Geld verdienen würden. Es braucht gemäss dem Börsenexperten zwei Entwicklungen, damit Bankentitel wieder spannend werden: Ein viel besseres Zinsniveau und ein Rückgang der Regulierungen in diesem Sektor. Das seien jedoch alles nur Hoffnungen. "Und auf Hoffnungen allein Käufe aufzusetzen, halte ich für etwas waghalsig", meint er.
Die heissen Tipps für die Schweiz
Jörg de Vries-Hippen managt neben seinem Amt als CIO Equity Europe seit 1995 auch Schweizer Aktienprodukte. Er kennt sich mit hiesigen Titeln also bestens aus, hat sogar eine Zeit lang in der Schweiz gelebt. Und auch wenn er seines Amtes wegen keine einzelnen Titel nennen darf, hat er für Anleger trotzdem einige Tipps parat: Etwa gäbe es in der Schweiz einige "super" Industriewerte, der eine oder andere Titel in der Automobilindustrie sei stark unterwegs und auch Unternehmen, die für den Bau zuständig seien, würde er jetzt kaufen. Allen voran solche, die sehr stark in den deutschen Bau hineinliefern würden.
Zu guter Letzt nennt de Vries-Hippen indirekt noch einen weiteren "extrem spannenden" Titel: "Es gibt einen mittelgrossen Schokoladehersteller in der Schweiz, der ausgezeichnete Schokolade verkauft und ein ganzes Stück heruntergekommen ist." Für heruntergekommen hält er den Aktienkurs des Titels, dessen Name nicht allzu schwer zu erraten sein sollte.
Im cash-Video-Interview erklärt Jörg de Vries-Hippen ausserdem, weshalb er europäische Aktien derzeit für billig hält und welcher Sektor in den USA sehr teuer ist.
Das Interview fand am Lantern Fund Forum in Lugano statt, wo cash Medienpartner ist.