Der deutsche Entwickler Volocopter gibt sich noch ein Jahr, bis er bei den Olympischen Spielen in der französischen Hauptstadt als erstes Unternehmen der Branche den kommerziellen Betrieb aufnehmen will. Mit Flugvorführungen auf der weltweit grössten Luftfahrtmesse will das Unternehmen schon jetzt Geschmack auf Flugtaxis machen.

Volocopter strebt Markteinführung 2024 an

"Die Olympischen Spiele sind unser Nordstern", sagte Volocopter-Chef Dirk Hoke. Sollte der Marktstart gelingen, dürfte das der Branche neues Leben einhauchen und risikoscheue Investoren dazu ermutigen, frisches Geld zu geben.

Doch die Hürden sind hoch. Denn bislang hat noch keiner der vielen elektrischen Senkrechtstarter (EVTOLS), an denen neben etablierten Flugzeugbauern auch hunderte von Startups arbeiten, eine offizielle Flugerlaubnis erhalten. Volocopter hofft, der erste zu sein.

Davor sind aber noch zahlreiche Testflüge nötig, dazu kommen Tausende Seiten Dokumentation für die europäische Luftaufsichtbehörde EASA. Im kommenden Monat soll es mit den Flügen in Deutschland losgehen. "Es ist kein Spaziergang im Park, wenn man der erste mit Fluglizenz sein will", sagte Hoke.

Geringe Liquidität macht Firmen zu schaffen

Wie schwierig es wird, zeigen die zahlreichen Verzögerungen. Viele Flugtaxi-Entwickler mussten aus unterschiedlichen Gründen ihre Markteinführung nach hinten verschieben. "Wir müssen unsere Glaubwürdigkeit und Reputation wiederherstellen", sagte Hoke. Nicht zuletzt die erschwerten Finanzierungsbedingungen machen den Unternehmen zu schaffen. "Die geringere Liquidität ist ein Problem für die gesamte Branche."

Branchenexperte Robin Riedel von der Unternehmensberatung McKinsey geht davon aus, dass die ganze Branche wieder in Schwung kommt, wenn das erste Unternehmen seine offizielle Flugerlaubnis erhalten hat. Derzeit sieht es bei den Investoren eher mager aus: Viele Projekte, die über Mantelunternehmen an die Börse gegangen sind, haben 30 Prozent oder mehr an Wert verloren.

Anleger fürchten Hürden bei Markteinführung

Risikokapitalgeber steckten ihr Geld lieber in Drohnenprojekte als in Flugtaxis. In der ersten Jahreshälfte flossen 710 Millionen Dollar in EVTOL-Projekte - vor einem Jahr waren es noch rund 500 Millionen Dollar mehr.

Investoren fürchteten, dass die Flugtaxi-Unternehmen grössere Hürden bei der Markteinführung überwinden müssen als andere Unternehmen, die sich etwa mit Elektromobilität beschäftigen. "Sie wollen in die Unternehmen investieren, die einen klaren Ausstiegspunkt versprechen und bei denen es einen sichtbaren Pfad zur Profitabilität gibt", sagte Alan Wink, Experte beim US-Beratungsunternehmen EisnerAmper, das mit solchen Projekten Erfahrung hat.

Lilium setzt auf China-Geschäft

Unklar ist noch, wie genau das Geschäftsmodell der Unternehmen aussehen wird. Viele der Flugtaxis, die derzeit entwickelt werden, bieten nur wenigen Passagieren Platz. Marktchancen werden für Kurzstreckenflüge vor allem in den dicht besiedelten Metropolen Asiens und Südamerika gesehen. Lilium setzt auf das Geschäft in China und sicherte sich eine Absichtserklärung über 100 Maschinen von einem Unternehmen aus China, das Hubschrauberdienste im Grossraum Guangdong-Hongkong-Macao anbietet.

Insgesamt hat das Unternehmen damit 745 Vorbestellungen in den Büchern stehen. Eine Kapitalspritze soll die Entwicklung bis zum ersten bemannten Flug im kommenden Jahr finanzieren, danach setzt Lilium auf Anzahlungen potenzieller Käufer.

Triebwerkshersteller Rolls-Royce wittert Marktchancen

Der britische Triebwerksbauer Rolls-Royce hofft zudem auf den Regionalverkehr und bringt ein Hybrid-Triebwerk für längere Strecken auf den Markt. Der Turbogenerator könne mit nachhaltigem Flugzeugbenzin (SAF) oder Wasserstoff betrieben werden und erzeuge Strom für die einzelnen Motoren des Flugtaxis.

Die Maschine werde nun in den kommenden Monaten getestet. "Dieses Produkt erlaubt es unseren Kunden, längere Routen mit elektrischen Flugzeugen anzubieten, was bedeutet, dass mehr Passagiere mit emissionsarmen Flugzeugen reisen können", sagte der für das Elektrogeschäft zuständige Manager Olaf Otto.

Auch der US-Zulieferer Honeywell verspricht sich Geschäftschancen in der Branche. Bislang seien Aufträge über etwa sieben Milliarden Dollar eingegangen, sagte der zuständige Manager Mike Madsen. Neben vielen Startups entwickeln auch etablierte Flugzeugbauer wie Airbus, Boeing oder Embraer eigene Elektro-Flugzeuge, viele davon Senkrechtstarter.

Wer sich am Ende durchsetzt, sei noch offen, sagte Madsen. "Wir werden sehen, dass grössere Firmen einige dieser Firmen aufkaufen", sagte er. "Die besten Ideen werden überleben."

(Reuters)