Die von den USA angekündigten Zölle auf Schweizer Waren bewegen Politiker und Anleger. Während eine Delegation um Bundespräsidentin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter nach Washington gereist ist, verläuft der Börsenhandel wechselvoll. Der Swiss Market Index (SMI) ist am Mittwoch zurückgefallen, nachdem er seit Anfang Woche leichte Gewinne verzeichnet hatte. 

Am Donnerstag läuft die von US-Präsident Donald Trump gesetzte Frist ab. Rückt er nicht davon ab, werden Schweizer Waren mit einem 39-Prozent-Zoll belegt. Offen ist freilich, ob dieser Satz auch mittel- bis langfristig gilt: «Wir gehen in unserem Basisszenario davon aus, dass die US-Zölle gegenüber der Schweiz sinken und nicht permanent so hoch sein werden», sagte Nannette Hechler-Fayd'herbe, Anlagechefin von Lombard Odier, im cash-Interview. Sie sieht den künftigen Zoll-Satz in einer Spanne von 15 und 20 Prozent.

Lombard Odier hat schon vor dem 1. August die Aktienquote von entwickelten Aktienmärkten, also USA, Europa, Japan, von Übergewichten auf Neutral zurückgenommen. Auch Kepler reduzierte die europäische Aktienquote (mehr dazu hier). Es scheint also, dass hier angesichts der Risiken eine gewisse Vorsicht aufgekommen ist.

Zurückhaltung spricht auch aus Angaben der SIX Exchange Regulation (SER). Deren Datenbank verzeichnet eine Reihe grösserer Titelverkäufe durch Verwaltungsräte und Geschäftsleitungsmitglieder börsenkotierter Unternehmen. Bei EFG International beispielsweise haben Spitzen-Manager kürzlich Aktien im Wert von total 5,8 Millionen Franken veräussert. Bei der UBS stiess ein Geschäftsleitungsmitglied ein 2,5-Millionen-Franken schweres Paket ab. Aktien im Wert von 1,2 Millionen Franken haben Mitglieder der ABB-Chefetage verkauft. Kleinere Verkäufe gab es zudem bei Dottikon ES

Die Gründe für diese Transaktionen sind nicht ohne Weiteres offensichtlich. Zum einen haben sie innerhalb fester Regeln zu erfolgen, zum anderen können auch simple Gründe hinter Aktienverkäufen stecken - beispielsweise, dass sich der betreffende Top-Manager mit dem Geld ein Haus kaufen will. Dass eine Veräusserung von Aktien des eigenen Unternehmens stets aus Pessimismus des Managements geschieht, ist daher keinesfalls gesagt.

Bei EFG International zum Beispiel sprechen die Kursentwicklung und der Geschäftsgang eher für Gewinnmitnahmen als für Schwarzmalerei. Die Aktie ist zurzeit rund 16 Franken wert und befindet sich auf einem Langzeithoch. Allein seit Anfang Jahr rückte sie um 21 Prozent vor; im gleichen Zeitraum hat der Swiss Performance Index (SPI) knapp 7 Prozent zugelegt.

Ob die Aktie noch erhebliches Potenzial hat, ist indes fraglich. Die Bank Vontobel hat das Kursziel mit 15 Franken etwas unter der aktuellen Notierung angesetzt. Die UBS geht mit einem Preisziel von 17,90 über den gegenwärtigen Stand hinaus.

Derweil hat der Vermögensverwalter im ersten Halbjahr den Gewinn um 36 Prozent auf 221 Millionen Franken gesteigert, wozu unter anderem ein Sondereffekt beigetragen hat. CEO Giorgio Pradelli sieht zwar durchaus Klippen, etwa im schwachen Dollar und den sinkenden Zinsen. EFG sei aber gut aufgestellt für weiteres nachhaltiges und profitables Wachstum, sagt Pradelli - und gibt sich zuversichtlich, dass das Finanzinstitut die Ziele für 2025 übertreffen kann. Weitere Aufschlüsse sind vom Investorentag, der Ende November stattfindet, zu erwarten.

Auch die Valoren der Grossbank UBS haben sich positiv entwickelt. Sie werden zurzeit zu über 30 Franken gehandelt - das sind Notierungen, die man seit Ende der Nullerjahre nicht mehr gesehen hat und die an das Börsensprichwort erinnern können, dass von Gewinnmitnahmen noch nie jemand verarmt sei.

Laut dem Analystenkonsens dürfte sich die Aktie in den kommenden zwölf Monaten auf 32 Franken verbessern. Insofern steht ein leichter Anstieg, aber kein Kurssprung in Aussicht. Unterdessen ist Konzernchef Sergio Ermotti vom langfristigen Erfolg der Grossbank überzeugt. Sie will unter anderem in Künstliche Intelligenz und Cloud-Lösungen investieren und so die Produktivität steigern. 

Noch offen und relevant ist freilich die Diskussion zu den Kapitalvorschriften. Der Bundesrat möchte hier eine Verschärfung - wogegen sich die UBS allerdings wehrt. Ob sich die Befürworter oder Gegner der strengeren Regulierung durchsetzen, wird man im weiteren politischen Prozess sehen - ebenso wird sich zeigen, inwieweit die dannzumal getroffenen Regeln die grösste Schweizer Bank belasten.

Dottikon: Anleger ziehen sich zurück

Sowohl bei EFG als auch bei der UBS gab es schon früher Titelverkäufe zu ähnlichen Summen wie den aktuellen. Zum Beispiel hat ein EFG-Manager im Sommer 2024 ein Paket von 3,75 Millionen Franken abgestossen, und bei der UBS gab es Mitte Mai 2024 zwei Management-Transaktionen über je 5 Millionen Franken. Die soeben erfolgen Veräusserungen sind daher nicht aussergewöhnlich.

Das gilt auch für den Pharmazulieferer Dottikon ES. Im Juni 2023 hatte ein Geschäftsleitungsmitglied Aktie im Wert von 85 Millionen Franken verkauft; ein Jahr später wurde ein 19,5-Millionen-Franken-Paket abgestossen. Dagegen wirken die drei jüngst erfolgten Transaktionen bescheiden. Sie belaufen sich auf total 193'000 Franken.

Die so realisierten Gewinne dürften aufgrund des Aktienkursverlaufs jedoch ansehnlich gewesen sein. Die Valoren von Dottikon hatten sich seit dem Tief vom April fast verdoppelt. Ende Juli waren sie bis zu 329 Franken wert. Mittlerweile gingen sie auf rund 300 Franken zurück, allein am Mittwoch betrug das Minus 4 Prozent. Anscheinend haben sich auch Investoren, die keine Führungsfunktion im Unternehmen ausüben, zum Verkauf der Aktie entschlossen.

Allerdings: Die aktuellste Geschäftsberichterstattung war im Mai, und damals zeigte sich das Management um die Schlüsselfigur Markus Blocher zuversichtlich: Man werde den Wachstumskurs fortsetzen und erwarte im Geschäftsjahr 2025/26 einen Umsatz über dem Vorjahreswert. Auf einen Dividende wird verzichtet.

Dafür will das Unternehmen weiter investieren. Auch das spricht nicht für generellen Pessimismus, der sich in den Aktienverkäufen niedergeschlagen haben könnte. Im Gegenteil - Markus Blocher hat offenbar noch Pfeile im Köcher: Eine Dividende werde erst ausbezahlt, «wenn wir keine Ideen mehr haben», sagte er Ende Mai.

ABB steht vor Weichenstellung

Auch die Aktien von ABB sind in letzter Zeit so stark gestiegen, dass man Gewinnmitnahmen nachvollziehen kann. Solche gab es wohl tatsächlich: Anleger, die schon länger in die Titel des Technologiekonzerns investiert waren, haben nach den Zweitquartalszahlen einen Kurssprung über die 50-Franken-Marke gesehen. In der Spitze ging es sogar bis auf 54,40 Franken hoch - ein Allzeithoch.

Mittlerweile ist die Aktie etwa 52 Franken wert. Das ist geringfügig mehr als das Durchschnittskursziel der von AWP erfassten Analysten. Dieser Konsens - 51,30 Franken - lässt aber kaum Raum für ausgedehnte Schwarzmalerei. Er deutet eine im historischen Vergleich nach wie vor hohe Notierung an.

Derweil steht ABB vor der Abspaltung der Robotik-Sparte. Vom so geschärften Fokus verspricht sich das Management Nutzen für beide fortan getrennt geführten Unternehmen. Er gehe davon aus, dass die Wertschöpfung sowohl im verbleibenden ABB-Konzern als auch in der künftig selbstständigen Robotikeinheit durch den Spin-off unterstützt werde, sagte CEO Morten Wierod, als der Schritt angekündigt wurde.

Reto Zanettin
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