Schweizer Spitzenforschungsinstitute befinden sich laut mit den Plänen vertrauten Personen in ersten Gesprächen mit Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall - und zwar über die Finanzierung einer neuen Halbleiterfabrik im Wert von 200 Millionen Franken (215 Millionen Euro).
Ein Schweizer Konsortium hat kürzlich den Bau einer Anlage zur Entwicklung und Herstellung von Chips in der Nähe von Zürich vorgeschlagen, wie aus einem von Bloomberg vorliegenden Dokument hervorgeht. Zur Finanzierung des Vorhabens will sich die Gruppe an Regierungsbehörden und «grosse Industrieunternehmen» wenden, heisst es in dem Dokument.
Das Konsortium will die Finanzierung bis Ende des Jahres abschliessen und die Anlage mit dem Namen «Chip FabLab» Anfang 2028 eröffnen. Die Gruppe wirbt um namhafte Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall und Thales, die hochentwickelte Chips in Radarsystemen und Waffen einsetzen könnten, wie mehrere an dem Projekt beteiligte Personen angaben. Sie baten um Anonymität, da die Gespräche noch laufen und die Partner noch nicht endgültig feststehen.
Ivo Zimmermann - Sprecher vom Branchenverband Swissmem, der die Initiative anführt - bestätigte, dass das Konsortium Gespräche mit Rüstungsunternehmen geführt habe, wollte sich jedoch nicht näher zu den Gesprächen äussern.
Rheinmetall lehnte eine Stellungnahme ab. Ein Vertreter von Thales in Paris, wo das Unternehmen seinen Sitz hat, sagte, es gebe keine Investitionspläne. Vertreter von Thales in der Schweiz reagierten nicht auf Bitten um Stellungnahme.
Eine neue Halbleiterfabrik würde der Schweiz einen Fuss in der Tür als Zulieferer in einem kritischen Sektor verschaffen, den sowohl die USA als auch China aus Gründen der nationalen Sicherheit beschränkt haben. «Jedes Land versucht, sein Chip-Ökosystem zu stärken», sagte Antonia Hmaidi, Senior-Analystin am Mercator Institute for China Studies, die sich mit Halbleitern befasst. «Damit will man sicherstellen, dass man in der Lieferkette eine wichtige Rolle spielt und nicht so leicht ausgeschlossen werden kann.»
Europa erhöht seine Militärbudgets auf ein historisches Niveau und beschleunigt die Ausgaben nebst Panzer und Kampfjets auch für Halbleiter, die als unverzichtbar für die moderne Kriegsführung gelten. Gleichzeitig haben europäische Offizielle zusätzliche Technologie-Investitionen gefordert, da ein verschärfender Handelskrieg und zunehmender Protektionismus den Zugang zu wichtigen Komponenten immer weniger garantieren. Chinas jüngste Exportverbote für kritische Materialien verursachen Unruhe in der gesamten europäischen Industrie.
Das Swiss Chip FabLab wird laut einer Präsentation vom April schätzungsweise 200 Millionen Franken kosten. Statt auf Massenproduktion zielt es auf kleinere Mengen massgeschneiderter Chips ab.
Laut Lars Sommerhäuser, Wissenschaftler der am Projekt beteiligten Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, ist das Projekt auf den lokalen Produktionsbedarf zugeschnitten. Die endgültige Grösse des Projekts hinge von der verfügbaren Finanzierung ab.
In dem Vorschlag erklärte das Konsortium, es plane den Bau einer 4'000 Quadratmeter grossen Produktionsstätte. Sie wäre wahrscheinlich die grösste des Landes. Ein Bericht von Swissmem schätzt, dass die Technologiebranche des Landes im Jahr 2024 rund 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachte. Der Sektor exportiert Werkzeugmaschinen, Automobilteile und medizinische Industriegüter. Die geplante Anlage wäre kleiner als Chip-Produktionsstätten in anderen europäischen Ländern wie Deutschland und würde neben den Fertigungskapazitäten in Asien verblassen.
Aber selbst kleine Anlagen sind laut Hmaidi für Militärunternehmen nützlich, die oft nur begrenzte Mengen bestimmter Chips mit strengen Sicherheitsanforderungen benötigen. Eine schlankere Produktion könne besser an Chip-Designs angepasst werden, die in Drohnen oder futuristischen Bereichen wie Quantencomputing zum Einsatz kommen.
Zu dem Konsortium gehört auch die ETH Zürich, eine führende Hochschule mit technisch-naturwissenschaftlichem Fokus. «Die ETH arbeitet vor allem an Sicherheitsthemen», sagte Jürg Leuthold, ein ETH-Professor, der am Chip-Projekt mitarbeitet. «Das könnte natürlich für Rüstungsunternehmen interessant sein.»
Die Schweizer Rüstungsindustrie ist relativ klein und wird durch Vorschriften behindert, die den Verkauf in Konfliktgebiete wie die Ukraine verbieten. Das Land hat jedoch eine Kursänderung signalisiert und zugesagt, mindestens 30 Prozent seiner Waffen aus Europa zu beziehen und Gespräche mit der Europäischen Union über Sicherheitsfragen aufzunehmen.
Eine Finanzierungsoption, die das Chip FabLab diskutiert hat, ist laut zwei beteiligten Personen der Abschluss von Offset-Beschaffungsvereinbarungen mit der Schweizer Rüstungsbehörde Armasuisse.
Eine Sprecherin von Armasuisse sagte, diese Finanzierungsoption sei «möglich», aber die Agentur sei derzeit nicht am Chip FabLab beteiligt. «Aus Sicht von Armasuisse kann dieses Vorhaben einen Beitrag zur Sicherheit der Schweiz leisten», erklärte die Sprecherin in einer E-Mail.
(Bloomberg/cash)