Der Elite-Lauftrainer Peter Rea hatte seine Schützlinge mehr als 10 Jahre in Reebok-Schuhen auf olympische Wettkämpfe vorbereitet, als er 2018 die Marke wechselte und beim Schweizer Sportschuhhersteller On unterschrieb. "Die Leute meinten: 'Hä, wer ist On?'", erinnert sich Rea, der das Eliteteam ZAP Endurance in den Appalachen von North Carolina trainiert. Inzwischen haben die Mitglieder seiner Gruppe den ungewöhnlichen Look und das Gefühl von Ons Schuhen lieben gewonnen. "Niemand fragt mehr, wer das ist", sagt Rea.

On hat sich unter Läufern schnell Glaubwürdigkeit erarbeitet, und es erobert zunehmend auch die Herzen und Füsse eines breiteren Publikums: Die Pandemie mit ihren Lockdowns hat einen Boom bei Lauf-, Outdoor- und Freizeitbekleidung ausgelöst und geholfen, das Profil der Marke zu schärfen. Eine Kult-Anhängerschaft aufgrund der markanten röhrenförmigen Polster auf der Sohle – und die Unterstützung von Tennisstar Roger Federer - haben ihr übriges getan.

Keine Umsätze bekannt

Als nicht börsenotiertes Unternehmen gibt On derzeit keine Umsätze bekannt. Branchenbeobachter ziehen Parallelen zu Marken wie Brooks Running – ein Unternehmen von Berkshire Hathaway mit knapp 850 Millionen Dollar Umsatz im Jahr 2020 - oder Hoka One One - eine Marke von Deckers Outdoor, deren Umsatz letztes Jahr um 62 Prozent auf 571 Millionen Dollar gestiegen ist. Alle drei haben nach Angaben von NPD Group stetig Marktanteile im US-amerikanischen Fachhandel gewonnen. On sei dabei, Saucony auf Platz vier der NPD-Statistik anzugreifen.

All diese sind natürlich kleine Anbieter in der Welt der Sport- und Athleisurekleidung und treten gegen mächtige Konkurrenten mit riesigen Marketingbudgets und hoher Bekanntheit an. Der Gigant ist Nike mit einen Jahresumsatz von 44,5 Milliarden Dollar und einem Marktwert von etwa 250 Milliarden Dollar.

On bereitet sich unterdessen vor auf einen Börsengang in New York, bei dem das Unternehmen mit bis zu 5 Milliarden Dollar bewertet werden könnte, meldete Bloomberg im April unter Berufung auf Personen mit Kenntnis der Vorbereitungen. Vertreter von On wollten sich hierzu nicht äussern.

Verwurzelt in der Schweiz

Mittlerweile hat das junge Schweizer Unternehmen 7800 Handelspartner weltweit. Im Dezember eröffnete der "Global Flagship Store" in New York. Verwurzelt ist das Unternehmen jedoch fest in den Schweizer Alpen.

Hier fixierte sich Olivier Bernhard – selbst ein mehrmaliger Sieger bei Ironman-Triathlonrennen – Ende der 2000er Jahre darauf, einen Laufschuh zu entwickeln, der eine weiche Landung aber einen festen Abstoss bietet. Beim Entwerfen von Prototypen begann er irgendwann, Gartenschläuchen zu zerschneiden und auf die Schuhsohle zu kleben.

Bernhard wandte sich an seinen Kumpel und ehemaligen Agenten Caspar Coppetti, der sich von seiner Zeit bei McKinsey und der Werbeagentur Young & Rubicam mit Markenentwicklung auskannte. Coppetti holte David Allemann ins Boot, einen Ex-Kollegen von McKinsey, der bis dahin Chief Marketing Officer des Designermöbelherstellers Vitra war. Heute ist er Vorstandschef von On.

Das Trio gründete On im Januar 2010 und gewann schon nach wenigen Wochen die Auszeichnung als beste neue Marke auf der Sportmesse Ispo in München. Ihr Siegerschuh war bereits mit den heute für On charakteristischen Röhrensohlen ausgestattet. Sie sollen das Gewicht eines Läufers sowohl vertikal als auch horizontal verteilen und das Gefühl vermitteln, auf Wolken zu laufen – daher der Name "CloudTec". Ein früher Kritiker verglich die Röhren mit aufgeklebten Rigatoni-Nudeln.

 

 

"Einfach ein radikaler, radikaler Look", erinnert sich Jon Dennis von der Verkaufs- und Vertriebsagentur Fit Brands, der schon früh mit dem Unternehmen zusammenarbeitete, als es in Grossbritannien Fuss fassen wollte. Damals war Dennis nach zwei Jahrzehnten in den USA - er hatte zweimal die nationalen Collegemeisterschaften im 5000-Meter Bahnrennen gewonnen - gerade nach England gezogen und arbeitete im Einzelhandel für Nike und die Laufkette Fleet Feet. Dennis wollte eine Schuhlinie für seine Laufläden und flog nach Zürich, um das On-Team zu treffen.

Während die Schuhe ins Auge stachen, war Dennis gleichermassen beeindruckt vom beruflichen Hintergrund der Gründer und deren Fokus auf funktionales Design. Ihr grösster Erfolg, so Dennis, ist die Art und Weise, wie die Leute von der Marke angezogen werden.

Sie machen bei Dingen wie Branding und Design einen so grossartigen Job, dass der Kunde "die Schuhe fast mögen möchte, bevor er sie an die Füsse zieht", sagte Dennis.

Trotz der weltweiten Expansion bleibt das Unternehmen seinen Schweizer Wurzeln treu. Die Tennislegende Roger Federer als Teilhaber zu gewinnen, gehörte dazu. Rund 50 Millionen Franken (46 Millionen Euro) soll Federer investiert haben, berichtete die Handelszeitung im Februar.

Im vergangenen Sommer brachte On den "Roger" auf den Markt, einen komplett weissen Schuh, der für etwa 200 Dollar verkauft wird. Federer trug den Roger bei den diesjährigen French Open und in Wimbledon. Die Strategie ähnelt der um den legendären Stan Smith-Schuh der Adidas AG, der nach dem amerikanischen Tennisspieler der 1970er Jahre benannt ist.

Nicht das Marketingbudget von Nike und Adidas

Ein weiterer Teilhaber ist die in New York ansässige Private-Equity-Gesellschaft Stripes Group, deren Gründer und Partner Ken Fox im Verwaltungsrat von On sitzt. Fox sah das Potenzial der Marke, insbesondere Social Media und Online-Marketing zu nutzen.

On hat zwar nicht das Marketingbudget von Nike oder Adidas, hat aber mit Dokumentarfilmen über Sportler viel Aufsehen erregt. Einer portraitiert einem Team von Flüchtlingen aus dem Kongo, Äthiopien, Somalia, dem Südsudan und Marokko beim Training für die Olympischen Spiele in Tokio.

Ein weiterer dreht sich um Ironman-Triathlet Tim Don, der wenige Tage vor dem Weltmeisterschaftsrennen auf Hawaii im Jahr 2017 mit einem Lkw zusammenstiess und sich das Genick brach. Anstatt den Vertrag aufzulösen, begleitete On seinen Weg der Genesung.

Ausserdem reiste On in die malerischen Berge North Carolinas, um Reas Team bei ZAP Endurance zu filmen. Der Film zeigte die Athleten, die im Camp trainierten und schliesslich im Februar 2020 in Atlanta Qualifikationsrennen für Olympia liefen. Keiner von ihnen hat es letztlich nach Tokio geschafft, aber Rea hofft, dass das beim nächsten Mal anders wird. Er arbeitet schliesslich seit drei Jahren mit On zusammen und hat einiges an Fortschritte erlebt.

"Allein in dieser Zeit haben sie ihre Technologien weiterentwickelt und ich finde, sie haben auf die echten Läufer der Welt gehört", sagt Rea. "Das tun nicht viele Marken."

(Bloomberg/cash)