Der Verlust des US-Technologieindex Nasdaq summiert sich seit Jahresbeginn auf knapp 10 Prozent. Technologieaktien erlitten im Januar grosse Verluste, da sich die Investoren auf eine straffere Geldpolitik zur Bekämpfung der Inflation vorbereiteten. Zinserhöhungen lassen die zukünftigen Gewinne vieler wachstumsstarker Technologieunternehmen weniger attraktiv erscheinen - Stichwort Abdiskontierung.
Für den europäischen Technologiesektor sieht es seit Jahresbeginn noch schlechter aus. Der STOXX Europa 600 Technology hat knapp 16 Prozent an Wert eingebüsst. Das Kursminus seit dem Höchststand Mitte November beläuft sich sogar auf knapp 23 Prozent. Ab einem Taucher von über 20 Prozent spricht man allgemein von einem Bärenmarkt.
JP Morgan glaubt trotzdem, dass einige Technologietitel 2022 gut abschneiden könnten. Die US-Grossbank hat, wie der Finanznachrichtensender CNBC berichtet, sechs seiner Favoriten aus dem Sektor genannt. Es handelt sich dabei um europäische Titel, die mit einem "Overweight"-Rating zum Kauf empfohlen werden.
Der deutsche digitale Immobilienmarktplatzbetreiber Scout24 ist die erste Wahl von JP Morgan in diesem Bereich. Das Unternehmen habe mehrere Akquisitionen erfolgreich abgeschlossen. Zudem stehe Scout24 in einem Transformationsprozess vom digitalen Anzeigegeschäft hinzu einer Teilnahme an Immobilientransaktionen - ein Schritt, der es dem Unternehmen ermöglichen werde, einen adressierbaren Markt von mehr als 11 Milliarden Euro zu erschliessen. Das Unternehmen will mit seinen Dienstleistungen beim Umsatz bis 2026 pro Jahr durchschnittlich zwölf Prozent zulegen. Beim operativen Ergebnis sollen es pro Jahr plus 13 Prozent Zuwachs sein.
Die Aktien von Scout24 befanden sich zwischen Januar und August des letzten Jahres in einem leichten Aufwärtstrend. Seither verliert der Titel kontinuierlich an Wert. Allein dieses Jahr beläuft sich das Kursminus auf 14 Prozent. JP Morgan gibt sich hingegen optimistisch und preist die Aktie mit einem Kursziel von 67 Euro an, was gegenüber dem aktuellen Kurs von gut 52 Euro einem Aufwärtspotenzial von 27 Prozent entspricht.
Kursverlauf der Scout24-Aktien seit Januar 2021 (Quelle: cash.ch).
Auch die norwegische Online-Kleinanzeigengruppe Adevinta wird von JP Morgan zum Kauf empfohlen. Das Unternehmen habe jetzt mit der Integration des Kleinanzeigen-Geschäfts von eBay ein "attraktives" Portfolio. Den Geschäftsbereich von eBay hatte das Unternehmen 2020 für 9,2 Milliarden Dollar erworben. Eine weitere Portfoliooptimierung werde erwartet, da sich das Unternehmen aus Australien, Südafrika und Brasilien zurückzieht, sagte Diebel. Die Analysten von JP Morgan sind der Ansicht, dass der zukünftige Wachstumspfad gut sichtbar sei. Das anvisierte Kursziel liegt bei 107 norwegischen Kronen, was ein Aufwärtspotenzial von 22 Prozent impliziert.
Delivery Hero und Deliveroo
Innerhalb des Lebensmittelliefersektors sieht JP Morgan trotz absehbaren Pandemieende eine anhaltend starke Auftragsdynamik in den internationalen Märkten. Der deutsche Online-Lieferservice Delivery Hero ist die erste Wahl des Analystenteams rund um Marcus Diebel. JP Morgan gefällt der Fokus des Unternehmens auf Schwellenmärkte und die "führende Position" in aufstrebenden neuen verwandten Geschäftssegmenten. Das gute Liquiditätspolster werde es dem Unternehmen ermöglichen, in Schlüsselmärkten zu konkurrieren oder ausgewählte Märkte zu konsolidieren, sagte Diebel.
JP Morgan hat der Aktie ein Kursziel von 114 Euro gegeben. Die Aktien von Delivery Hero stürzten letzten Donnerstag nach der Veröffentlichung einer enttäuschenden Ergebnisprognose für das Jahr 2022 um 29 Prozent ab - nur einen Tag nachdem JP Morgan seinen Ausblick für das Unternehmen veröffentlicht hatte. Seitdem hat die Aktie einen Teil ihres Rückgangs zwar abgefedert, doch seit Mitte November beläuft sich das Kursminus auf 62 Prozent.
Kursentwicklung der Aktien von Delivery Hero seit Januar 2021 (Quelle: cash.ch).
Die Bank schätzt auch das britische Online-Lieferunternehmen Deliveroo wegen seiner "starken Präsenz" in urbanen und ländlichen Gebieten in Grossbritannien. Es wird erwartet, dass das Unternehmen bis Ende des Geschäftsjahres 2021 1,3 Milliarden Pfund an Nettobarmitteln generieren wird. Dies werde es dem Unternehmen ermöglichen, die verschiedenen Geschäftsinitiativen weiter zu finanzieren. JP Morgan hat ein Kursziel von 201 Pence für die Aktie festgelegt - ein impliziertes Aufwärtspotenzial von 42 Prozent.
Ströer Media
Auch der deutsche Werberiese Ströer Media steht auf der Kauf-Liste von JP Morgan, wobei die Bank das Unternehmen als "führend" in Deutschlands Aussenwerbeflächen bezeichnet. Diebel sagte, er sei "erfreut" über die Einführung von programmatischer Werbung - vollautomatischer und individualisierter Ein- und Verkauf von Werbeflächen. Er glaube, dass dem Unternehmen die technologische Integration der Online- und Aussenwerbung gelänge. "Wir glauben, dass Ströer weiterhin erhebliches Aufwärtspotenzial bietet, und sehen die aktuelle Bewertung als wenig anspruchsvoll an, wenn man das Potenzial für weiteres Wachstum in den Hauptmärkten berücksichtigt", fügte Diebel hinzu.
Die Aktien von Ströer bewegten sich letztes Jahr nach einem Rückgang zwischen Januar und Mai über mehrere Monate seitwärts, ehe es im September und Oktober für kurze Zeit aufwärts ging. Von Anfang November bis Ende Januar korrigierten die Aktien wieder deutlich. Im Februar schoss der Titel jedoch in die Höhe, so dass seit Jahresbeginn ein Plus von gut 1 Prozent resultiert. JP Morgan hat die Aktie mit einem Kursziel von 86 Euro versehen, was einem Aufwärtspotenzial von 21 Prozent entspricht.
Kursverlauf der Ströer-Aktien seit Januar 2021 (Quelle: cash.ch).
Kahoot!
Auch die spielbasierte Lernplattform Kahoot! befindet sich auf der Kauf-Liste von JP Morgan. Die norwegische Plattform hat ihre bezahlten Abonnements in den letzten drei Jahren um 155 Prozent gesteigert, da sie von der Zunahme des Heimunterrichts profitierte. Dennoch ist JP Morgan der Ansicht, dass die Plattform aufgrund ihrer Initiative im Bereich Unternehmensschulung auch nach Corona "gut positioniert" für zukünftiges Wachstum bleibe. Die Bank erwartet, dass das Unternehmen bis Ende des Geschäftsjahres 2021 200 Millionen Dollar an Nettoliquidität generieren wird. JP Morgan sieht ein Kursziel von 40 norwegischen Kronen für die Aktie als realistisch an, was einem Anstieg von 28 Prozent entsprechen würde.