Der Schweizer ist in den letzten Monaten gegenüber europäische Pendants ins Hintertreffen geraten. Während der Swiss Market Index (SMI) seit Jahresbeginn knapp 3 Prozent gewonnen hat, steht beispielsweise der deutsche Dax oder der Euro Stoxx 50 15 Prozent höher. Länderindizes mit höherem zyklischen Engagement haben dank guter Ergebnisse im ersten Quartal und trotz schwächerer Wirtschaftsdaten ein Momentum.

Und es könnte noch schlimmer kommen: Denn der Markt nimmt zu Beginn des dritten Quartals gewöhnlich eine risikofreudige Haltung ein, was Schweizer Aktien nicht zugutekommt. Der SMI hat in den letzten 18 Monaten nur dreimal kurzzeitig eine Outperformance erzielt, und zwar immer in Zeiten von Marktstress, als die Anleger Zufluchtsorte suchten. Diese Perioden boten nur eine vorübergehende Erleichterung. Es würde daher im aktuellen Marktumfeld nicht überraschen, wenn sich dieser rückständige Trend fortsetzt, es sei denn, es komme zu einem neuen exogenen Schock, der Angst und Volatilität auslöst.

Während sich die breiteren europäischen Aktienbenchmarks in der Nähe ihrer Frühjahrshöchststände bewegen, gerät der SMI vielmehr ins Wanken, da seine drei grossen Schwergewichte den Index nach unten ziehen. Seit Anfang Mai hat er nun 4 Prozent verloren. 

Zwar gibt es eine Reihe von Titeln aus den Bereichen Finanzwerte, Gesundheitswesen, Industrie und Luxusgüter, die seither zugelegt haben, doch werden diese durch die Rückgänge von Novartis, Nestlé und Roche - minus 5 bis 9 Prozent - überlagert. Die fünf Index-Gewinner machen insgesamt nur 22 Prozent des Indexgewichts aus, aber die "Big 3" summieren sich auf 50 Prozent, so dass ihr Beitrag zur Indexperformance deutlich grösser ist.

Erwartetes Gewinnwachstum zu hoch?

Mit einem geschätzten Gewinnwachstum von etwa 10 Prozent für 2024 und 2025 wird der SMI laut Konsensmeinung mit dem DAX gleichziehen - der beste Wert unter den grossen europäischen Märkten. Die defensiven Schweizer Unternehmen in den Bereichen Pharma, Finanzen und Basiskonsumgüter machen insgesamt 80 Prozent der Indexgewinne aus. Darüber hinaus werden 62 Prozent des zweijährigen Zuwachses von nur vier Unternehmen erwartet: UBS, Roche, Novartis und Nestlé.

Diese rosigen Prognosen stehen im Widerspruch zu den sich abschwächenden Wirtschaftsindikatoren. Zwar sinken einige Inputkosten nach einem Anstieg in den Jahren 2021-22, doch könnten die Unternehmen mit Mengenproblemen konfrontiert werden, nachdem sie in den letzten Jahren die Preise so deutlich erhöht haben. 

Ein zusätzliches Problem sind die Wechselkurse: Der schweizerische Kerninflationsindex ist im Vergleich zur hartnäckigen Inflation in ganz Europa erfreulich niedrig, was den Druck auf Zinserhöhungen durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) zwar verringert. Der seit Jahresbeginn stärkere Schweizer Franken – auch ein SNB-Instrument zur Inflationsbekämpfung - ist jedoch ein Gegenwind für die Erträge, da die Indexmitglieder in den USA und Asien engagiert sind.

Die Herabstufungen der EPS-Schätzungen für 2023-24 haben sich in den letzten drei Monaten in den meisten Sektoren bereits beschleunigt. Finanzwerte und Pharma sind die Ursache für dieses Problem, da die Konsenswerte für Roche, Novartis, UBS, Zurich und Swiss Re zurückgegangen sind. Industrie- und Luxusgüter haben einen gewissen Ausgleich geschaffen, aber ihr Gewinnbeitrag ist im Vergleich dazu gering, da die zyklischeren Elemente des Index nur etwa 30 Prozent der Gewinnbasis ausmachen.

Ist der Bewertungsaufschlag gerechtfertigt?

Schlussendlich ist die Bewertung des SMI auch die höchste unter den europäischen Leitindizes, wobei Bloomberg Intelligence argumentiert, dass der Aufschlag gerechtfertigt ist. Seit Anfang 2022 pendelt er mit einem Aufschlag von etwa 30 Prozent gegenüber dem MSCI Europe Index. Im Vergleich zu seiner eigenen Historie ist das 16-fache vorwärtsgerichtete Kurs-Gewinn-Verhältnis jedoch tatsächlich ein leichter Abschlag.

Es ist zwar klar, dass der SMI insgesamt deutlich höher bewertet ist als der MSCI Europe, aber bei seinen wichtigsten Bestandteilen sieht es ganz anders aus. Von den sieben Titeln, die insgesamt 75 Prozent des Indexgewichts ausmachen, werden nur zwei - Nestlé und UBS - mit einem Aufschlag gegenüber ihren direkten Konkurrenten aus den Industrieländern gehandelt. Und diese Aufschläge sind nicht besonders extrem.

Im Gegensatz dazu werden Roche, Novartis, Richemont, Zurich Insurance und ABB mit einem Abschlag von 10 bis 15 Prozent gehandelt. Die Zusammensetzung des Index mit Schwergewichten in diesen Branchen treibt zwar den Multiplikator der Benchmark in die Höhe, aber alle diese Unternehmen sind einzeln vergleichsweise günstig bewertet.

(cash, mit Material von Bloomberg Intelligence)

ManuelBoeck
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