Der Bloomberg-Index für europäische Rüstungswerte ist seit Jahresbeginn um fast 75 Prozent gestiegen, Rheinmetall allein legte rund 190 Prozent zu – seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 sind es über 1700 Prozent. Die Euphorie reicht über Europa hinaus: Der weltweite MSCI Aerospace & Defense Index hat 2025 bislang 43 Prozent gewonnen, verglichen mit einem Plus von 9,7 Prozent im MSCI World.

Doch seit seinem Rekordhoch im Juni hat der europäische Rüstungsindex 3,8 Prozent verloren. Belastend wirken unter anderem diplomatischer Druck der USA auf Russland im Ukraine-Konflikt sowie ein EU-Versprechen, künftig verstärkt Rüstungsgüter aus den USA zu beziehen. Auch die US-Pendants treten seit Mitte Juli auf der Stelle – Unsicherheiten rund um Staatsausgaben, Zölle und die Nachfrage trüben die Stimmung.

«Die Märkte hatten sich einfach mehr – und vor allem schneller – erhofft», sagt Will McIntosh-Whyte, Fondsmanager bei Rathbones Asset Management. Anleger müssten aufpassen, nicht zu viel für Aktien zu zahlen, deren Kursanstiege grösstenteils auf die Erwartung künftiger Aufträge zurückgehen.

Hohe Erwartungen und Bewertung als Risiko

Die europäische Rüstungsbranche zeigt im laufenden Quartal ein durchwachsenes Bild: Kongsberg Gruppen aus Norwegen enttäuschte mit einem schwachen zweiten Quartal, Dassault Aviation aus Frankreich und Rheinmetall aus Deutschland verfehlte Umsatz- und Gewinnziele. Auch BAE Systems konnte mit einem Verzicht auf Anhebungen zentraler Finanzziele nicht überzeugen. Dagegen haben Leonardo (Italien) und Saab (Schweden) ihre Prognosen angehoben.

Ein zentrales Risiko bleibt die hohe Bewertung des Sektors. Ein von Goldman Sachs zusammengestellter Korb von Rüstungsaktien wird mit dem 31-fachen der erwarteten Gewinne bewertet – mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnitt in Europa und auf Augenhöhe mit den traditionell höher bewerteten US-Werten. In Asien ist das Niveau sogar noch höher: Der dortige Bloomberg Aerospace & Defense Index liegt bei einem KGV von 36.

Fondsmanager McIntosh-Whyte, dessen Multi-Asset-Fonds Rüstungsaktien als Absicherung einsetzt, hat seine Position in Thales SA bereits im März und April reduziert: «Wenn diese Bewertungen auf der Annahme beruhen, dass die NATO ihre Verteidigungsausgaben bis 2035 auf 5 Prozent steigert, wird der Markt vermutlich enttäuscht werden.»

Auch andere sehen das ähnlich. «Wir glauben, dass ein Grossteil des erwarteten Wachstums bereits eingepreist ist – nun folgt eine Phase der Stabilisierung», schrieb Morningstar-Analystin Loredana Muharremi im Juli.

Asiatischer Markt seitwärts – US-Aktien mit Rückenwind

Auch im asiatischen Raum hat sich die Kursdynamik abgeschwächt. «Der Markt hat das Potenzial weitgehend eingepreist», so Gerald Gan, stellvertretender CIO bei Reed Capital in Singapur. Für die Zukunft erwartet er Gegenwind.

In den USA hingegen zeichnet sich eine klarere Aufwärtsbewegung ab. Mehrere grosse Rüstungskonzerne wie Northrop Grumman, L3Harris Technologies und General Dynamics haben im zweiten Quartal die Erwartungen übertroffen und ihre Prognosen für 2025 erhöht.

Dagegen zählt Lockheed Martin zu den grössten Nachzüglern im Sektor: Die Aktie ist seit Jahresbeginn um rund 13 Prozent gefallen, nachdem im Juli Belastungen von 1,6 Milliarden US-Dollar und ein möglicher Steuerschock gemeldet wurden.

Positiver fällt der Blick nach Südkorea aus: Hanwha Aerospace – der grösste Rüstungshersteller des Landes – überraschte mit starken Zahlen. «Der südkoreanische Rüstungssektor dürfte im zweiten Quartal 2025 Rekordgewinne erzielen – das war zu erwarten», sagte Jung In Yun, CEO von Fibonacci Asset Management Global in Singapur. Er erwartet, dass sich der Trend fortsetzt.

Analysten weiter optimistisch

Während sich europäische Rüstungsaktien nach der Rally eine Pause gönnen, bleiben die Analysten mehrheitlich optimistisch: Über 80 Prozent der von Bloomberg erfassten Empfehlungen für Rheinmetall lauten weiterhin auf «Kaufen». Die kürzlich entbrannte Bieterschlacht um die Rüstungssparte von Iveco zeigt zudem das anhaltend hohe Interesse an militärischen Vermögenswerten.

Vera Diehl, Portfoliomanagerin bei Union Investment Privatfonds, rechnet nach der Sommerpause mit konkreten Aufträgen: «Jede Schwäche ist derzeit eine Kaufgelegenheit, denn der Bedarf ist da und die Budgets steigen.» Ihr Fonds hat im Frühjahr unter anderem Aktien von Embraer (Brasilien) und Hanwha Aerospace (Südkorea) aufgenommen.

(Bloomberg)