Zu Beginn des Jahres 2025 hat sich Fondsmanager Michael Oliveros schwergetan, europäische Nebenwerte mit geringerer Marktkapitalisierung zu verkaufen.
An der Börse strömten die Anleger in die grossen Titel, in der Hoffnung, dass Donald Trumps Zollandrohungen folgenlos bleiben würden. Das Wirtschaftswachstum zeigte sich robust, und die Zuversicht bei den Unternehmensgewinnen trieb den Large-Cap-Index Stoxx Europe 600 auf Rekordhöhen.
Rund acht Monate später trifft Oliveros, der bei der amerikanischen Investmentgesellschaft Invesco den Bereich globale Nebenwerte leitet, auf ein weitaus aufmerksameres Publikum. Die Stimmung hat sich völlig gedreht, denn Trumps erratische Handelspolitik und weitreichende Zölle haben die globale Wirtschaftsordnung ins Wanken gebracht.
Seit einem Tiefstand im April, ausgelöst durch Trumps Zollankündigung zum sogenannten «Befreiungstag», ist der Stoxx Europe Small 200 Index um 21 Prozent gestiegen - deutlich mehr als die 17Prozent, die sein Large-Cap-Pendant im gleichen Zeitraum erzielt hat. Wegen ihres stärkeren Binnenbezugs haben die Nebenwerte auch vom 13-prozentigen Anstieg des Euro in diesem Jahr profitiert.
Konkurrenz abgehängt
Der 793 Millionen Euro schwere Invesco Continental European Small Cap Equity Fonds von Oliveros hat auf 12-Monats-Sicht 82 Prozent seiner Wettbewerber übertroffen. Zu den grössten Positionen gehören die österreichische Bawag, die schwedische Asker Healthcare Group sowie der britische Baustoffkonzern SigmaRoc.
«Am Anfang des Jahres war ich auf einer Roadshow in Deutschland, und kaum jemand wollte über Nebenwerte sprechen», sagte Oliveros in einem Interview. «Jetzt ist es genau umgekehrt: Alle wollen reden.»
Er gehört zu einer Gruppe von Fondsmanagern, deren Produkte Anlegern starke Renditen gebracht haben, insbesondere jenen, die in Zeiten handelspolitischer Turbulenzen auf Unternehmen mit hoher Binnenumsatzquote gesetzt haben. Vom Verteidigungssektor über Industrie bis zu Finanzwerten profitieren viele dieser Nebenwerte auch von den gesunkenen Zinsen in Europa und günstigen Bewertungen nach Jahren schwächelnder Performance.
Bei Alken Asset Management hat Nicolas Walewski mit seinem Small-Cap-Fonds in diesem Jahr 99 Prozent seiner Mitbewerber übertroffen. Er hat besonders auf den Boom bei Verteidigungsaktien gesetzt, den die Politik in Deutschland ausgelöst hat.
Gekauft hat er beispielsweise Aktien von Exail Technologies, einem französischen Unternehmen, das Trägheitsnavigationssysteme für U-Boote herstellt. Die Aktie ist 2025 um über 550 Prozent gestiegen. «Ihr Auftragsbestand wächst phänomenal, die Margen sind grossartig, und es gibt keinerlei Kapazitätsengpässe», sagte Walewski. «Es geht durch die Decke, und das ist gerechtfertigt.»
Andere setzen auf den Infrastruktursektor. Benjamin Rousseau, Fondsmanager für europäische Nebenwerte bei Edmond de Rothschild Asset Management, hat jüngst Aktien der italienischen ICoP gekauft, einem Spezialisten für Tiefbausegmente wie Pipelines, Tunnel und U-Bahn-Stationen. «Der Wendepunkt war für mich eindeutig dieser Handelskrieg», sagt er. «Nebenwerte sind eine sehr binnenorientierte und zyklische Anlageklasse. Und dazu kam noch diese massive Unterbewertung.»
Veränderte Marktbedingungen machen Nebenwerte attraktiv
Jahre schwacher Kursentwicklung bei hohen Zinsen und schleppendem Wirtschaftswachstum haben Nebenwerte attraktiv gemacht. Laut Daten von Bloomberg werden diese Aktien üblicherweise mit einem Aufschlag von 20 Prozent gegenüber grossen Titeln gehandelt. In den vergangenen zwei Jahren waren sie hingegen relativ günstig zu haben.
«Die Leute haben bei europäischen Nebenwerten längst resigniert», sagte Anis Lahlou, Chief Investment Officer für europäische Aktien bei Aperture Investors. «Es gibt dort eine Reihe von Aktien, die extrem, extrem günstig sind. Vielleicht aus gutem Grund. Aber manchmal reicht schon ein verändertes Umfeld.»
Natürlich bleiben Risiken bestehen. Der Ausblick für den Welthandel ist undurchsichtig und wie es im Ukraine-Krieg weitergeht, ist noch immer offen. Und obwohl das Gewinnwachstum in Europa stabil geblieben ist, hinkt es den Ergebnissen der US-Unternehmen hinterher.
«Der Druck auf die Regierungen steigt, ein wachstumsfreundlicheres Umfeld in Europa zu schaffen», sagte Hywel Franklin, Leiter europäischer Aktien bei Mirabaud Asset Management. «Die Unsicherheit ist nicht völlig verschwunden.»
Wer dem Aufschwung bei Nebenwerten anfangs nicht getraut hat, kann weiterhin einsteigen, sofern das Wirtschaftswachstum im Inland zulegt. Bis Ende Juli haben europäische Nebenwertefonds laut Daten von EPFR Global Abflüsse in Höhe von 2,8 Milliarden Dollar verzeichnet, während Mid-Cap-Fonds Zuflüsse von 1,1 Milliarden Dollar verbuchen konnten.
Auch die Gewinnerwartungen sprechen für ein stärkeres relatives Wachstum bei Nebenwerten gegenüber den grossen Titeln - ein Trend, der sich noch nicht in den Kursen widerspiegelt. «Ich glaube nicht, dass die Bewegung hier endet», sagte Lahlou von Aperture. «Ein echter Trend beginnt, wenn das Geld aus dem deutschen Konjunkturprogramm tatsächlich fliesst.»
(Bloomberg)