Angetrieben von weiter steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen legten die Konsumentenpreise im Juni gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,6 Prozent zu - nach 8,1 Prozent im Mai. Von Bloomberg befragte Ökonomen hatten mit einem Anstieg von 8,5 Prozent gerechnet. Der Median der Schätzungen lag in 11 der letzten 12 Monate unter den Erwartungen.

Die Daten spiegeln den zunehmenden Druck auf Haushalte und Unternehmen in der Währungsunion wider. Frankreich, Italien und Spanien meldeten diese Woche neue Höchststände, während in Deutschland der Preisanstieg nur durch temporäre Massnahmen wie den Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket gebremst wurde. Im Baltikum hat das Preiswachstum die 20 Prozent-Marke überschritten.

Die Politik versucht mit milliardenschweren Paketen zu helfen, doch nach den Pandemiemassnahmen sind die Kassen leer. Von Zalando über H&M bis Volkswagen spüren Unternehmen, dass Verbraucher den Gürtel enger schnallen.

Kritik an EZB

Die Europäische Zentralbank wird kurz vor ihrer ersten Zinserhöhung seit mehr als zehn Jahren dafür kritisiert, dass sie die Inflation so weit über ihr 2-Prozent-Ziel hinausschiessen lässt. Andere Notenbanken wie die Federal Reserve haben die Zinsen um bis zu 75 Basispunkte auf einmal angehoben.

Die EZB schiebt die Schuld auf den Anstieg der Energiekosten nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine. Während sich dieser Preisanstieg ausgeweitet hat, ist die Kerninflation - ohne Energie und Lebensmittel - im Juni auf 3,7 Prozent gesunken.

Angesichts der steigenden Inflationserwartungen plant die EZB, ihren Einlagensatz im Juli um einen Viertelpunkt anzuheben. Der belgische Zentralbankchef Pierre Wunsch sieht diesen Schritt als "beschlossene Sache", während seine Ratskollegen aus Lettland und Litauen darauf drängen, härtere Massnahmen zu erwägen.

Zinserhöhung im September praktisch fix

Bei der nächsten EZB-Sitzung im September dürfte eine Zinserhöhung um einen halben Punkt praktisch feststehen, falls sich das Inflationsumfeld nicht bessert. Damit würde der Einlagensatz zum ersten Mal seit acht Jahren wieder über Null liegen.

Danach plant die EZB einen "anhaltenden" Erhöhungszyklus, obwohl der wirtschaftliche Gegenwind zunimmt. Die Volkswirte der Deutschen Bank warnen vor einer "tiefen Rezession", sollten die russischen Gaslieferungen demnächst weiter sinken.

"Der Preisanstieg spiegelt keinen Nachfrageüberhang im Euroraum wider", sagte Fabio Panetta, Mitglied des Direktoriums der EZB und führende Taube unter den Währungshütern. "Verbrauch und Investitionen bleiben unter dem Niveau vor der Pandemie und sind sogar noch weiter von ihrem Trend vor der Pandemie entfernt. Da die Löhne nur mässig steigen, wurden die Realeinkommen durch den Anstieg der Importpreise stark beeinträchtigt."

(Bloomberg)