An den Devisenmärkten läuft derzeit einiges anders, als es Anleger lange Zeit gewohnt waren. Der Euro gewinnt sowohl gegenüber dem Dollar als auch dem Franken an Wert. Ein Euro kostet derzeit rund 1,173 Dollar – so viel wie seit zwei Jahren nicht mehr. Und auch gegenüber dem Franken konnte die europäische Einheitswährung zuletzt etwas Boden gutmachen. Die Marke von 1,05 Franken, die der Euro im Mai kurzzeitig unterschritten hatte, ist bei dem aktuellen Kurs von rund 1,075 derzeit nicht in unmittelbarer Griffweite.

Gegenüber dem Dollar kann sich die Schweizer Währung ebenso wie der Euro behaupten. Eine Einheit der US-Währung kostet derzeit weniger als 92 Rappen – so wenig wie seit 2015 nicht mehr. Kurz: Der Dollar ist derzeit der grosse Verlierer an den Devisenmärkten. Warum?

Euro-Dollar-Kurs in den letzten zwölf Monaten, Quelle: cash.ch. 

Mix aus Dollarschwäche und Eurostärke

Schaut man sich die Umstände für den schwächelnden "Greenback" an, wird klar: Es handelt sich um einen Mix aus Dollarschwäche einerseits und einem wieder erstarkenden Euro andererseits, der das Währungsgefüge der letzten Jahre in Frage stellt.

Grundsätzlich sind es zwei Dinge, die den Dollar nach unten drücken: Die düsteren Wirtschaftsaussichten in den USA und die Geldpolitik der US-Notenbank Fed. Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) gehen davon aus, dass die Verschuldungsquote der USA gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) Ende des Jahres über 130 Prozent betragen wird. Ende 2019 waren es noch 106 Prozent. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Verschuldungsquote der EU-Länder betrug Ende letzten Jahres 84,1 Prozent.

Durch die Geld- und Fiskalpolitik werden in den USA Unmengen an Geld in Umlauf gebracht. Zwar geizen auch die Regierungen in Europa und die EZB nicht mit Finanzspritzen, doch in den USA haben die Höhe der Hilfen dann doch noch einmal eine andere Qualität. Bisher wurden sage und schreibe 3,7 Billionen Dollar im Kampf gegen die Pandemie ausgeben.

Massive Neuverschuldung lastet auf Dollar

So wurde bis zuletzt jedem Arbeitslosen zusätzlich zu seiner Arbeitslosenhilfe vom Bundesstaat weitere 600 Dollar pro Woche vom Bund ausgezahlt. Das Programm soll diese Woche verlängert werden. Auch die einmalige Auszahlung von 1200 Dollar an jeden US-Bürger, die im April stattfand, soll wiederholt werden.

Das alles kostet und treibt die Schulden in die Höhe. Die Geschichte hat gezeigt, dass ein massiver Schuldenanstieg meist mit einer Schwächung der Landeswährung einhergeht. Je höher die USA im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung verschuldet ist, desto weniger attraktiv ist es für andere Länder, in Anleihen des Landes zu investieren. Die Folge: Der Dollar gerät unter Druck. Und: Dadurch, dass in den USA seit der Corona-Krise auch wieder Nullzinsen herrschen, fällt für den Dollar auch ein Zinsvorteil weg.

Katastrophale Corona-Politik der USA

Im Gegensatz zur EU, wo die Pandemie zumindest einigermassen unter Kontrolle scheint, geht in die Infektionskurve in den USA weiter nach oben. Dazu beigetragen haben dürfte die mangelnde Koordination des Weissen Hauses. Während einzelne Bundesstaaten in Eigenregie drastische Massnahmen ergreifen, verharmloste US-Präsident Donald Trump das Virus noch bis vor kurzem.

Erst letzte Woche scheint Trump eine Kehrtwende vollzogen zu haben – wahrscheinlich aus wahltaktischen Gründen. Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, glaubt, dass die lokalen Teil-Lockdowns in den USA das Wachstum drücken werden. "Der wirtschaftliche Neustart in den USA wird daher holpriger ausfallen als in der Eurozone", schreibt Gitzel in einer Mitteilung.

EU-Einigung über Hilfspaket stützt den Euro

Die Lage in Europa wird von den Märkten derzeit weitaus positiver eingeschätzt. Grosse Zuversicht herrscht vor allem wegen des letzte Woche von den EU-Mitgliedsstaaten verabschiedeten Hilfspakets. Erstmals in der Geschichte einigte sich die EU darauf, gemeinsame Schuldtitel auszuschreiben. Der erste Versuch, Schulden gemeinsam zu tragen, wird als grosser Schritt zu einer finanzpolitischen Integration gewertet wird. Das Signal: Durch die Einigung ist das Damoklesschwert einer auseinanderdriftenden EU eliminiert worden.

An den Märkten löste die Einigung regelrechte Begeisterung aus und hievte den Euro gegenüber dem Dollar weiter nach oben. Zudem herrscht vielerorts die Überzeugung, dass die Finanzhilfen, den durch die Corona-Krise in Bedrängnis geratenen Staaten aus der Krise holen werden, wie Thomas Gitzel bereits letzte Woche im cash-Interview erklärte.

Hinzukommt, dass in Europa die Pandemie wesentlich besser unter Kontrolle ist und die Wirtschaftsaussichten dementsprechend optimistischer eingeschätzt werden. So zeigen die wirtschaftlichen Indikatoren in Europa bereits wieder nach oben. Erst am Montag überraschte der deutsche Ifo-Geschäftsklimaindex mit einem unerwartet hohen Anstieg.  

Euro bald globale Leitwährung?

Das alles stützt den Euro und lässt ihn gegenüber dem Dollar stark aufwerten. Manche Kommentatoren sagen dem Euro bereits eine zukünftige Rolle als globale Leitwährung voraus. Auch wenn diese Einschätzung verfrüht sein dürfte, ist sich das Gros der Experten einig, dass die mittelfristige Zukunft dem Euro gehört und der Dollar weiter unter Druck geraten dürfte.

"Wenn man die Grosswetterlage betrachten, macht es Sinn, in den kommenden Monaten eine gewisse Stabilisierung und Stärkung des Euro zu erwarten“, schreiben etwa Analysten der Commerzbank in einem Marktkommentar. Edward Moya, Senior Analyst vom Analysehaus Oanda, drückt es gegenüber CNBC so aus: "Es scheint so, dass der Dollar gerade seine Krone verliert."