Facebook und Twitter stehen in der Kritik, mit ihren Diensten Hasskommentare, Propaganda und Fake News zu verbreiten. Dutzende Unternehmen haben sich nun einem Aufruf zum Werbeboykott gegen Facebook angeschlossen. Die von Bürgerrechtsorganisationen Mitte Juni ins Leben gerufene Initiative #StopHateForProfit führt auf ihrer Webseite am Montag 93 Unternehmen auf, die ihre Werbung auf Facebook in den USA vorübergehend stoppen. Darunter sind Unternehmen, die den Boykott auch auf die Facebook-Tochter Instagram und auf Twitter ausweiten wollen.

Am Freitag kamen unter anderem der Konsumgüterriese Unilever und der Autobauer Honda neu auf die Liste. Der Getränkehersteller Coca Cola kündigte zudem an, die Werbung für mindestens 30 Tag auf allen sozialen Plattformen weltweit auszusetzen. Und am Sonntag folgte der nächste Schlag für Facebook: Das Einzelhandelsunternehmen Starbucks kündigte an, die Werbeausgaben auf allen Social-Media-Plattformen zu pausieren. 

Die Aktien von Facebook und auch Twitter gerieten am Freitag nach der Boykott-Bekanntgabe von Unilever und Honda stark unter Druck. Die Aktien von Facebook verloren 8 Prozent an Wert. Damit verringerte sich die Börsenkapitalisierung von Facebook um 53 Milliarden Dollar. Das Privatvermögen von Facebook-Gründer und Vorstandsvorsitzender Mark Zuckerberg schrumpfte um sieben Milliarden Dollar.

Zumindest für Coca Cola und Unilever lässt sich der Werbe-Schaden bei Facebook ansatzweise beziffern. Allein bei Coca Cola hat der Werbeetat in den USA 2019 geschätzte 22 Millionen Dollar ausgemacht. Bei Unilever sind es rund 42 Millionen Dollar gewesen. Und sollten sich 25 Prozent der Topkunden von Facebook einem weltweiten Boykott anschliessen, würde die Umsatzeinbusse für Facebook gemäss Bloomberg für den Juli 250 Millionen Dollar betragen.

Folgend finden Sie eine Liste ausgewählter Unternehmen, die ihre Werbeausgaben auf Social-Media pausieren wollen.

UnternehmenAuf #StopHateForProfit-Liste
Eileen FisherJa
Ben & Jerry’s HomemadeJa
Coca-ColaJa
DiageoJa
Diamond Foundry Nein
HersheyNein
HondaJa
Levi Strauss & Co.Ja
PatagoniaJa
PepsiCoNein
REIJa
StarbucksNein
The North FaceJa
UnileverJa
UpworkJa
Verizon Communications Ja
ViberJa

Quelle: Bloomberg und #StopHateForProfit.

Doch eines ist klar: Kein einzelnes Unternehmen kann mit einem Werbeboykott das Wachstum bei Facebook erheblich bremsen. Facebook erzielte allein im letzten Quartal einen Umsatz von 17,7 Milliarden US-Dollar. Aber eine steigende Zahl erhöht den Druck auf andere Marken, dem Beispiel zu folgen.

In Kombination mit der Corona-Krise schafft dies eine bedrohliche Lage für Facebook. Den der Aufruf von #StopHateForProfit trifft Facebook an einer empfindlichen Stelle. Der Konzern macht fast seinen gesamten Umsatz mit Werbeerlösen.

Der Druck auf Facebook nimmt zu

So sind die Auswirkungen für Facebook gemäss Analystenkreisen nicht einfach nur Peanuts. "Angesichts der Menge an medialem Lärm, den diese Boykotte erzeugen, wird dies erhebliche Auswirkungen auf das Geschäft von Facebook haben", so Wedbush-Analyst Bradley Gastwirth. "Facebook muss dieses Problem schnell und effektiv angehen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Einbussen im Werbegeschäft ausser Kontrolle geraten."

Eine ähnliche Ansicht vertritt der Merrill-Lynch-Analyst Justin Post: "Für den Moment sind die Auswirkungen des Boykotts nicht entscheidend. Wenn jedoch gewichtige Unternehmen aus anderen Sektoren daran teilnehmen, besteht auf kurze Sicht die Gefahr eines Schneeballeffekts."

Zudem vollziehen sich diese Werbeboykotte in einem wirtschaftlichen Umfeld, wo Facebook mit schwachen Zahlen im zweiten Quartal gerechnet hat. Facebook-Finanzchef Dave Wehner bemerkte schon bei der Präsentation der Quartalsergebnisse im April, dass ein Potenzial für eine stärkere Kontraktion im Werbegeschäft bestehe.

Die grossen Marken müssen sich positionieren

Bernstein-Analyst Mark Shmulik geht zwar davon aus, dass die Werbepause nur von kurzer Dauer sein wird, wie dies die Boykotte von Social-Media-Anzeigen in der Vergangenheit gezeigt haben. Trotzdem sei der jetzige Exodus verschieden. Denn es gibt einen erhöhten Druck auf die Unternehmen, öffentlich zu demonstrieren, dass die Marken auf der Seite der Bürgerrechtsbewegung stehen. "Es ist deutlich sichtbar, wer nicht an dem Boykott teilnimmt", so Shmulik.

Lloyd Walmsley, Analyst der Deutschen Bank, wird noch deutlicher: "Den Boykott einen ganzen Monat durchzuziehen, würde dem Geschäft von Facebook wirklich weh tun".

Trotzdem gibt es auch Analystenstimmen, die durch den Werbeboykott nur geringe Kursrisiken für die Facebook-Aktien sehen. So schätzen die Analysten von MKM Partners, dass kurzfristig nur fünf Prozent des Umsatzes gefährdet sind. Der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble ist zwar der grösste Werbeauftraggeber auf der Welt, doch machen dessen Anzeigen nur 0,5 Prozent der Werbeerlöse von Facebook aus. Aus diesen Überlegungen bleibt die Analystenbude bei ihrem "Buy"-Rating und dem Preisziel von 240 Dollar.

Die Reaktion von Zuckerberg stösst auf wenig Gegenliebe

Zuckerberg reagierte am Freitag auf die wachsende Kritik. Facebook würde zukünftig alle stimmrechtsbezogenen Beiträge mit einem Link kennzeichnen, der Nutzern Wählerinformationen zur Verfügung stellt. Das soziale Netzwerk erweiterte auch seine Definition von verbotener Hassrede für Werbung.

Und auch in den Medien versucht Facebook in die Offensive zu gehen. "Wir verstehen, dass die Leute Druck auf Facebook ausüben wollen, damit wir mehr tun", sagte Facebook-Vizepräsident Nick Clegg am Sonntag gegenüber CNN. "Deshalb haben wir diese zusätzlich Ankündigungen am Freitag gemacht. Wir werden unsere Bemühungen weiter verdoppeln. Wir haben eine Null-Toleranz-Ansatz gegenüber Hassreden."

Die Reaktion der Facebook-Verantwortlichen stiess auf wenig Gegenliebe. Die amerikanische Anti-Defamation League bezeichnete die angekündigten Änderungen als "klein".

Dies verdeutlicht eines: Facebook steckt in der Klemme. Entweder risikiert die Social-Media-Plattform die Konfrontation mit den Bürgerrechtsbewegung und nimmt Einbussen bei den Werbeerlösen in Kauf oder "schädliche" Inhalte werden konsequenter unterdrückt. Dies würde Präsident Trump und seine Anhänger in Aufruhr bringen. 

ManuelBoeck
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