Der Markt ist seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump unberechenbarer geworden. Auch Zinsentscheide der Notenbanken lassen sich nicht mehr so einfach einschätzen. Doch im Vorfeld der dritten geldpolitischen Lagebeurteilung der Schweizerischen Nationalbank in diesem Jahr sind sich die allermeisten Experten einig: Die SNB wird am kommenden Donnerstag ihren Leitzins bei 0 Prozent belassen.

Darauf deuten diverse Umfragen hin. Zum Beispiel die von Bloomberg: Nur zwei der 21 befragten Ökonomen rechnen am Donnerstag mit einer Senkung des Leitzinses in den Negativbereich auf minus 0,25 Prozent. Das sind einige Stimmen weniger als noch vor drei Monaten bei der gleichen Umfrage vor dem Juni-Zinsentscheid der Nationalbank. Die Tendenz zeigt: Die Wahrscheinlichkeit einer Einführung von Strafzinsen wie zwischen 2015 und 2022 scheint damit weiter gesunken.

Die SNB hat derzeit auch keinen Grund für eine solch einschneidende Massnahme: Die Inflation in der Schweiz - im August lag die Teuerung zum dritten Mal hintereinander im (leicht) positiven Bereich - scheint den Tiefpunkt erreicht zu haben. Die Wirtschaftslage ist stabil, ebenso der Franken.

Gerade die Entwicklung der Schweizer Währung gibt für die SNB immer wieder Anlass zu unerwarteten Zinsänderungen. Zwar hat sich der Franken gegenüber dem Dollar in diesem Jahr um satte 13 Prozent aufgewertet. Zum Euro, der beim Aussenhandel die wichtigere Rolle einnimmt als die US-Währung, ist der Franken in diesem Jahr fast unverändert.

SNB ist «absolut gut aufgestellt»

Der Franken handelt zum Euro seit Ende April mit wenigen Ausnahmen in einer Handelsspanne zwischen 93 und 94 Rappen. «Das Ausbleiben von Devisenmarktinterventionen lässt darauf schliessen, dass die SNB dies im Grossen und Ganzen für angemessen hält», schreibt dazu Martina Honegger-Romahn, Lead Portfolio Manager Fixed Income Schweiz bei Allianz Global Investors.

Die SNB sei «absolut gut aufgestellt» derzeit, wie Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, jüngst im cash-Interview die Ausgangslage vor dem Zinsentscheid einschätzte. Die SNB fahre seit Dezember 2024 eine expansive Geldpolitik und unterstütze damit die Wirtschaft. Das werde den Unternehmen in den nächsten Quartalen helfen. Auch Junius rechnet nicht mit einer Senkung der Zinsen in den Negativbereich am Donnerstag.

Wobei die Realität am Markt bereits anders ist: Die effektiven Zinsen sind seit letztem Juni negativ. Und seit Juli belasten die UBS und die Zürcher Kantonalbank Pensionskassen mit einem Negativzins von minus 0,2 Prozent auf Guthabenkonten.

SNB-Präsident Martin Schlegel sagte dazu in einem Interview mit dem Migros-Magazin kürzlich: «Wir sind uns bewusst, dass der Negativzins unerwünschte Nebenwirkungen haben kann, zum Beispiel für Sparer und Pensionskassen. Die Hürde, ihn wieder einzuführen, ist hoch.»

Diese Aussage wurde vom Markt als zusätzliches Argument aufgeführt, dass die «Gefahr» von Negativzinsen für längere Zeit gebannt ist. Junius zum Beispiel rechnet mit 0 Prozent Leitzins mindestens das ganze nächste Jahr. Und in der Bloomberg-Umfrage erwarten die meisten Experten, dass die SNB ihren Leitzins bis Ende 2027 unverändert belässt.

«Sollten die US-Zölle dauerhaft sein, wäre eine Neubewertung erforderlich»

Es muss schon vieles stimmen, dass dies so eintrifft. Denn an den Märkten kann sich die Lage abrupt ändern, Zinsprognosen altern dann sehr schnell. «Sollten die US-Zölle dauerhaft sein, wäre eine Neubewertung erforderlich», gibt Geoff Yu, Marktstratege bei BNY, ein Beispiel.

Insbesondere unerwartete und heftige Bewegungen beim Franken, zum Beispiel eine massive Aufwertung durch ein geopolitisches Ereignis, können Leitzinsprognosen über den Haufen werfen. «Als niedrig verzinsliche Währung wird der Franken tendenziell untergewichtet, jedoch keineswegs übermässig. Das ist ein Grund, weshalb wir Potenzial für eine Währungsaufwertung sehen», schreibt Yu.

Einen Zinsschritt in den Negativbereich bereits im Dezember würde die Nationalbank dann vollziehen, wenn die Wirtschaft dann stärker leide als gegenwärtig absehbar sei und wenn Investitionen und der Konsum zurückgingen, meint Junius. Die SNB würde dann die grosse Keule herausholen. Und die Zinsen nicht um 0,25 Prozentpunkte senken, sondern gleich um 0,50 Prozentpunkte, so Junius.