Rückenwind für ein weiteres Anziehen der Zinsschraube und damit eine Straffung der Geldpolitik liefert die Leitzinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) von vergangener Woche. Die meisten Beobachter gehen aber auch davon aus, dass eine weitere Leitzinserhöhung gleichzeitig den derzeitigen Zinserhöhungszyklus abschliessen würde.

Denn eine Mehrheit der Ökonomen erwartet eine Erhöhung des SNB-Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 2,00 Prozent. Eine Minderheit plädiert allerdings vor allem angesichts konjunktureller Risiken für ein Stillhalten der Nationalbank.

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Es würde sich bereits um den sechsten SNB-Zinsschritt seit Juni 2022 handeln: Damals hatte die SNB den Leitzins von seinem langjährigen Niveau von - 0,75 Prozent um 50 Basispunkte angehoben, an der folgenden Sitzung vom September 2022 beendete die Notenbank mit einer weiteren Zinserhöhung dann auch die Negativzinsära in der Schweiz.

Unterstützung durch EZB-Entscheid

Für einen weiteren SNB-Zinsschritt spricht auch die jüngste Leitzinserhöhung der EZB um 25 Basispunkte auf 4,5 Prozent. Die EZB- Entscheidung habe die Handlungsfreiheit der SNB noch erweitert, kommentiert etwa Raiffeisen-Chefökonom Fredy Hasenmaile. Bei einem SNB-Zinsschritt am Donnerstag bleibe nämlich die Zinsdifferenz zwischen der Eurozone und der Schweiz unverändert.

Die Zinserhöhung der EZB mache es für die SNB sicherlich einfacher, nachzuziehen und die Zinsen ebenfalls zu erhöhen, meint auch Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St. Galler Kantonalbank (SGKB): "Sie wird dadurch weniger mit dem Vorwurf konfrontiert, den Franken zu stärken."

Nicht alle Beobachter sehen allerdings einen Bedarf für eine weitere Leitzinserhöhung. So hatte der Inflationsdruck in der Schweiz nachgelassen, nicht zuletzt dank einer deutlichen Aufwertung des Schweizer Frankens, wie die Bank Pictet-Ökonomen erinnern. Mit einer Jahresinflation von 1,6 Prozent bewegt sich die Teuerung innerhalb des Zielbands der Notenbank von 0 bis 2 Prozent.

Gleichzeitig hat sich auch die Wachstumsdynamik in der Schweiz abgeschwächt. "Das globale Umfeld und die Schweizer Wirtschaftsdaten haben sich seit der letzten SNB-Sitzung deutlich verändert, so dass eine weitere Zinserhöhung aus unserer Sicht nicht mehr notwendig ist", schreibt etwa Karsten Junius, Chefökonom von J. Safra Sarasin, in einem Kommentar.

Inflation nicht gebannt

Der Rückgang der Inflationsrate unter 2 Prozent sei allerdings vor allem den importierten Preisen, allen voran den Energiepreisen, zu verdanken, hält SGKB-Ökonom Stucki dagegen. Dieser dämpfende Effekt werde angesichts des in letzter Zeit stark gestiegenen Ölpreises wegfallen. "Den Kampf gegen die Inflation als gewonnen zu betrachten, ist verfrüht."

Ein weiterer Teuerungsschub steht zudem im November mit den Mietzinserhöhungen anstehen, bekräftigt Raiffeisen-Ökonom Hasenmaile. Bereits im Februar sollte die Teuerung wieder in das Zielband zurückkehren und dieses trotz weiteren Mietzinserhöhungen und anderen Preisanhebungen etwa beim Strom oder dem öffentlichen Verkehr nicht mehr verlassen, glaubt er.

Gerade die Zinserhöhung lösen aber laut alt SP-Nationalrat und Ökonom Rudolf Strahm nun einen "multiplen Erhöhungsschub der Mieten aus". "Die mehrfache Rückkoppelung über die Dynamik bei den Mieten bremst nicht, sondern erhöht die Teuerung", so Strahm, der sich gegen eine weitere Erhöhung der Zinsen einsetzt. Die SNB werde daher mit ihrer Inflationsbekämpfung "zum zahlenmässig wirksamsten Inflationstreiber." 

Die SNB dürfte bei ihrem Entscheid ohnehin vor allem auf den eigenen Inflationsausblick abstellen. In ihrem Ausblick im Juni war sie davon ausgegangen, dass die Inflation in den nächsten drei Jahren wieder über die 2 Prozent-Marke zurückkehre, erinnert UBS-Ökonom Alessandro Bee.

Seither hätten sich die Risiken im Bereich der unterliegenden Inflation weiter verschärft, glaubt er: "Die SNB dürfte deshalb die Inflation in der mittleren Frist (2024) höher sehen als noch im Juni."

Vorrang der Preisstabilität

Die jüngsten Zeichen einer Abschwächung der Schweizer Wirtschaft dürften die SNB nach Ansicht vieler Beobachter dagegen weniger beeinflussen: Im Zweifelsfalle werde die Nationalbank der Wiederherstellung der Preisstabilität Vorrang vor konjunkturellen Erwägungen geben, meint etwa Hasenmaile. "Zumal die Konjunktur in der Schweiz gegenwärtig hauptsächlich durch die Eintrübung des aussenwirtschaftlichen Umfelds beeinträchtigt wird und weniger durch den Zinsanstieg."

Die Sorge um die Konjunktur dürften die SNB aber wohl darin bestätigen, den Zinszyklus nach dem September-Schritt zu beenden, glaubt Alessandro Bee von der UBS. "In eine ähnliche Richtung ging auch der Zins-Entscheid der EZB und ihre Kommunikation."

(AWP(cash)