Französische Kunden des Einzelhandelsriesen Carrefour stossen seit vergangener Woche bei ihrem Einkauf auf einen ungewöhnlichen Hinweis: «Bei diesem Produkt ist das Volumen oder das Gewicht gesunken und der effektive Preis des Lieferanten gestiegen», warnt eine Notiz vor versteckten Preiserhöhungen bei einigen Produkten. Im Vorfeld der jährlichen Preisverhandlungen mit den Konsumgüter-Produzenten in Frankreich steigt damit der Druck auf Unternehmen wie Nestle, Lindt, PepsiCo oder Unilever. Anders als in Deutschland mischt sich die Regierung des Nachbarlandes aktiv in die Preisgestaltung ein. Paris hat die Verhandlungen wegen der hohen Inflation auf September vorgezogen und will bis Mitte Januar Preissenkungen durchsetzen.

Das Vorgehen könnte nach Ansicht von Experten Signalwirkung für Deutschland und andere Länder in der Europäischen Union haben, in denen die Verbraucher ebenfalls unter gestiegenen Preisen ächzen. Was in Frankreich passiert, hat Gewicht: Das Land ist gemessen am Umsatz der grösste Lebensmittelmarkt der EU und hat Deutschland, Italien, Spanien und andere Länder längst abgehängt, wie aus Daten des Marktforschers IBISWorld hervorgeht. «Es geht nicht nur um die Auswirkungen auf den französischen Markt, sondern um den potenziellen Dominoeffekt», sagt Laurent Thoumine von der Beratungsfirma Accenture.

Die Preisverhandlungen zwischen Supermarktketten und Lebensmittelriesen in Frankreich werden die härtesten seit einem Jahrzehnt sein, erwartet Thoumine. Es gebe zwar einige Marken, die man nicht aus den Regalen entfernen könne, etwa die Nuss-Nougat-Creme Nutella von Ferrero, den Anis-Schnaps Ricard von Pernod Ricard oder die Limonaden von Coca-Cola. Doch weniger prominente Produkte könnten leicht durch Eigenmarken ersetzt werden. Hier sieht der Experte ein besonders zähes Ringen auf die Verhandlungspartner zukommen.

Mächtige Allianzen

Um den mächtigen Markenherstellern die Stirn zu bieten, haben sich die Einzelhändler in internationalen Einkaufsallianzen zusammengeschlossen. Zu dem von Edeka ins Leben gerufenen Bündnis Epic Partners gehören etwa neben dem französischen Lebensmittelhändler Systeme U auch das italienische Unternehmen Esselunga und der Schweizer Einzelhandelsriese Migros.

Die strategischen Partnerschaften haben zu Vorwürfen geführt, dass sich die Unternehmen untereinander absprechen, denn die Supermärkte sind in verschiedenen Ländern angesiedelt und konkurrieren nicht miteinander. Die Einzelhändler weisen das jedoch zurück: «Wir kaufen als Gruppe ein - nicht um Gesetze zu umgehen, sondern um genügend Einfluss auf die Hersteller zu haben», sagt Philippe Michaud, Vizepräsident der französischen Handelsgruppe E.Leclerc. Die Supermarktkette ist Teil von Eurelec, einer weiteren Einkaufsallianz.

Ungeachtet dessen drängt der französische Staat die Industriekonzerne zu moderateren Preisen, vor allem bei den Grundnahrungsmitteln. Bereits im Juni senkten in Frankreich 75 grosse Lebensmittelunternehmen auf Druck der Regierung die Preise für Hunderte Produkte. Nach einer weiteren Reihe von Treffen im vergangenen Monat rügte der französische Finanzminister Bruno Le Maire die Konzerne Unilever, Nestle und PepsiCo für ihre mangelnde Mitarbeit. Auch Einzelhändler müssen sich warm anziehen - ihnen drohten Sanktionen, wenn sie sinkende Preise nicht an ihre Kunden weitergäben, so der Minister.

Paris ist bei seinem Einsatz für niedrigere Lebensmittelpreise nicht allein. «Ich glaube nicht, dass dies nur auf Frankreich beschränkt ist», sagt Richard Saldanha, Portfoliomanager bei der britischen Aviva Investors. «Es gibt Druck und ich denke, dass die Regierungen anfangen, sich das genauer anzuschauen». Ein Blick auf einige Mittelmeerländer bestätigt seine Einschätzung: In Italien und Griechenland haben die Regierungen entsprechende Massnahmen eingeleitet, um zukünftig die Preisgestaltung für Grundnahrungsmittel zu überwachen.

Auch Investoren beobachten genau, wie sich die Lebensmittelbranche in Frankreich entwickelt. Angesichts des allmählich nachlassenden Kostendrucks haben sie die Sorge, dass Preiserhöhungen die Kunden abschrecken und die Verkaufszahlen beeinträchtigen könnten. Fondmanager Saldanha beobachtet die Lage aufmerksam: «Aus der Sicht als Investor will ich verstehen: Sind diese Preiserhöhungen gerechtfertigt?»

(Reuters)