Weltweit investieren Unternehmen dreistellige Milliardenbeträge in neue Rechenzentren für Künstliche Intelligenz (KI). Diesen Bauboom finanzieren die Tech-Konzerne unter anderem durch die Ausgabe neuer Anleihen. Am Rentenmarkt konnten Bonds von Firmen mit einer hohen Kreditwürdigkeit dem jüngsten Rücksetzer an den Aktienbörsen aus Sorge vor einem jähen Ende des KI-Hypes weitgehend trotzen. Einigen Profi-Investoren wird diese Entwicklung jedoch unheimlich. Sie ziehen sich daher aus dieser Anlageklasse zurück.
«An den Märkten herrscht Angst, und alle warten auf die nächste Hiobsbotschaft», sagte Portfoliomanager Brian Kloss vom Vermögensverwalter Brandywine. Eine solche Schockwelle könnte von Unternehmensanleihen ausgehen. Daher nehme er aktuell Gewinne mit. Salman Ahmed, Manager beim Vermögensverwalter Fidelity, wettet sogar auf einen Kursrutsch dieses Marktes. Die Kurse seien überzogen, und ein wirtschaftlicher Abschwung könnte einen «ordentlichen Ausverkauf» auslösen.
Aktuell liegen die Renditeaufschläge, die US-Unternehmen im Vergleich zu Staatsanleihen zahlen müssen, nur knapp über ihrem 27-Jahres-Tief vom Oktober. Die sogenannten Spreads für europäische Firmen notieren ebenfalls auf niedrigem Niveau.
Im September und Oktober haben die grossen Technologiekonzerne zur Finanzierung ihrer KI-Ambitionen Anleihen im Gesamtvolumen von 75 Milliarden Dollar auf den Markt geworfen. Er habe daher sein Engagement in diesem Bereich auf null heruntergefahren, sagte John Stopford, Manager beim Vermögensverwalter Ninety One. Wenn das Emissionsvolumen zunehme, müssten Unternehmen höhere Renditen bieten. Dies schmälere ihre Gewinne.
Seit Monaten rätseln Anleger, ob sich die enormen Ausgaben für KI-Infrastruktur rechnen. Einige befürchten, dass die KI-Blase demnächst platzt. Daher sind Aktien, aber auch Kryptowährungen wie Bitcoin oder Gold in den vergangenen Wochen auf Talfahrt gegangen. Die am Mittwoch veröffentlichten Geschäftszahlen von Nvidia haben diese Spekulationen zwar vorerst gedämpft. Sorgen bereitet Börsianern jedoch, dass der weltgrösste Anbieter von KI-Prozessoren vermehrt Geld für die Anmietung von Rechenkapazitäten ausgibt, die seine Kunden anderweitig nicht verkaufen können.
Kreditausfall-Versicherungen sind teuer
Die wachsende Nervosität der Anleger spiegelt sich auch am Markt für sogenannte Credit Default Swaps (CDS). Die Prämien zur Absicherung von Zahlungsausfall-Risiken schnellten in den vergangenen Wochen in die Höhe. So belief sich das Plus im Fall von Oracle nach Daten des Informationsanbieters Refinitiv auf 44 Prozent. Der Cloud-Anbieter hat zum Ausbau seiner KI-Infrastruktur 18 Milliarden Dollar neue Schulden aufgenommen.
Neben der Flut neuer Unternehmensanleihen sehen Experten die Verunsicherung über den Gesundheitszustand der US-Wirtschaft als Risiko. Wegen des vorübergehenden Regierungsstillstands wurden in den vergangenen Wochen zahlreiche Konjunkturdaten nicht erhoben. Vermögensverwalter State Street bleibt nach Aussagen seines Chef-Anlagestrategen David Furey zwar vorerst in Firmenbonds engagiert. Er werfe aber ein «scharfes Auge» auf Anzeichen für eine Abkühlung der weltgrössten Volkswirtschaft.
(Reuters)
