Seit Anfang Sommer beschleunigte sich der Preisverfall bei Solarmodulen in Europa. Die Bank Mirabaud Securities hat René Cotting, Finanzchef von Edisun Power Europe, um eine aktuelle Einschätzung gebeten. Edisun ist ein an der SIX kotierter, europäischer Solarstromproduzent, der Solaranlagen in verschiedenen europäischen Ländern betreibt. 

Cotting erklärte, dass die Modulpreise jüngst weiter leicht gesunken seien und wahrscheinlich ihren Tiefpunkt erreicht hätten. Der Markt für Projekte sei derzeit herausfordernd sei – aufgrund der steigenden Zinsen und eines unklaren Bildes darüber, wie sich die Strompreise in Zukunft entwickeln werden.

Kurserholung bei Solar-Titeln in den USA

Sollten die Preise für Solarpanels tatsächlich wie von Cotting festgehalten den Tiefpunkt erreicht haben, so könnte dies auch Meyer Burger helfen. In Übersee haben zudem die tieferen US-Bondrenditen nach der Abkühlung der Inflation den amerikanischen Solartiteln letzte Woche einen Schub verliehen.

Der Invesco Solar ETF, der die Branche abbildet, stieg innert Wochenfrist um 10 Prozent. Die Wechselrichterhersteller Enphase und SolarEdge stiegen um 20 Prozent beziehungsweise 11 Prozent. Die Installateure SunPower, Sunnova und Sunrun legten ebenfalls um mehr als 10 Prozent zu und der Modulhersteller First Solar, der sich in diesem Jahr durch eine solide Leistung auszeichnete, zog um 16 Prozent an.

Mirabaud bekräftigte ihre Kaufempfehlung für Edisun und glaubt, dass die Aussichten für Erzeuger erneuerbarer Energien gut sind und die Bewertung von Edisun günstig. Mirabaud hat ein Kursziel von 168 Franken, was ein Kurspotenzial von 57 Prozent ergibt. 

Bei Meyer Burger setzte die Erholung ein, nachdem die Valoren am 23. Oktober auf einem Jahrestief von 0,2048 Franken notierten. Seither hat sich der Titel um 29 Prozent erholt und Mirabaud stuft die Aktie weiterhin Kaufen und einem Kursziel von 0,81 Franken ein. 

Welch zentralen Einfluss das Zinsniveau für die Solarpanelhersteller hat, erklärte Julien Dumoulin-Smith, Aktienanalyst für saubere Energie von der Bank of America gegenüber CNBC. «Der grosse Gegenwind sind die Zinsen.» Saubere Energie sei eine fremdfinanzierte Branche, und US-Endkunden seien wenig geneigt, für den Bau eines Solarprojekts einen Hypothekarkredit aufzunehmen, deren Zinssätze jüngst dramatisch gestiegen sind. 

Hohe Grundnachfrage in den USA

«Die Energienachfrage wird grundsätzlich steigen», erläutert Dumoulin-Smith weiter. «Versorgungsunternehmen und Unternehmen werden in der ersten Hälfte des nächsten Jahres Beschaffungsmassnahmen ergreifen, um mehr erneuerbare Energieprojekte umzusetzen, weil sie rechtzeitig in der Lage sein müssen, die Stromerzeugung hochzufahren - sie brauchen eine Versorgung.» First Solar sei die einzige Aktie im amerikanischen Solarsektor, die gegenüber dem aktuellen Umfeld weitgehend immun sei, ergänzte hierzu Corinne Blanchard von der Deutschen Bank. 

First Solar, das Solarmodule in den USA herstellt, macht den Hauptharst seiner Geschäfte mit grossen Energieversorgern. Dumoulin-Smith fügt an, es gebe gute Argumente für First Solar als defensiven Wert in diesem Sektor. Das Unternehmen habe in diesem Jahr Quartal für Quartal ein Gewinnwachstum erzielt und werde dies auch bis 2024 tun. Die Aktie von First Solar notiert im Jahresverlauf unverändert.

Kapazitätsabbau in China im nächsten Jahr erwartet

Im Solarbereich sind die hohen Investitionen in China ein wichtiger Grund für das Überangebot an Komponenten und die sinkenden Preise, die die Gewinne von Herstellern auf der ganzen Welt schmälern, schrieb das Wall Street Journal am vergangenen Montag. Viele etablierte chinesische Solarunternehmen warnen davor, dass die Folgen schlimm sein könnten und Verluste oder Insolvenzen drohen. «Die gesamte Branche steht kurz vor der K.-o.-Runde», teilte Longi Green Energy Technology, einer der grössten Solarpanelhersteller Chinas, im Halbjahresfinanzbericht im August mit.

Laut TrendForce, einem in Taiwan ansässigen Marktforschungsunternehmen, haben mindestens 13 Unternehmen - darunter chinesische Branchenführer wie Jinko Solar oder Canadian Solar - ihre Kapazitätserweiterungspläne auf Eis gelegt. Viele chinesische Hersteller haben versucht, Lagerbestände zu Schnäppchenpreisen in Europa zu verkaufen, einem der wenigen grossen Solarmärkte ohne Zölle oder anderen Hindernissen für Panelimporte. Während europäische Solarentwickler hocherfreut sind, setzt dies den ohnehin schon angeschlagenen Herstellern der Region wie Meyer Burger zu. 

Die chinesische Solarindustrie hat schon früher Aufschwünge und Abschwünge erlebt und hatte eine Menge seltsamer Neueinsteiger zu bieten. Tongwei Solar begann als Fischfutterlieferant und erwarb während des Abschwungs im Jahr 2013 einen Hersteller von Solarmodulen, um sein Aquakulturgeschäft durch Solarparks zu ergänzen. Tongwei ist heute der grösste Polysiliziumhersteller der Welt. Die Preise für Polysilizium sind in diesem Jahr um 40 Prozent gefallen. Bis zu 24 Prozent Silizium stecken in einem Solarpanel.

Trotzdem des besseren Ausblicks bei den Modulpreisen in Europa und der soliden Entwicklung der amerikanischen Hersteller von Solarpanels bleiben die Risiken wie hier beschrieben bei einem Investment in diesem Sektor oder Meyer Burger hoch. 

Thomas Daniel Marti
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