Die Aktien von SMG sind Mitte November noch 32,225 Franken Wert. Gestartet waren die Titel der Online-Marktplatzbetreiberin mit einem Ausgabepreis von 46 Franken, beendet hatten sie den ersten Handelstag am 19. September bei 49 Franken. Die Aktien haben seither also rund 30 Prozent eingebüsst - und das, obwohl anfangs noch von «einer der spannendsten Online-Geschichten Europas» und einem «historischen Moment» gesprochen wurde.
Besonders in den letzten Tagen hat sich die Talfahrt beschleunigt. Am Mittwoch sinken die Titel erneut fast 5 Prozent.
SMG-CEO Christoph Tonini sagte an der Eröffnungszeremonie am Tag des Börsenganges: «Alle Aktionäre glauben daran, dass wir künftig noch mehr Wert generieren werden - und wir wollen liefern.» Das Unternehmen müsse nun beweisen, dass es das Vertrauen wert sei. Das scheint mit dem Kursverlauf der jüngsten Wochen und dem derzeitigen Niveau offensichtlich noch nicht der Fall zu sein. Bereits am Mittwoch nach dem IPO fiel der Kurs erstmals unter den Ausgabepreis.
Kursentwicklung von SMG.
Dazu muss wissen: Unüblich ist ein Kursabfall nach einem Börsengang nicht. Häufig verkaufen frühe Investoren ihre Anteile, was das Angebot erhöht und den Kurs drückt. Bei SMG mit einem Anteil frei handelbarer Aktien von nur rund 20 Prozent braucht es nicht viel Volumen, um den Kurs zu bewegen.
Der SMG-Anteil von Pictet Asset Management fiel, so eine Meldung von Anfang November, auf unter 3 Prozent. Vor dem Börsengang hielt Pictet 3,04 Prozent an SMG. Gut möglich, dass aktuell auch andere Investoren eine gewisse Zahl von SMG-Aktien verkauft.
Zudem tendieren viele Aktien dazu, beim IPO überbewertet zu sein, da sowohl die Unternehmen als auch Banken daran interessiert sind, möglichst viel Geld einzunehmen. Die Unternehmen wollen eine hohe Bewertung erzielen, um mehr Kapital zu bekommen, während die Banken durch Gebühren und Provisionen direkt davon profitieren. Nach dem Börsenstart korrigiert der Markt diesen Preis und erste Geschäftszahlen sorgen für etwas mehr Realismus.
Realistisch betrachtet werden muss auch das Marktumfeld. Nicht nur war der Gesamtmarkt gemessen am SMI, in dieser Zeit unter Druck gekommen, auch die Konkurrenz zeigt ähnliche Kursverläufe auf. SMG-Mitbewerber wie Baltic Classifieds, deutsche Scout24, die britische Rightmove oder die schwedische Hemnet stehen unter Druck. Sie haben teilweise mehr als 20 Prozent innerhalb von drei Monaten eingebüsst. Baltic Classifieds gab ausserdem im September eine um 3- bis 4-prozentige Umsatz- und Gewinnwarnung heraus. Die Titel fielen daraufhin innerhalb eines Tages zeitweise um 15 Prozent.
Schon vor dem SMG-Börsengang wurden immer wieder Zweifel laut, dass die Künstliche Intelligenz (KI) den kommerziellen Online-Marktplätzen bald das Leben schwer machen könnten. SMG-CEO verwis jedoch darauf, er sehe bislang keinen Einfluss von KI auf die Besucherzahlen der SMG-Portale.
Solche Risiken werden auch bei Barclays und JP Morgan als moderat eingeschätzt. SMG bleibe durch Reichweite, Markenvertrauen und die Breite des Inseratsbestands weiterhin gut positioniert. Ausserdem dürfte KI eher als ergänzendes Werkzeug agieren, das die Personalisierung verbessert, statt die etablierten Portale zu verdrängen, schreibt JP Morgan. SMG sehe seine Vorteile in Reichweite, Markenvertrauen und Nutzerbindung als Schutzschild.
Noch nicht alle Hoffnung verloren
Nicht nur Investoren, auch Analysten zeigen bis anhin wenig Begeisterung. Sieben Analysten haben in der vergangenen Woche die Berichterstattung über die Aktie aufgenommen, wobei die meisten dem Schweizer Online-Marktplatzbetreiber eine Halte-Empfehlung ausgesprochen haben. Sie bleiben vorsichtig aufgrund von einer im Vergleich zu ähnlichen Unternehmen hohen Bewertung und Bedenken hinsichtlich regulatorischer Risiken.
Die Vorteile der Aktie würden durch «intransparente und eigenwillige regulatorische Risiken» gebremst, schreibt beispielsweise der Analyst von Morgan Stanley. Hierzu gehört eine informelle Untersuchung der Wettbewerbskommission (Weko), nachdem Beschwerden über das Preismodell des Unternehmens eingegangen waren. Ein SMG-Sprecher erklärte im September, man halte sich an die geltenden Vorschriften.
Wie aus der Analyse von Barclays hervorgeht, profitiert SMG jedoch von attraktiven Schweizer Endmärkten mit hohen Vermögenspreisen, starkem Bevölkerungswachstum und einer robusten Makroumgebung. Dabei übertreffen die Marken des Unternehmens andere Schweizer Wettbewerber in Bezug auf Traffic wohl deutlich: Im Bereich Real Estate Brands erzielt SMG 8‑mal, Automotive Brands 29‑mal und General Marketplace Brands 18‑mal mehr monatliche Webbesuche als der jeweilige Zweitplatzierte.
Das erfahrene Management und ein kompetentes Board sichern zudem eine solide Unternehmensführung, während die geringe Verschuldung finanzielle Flexibilität für Dividenden, Aktienrückkäufe oder Übernahmen bietet. Weiter heben die Analysten das Potenzial für Margenausweitungen und operative Effizienzsteigerungen hervor. Neue Umsatzquellen wie Mieterplattformen, Preisvergleiche und C2B-Modelle im Automobilbereich sowie Preisanpassungen, Up‑Selling und Cross-Promotion sollen weiteres Wachstum ermöglichen.
Es lauern jedoch durchaus auch Risiken. Im Wettbewerb ergeben sich durch mögliche Fusionen von Konkurrenten oder ein stärkeres Engagement grosser, finanzstarker US-Techfirmen, die sowohl Nutzerzahlen als auch Inserate beeinflussen könnten. Zudem könnten neue Preispakete weniger erfolgreich sein als geplant, was den Umsatz pro Nutzer (ARPU)-Wachstum dämpft, und die Abhängigkeit von Schlüsselmanagement oder qualifiziertem Personal birgt operative Risiken. Weitere Unsicherheiten betreffen die Stabilität einzelner Umsatzströme, IT-Systeme, Liquidität und Free Float der Aktie sowie die Volatilität des E‑Commerce- und Internetsektors.
Derzeit liegen von Analystenseite zwei Kauf-Empfehlungen und sechs Halten-Empfehlungen vor. Das ist kein Top-Rating. Das durchschnittliche 12-Monats-Kursziel liegt jedoch bei 53,50 Franken, also deutlich über dem aktuellen Kurs und dem Ausgabepreis.
Weiteren Aufschluss dürften die Zahlenberichte der nächsten Monate liefern sowie die Entwicklung der Aktie nach der Sperrfrist für verkaufende Eigentümer von 180 Tagen.
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