Daimler will erst nach langwierigen Tests und Absprachen mit Behörden in seinen Nobellimousinen der S-Klasse im kommenden Jahr den "Drive Pilot" an den Start bringen. Er soll es Fahrern erlauben, die Kontrolle bei Autobahnfahrten vorübergehend an den Bordcomputer abzugeben. Ganz verlassen auf die Technik - wie Tesla es tut - will man sich nicht.

Beide technischen Ansätze - der auf Sicherheit bedachte behutsame von Daimler und anderer deutscher Hersteller und der radikale von Tesla - zielen darauf, hochautomatisiertes Fahren auf öffentlichen Strassen voranzutreiben. Dadurch könnten die Unfallzahlen massiv gesenkt werden, weil dem Computer schnellere Reaktionszeiten zugetraut werden als dem Menschen. Bisher werden solche Systeme auf Teststrecken oder dafür bestimmten Autobahnabschnitten mit hohem Sicherheitsaufwand erprobt.

Tesla geht nun weiter und lässt seine Autos durch den Verkehr amerikanischer Innenstädte rollen, damit die Software komplexe Verkehrssituationen lernt und ihre Reflexe trainiert. Verbunden ist dies mit der Warnung an den Fahrer, bereit zu sein. Das Auto könnte "zum schlimmsten Zeitpunkt das Falsche tun".

In Deutschland wäre ein solches Risiko undenkbar. Daimlers Pkw-Tochter Mercedes-Benz erlaubt es Kunden nicht, experimentelle Technik zu erproben. Das bleibt Ingenieuren und Testfahrern überlassen, die eine besondere Lizenz dafür haben müssen. "Der Kunde muss genau wissen, was das Auto kann und was nicht", sagte ein Mercedes-Sprecher am Rande der Teststrecke des Autobauers in Immendingen zu Reuters. "Das Schlimmste wäre, wenn das Auto in eine komplexe Situation gerät und es Unklarheit darüber gibt, ob das Auto die Kontrolle hat oder nicht."

Noch nicht zertifiziertes System

Bei dem von Daimler zur Serienreife entwickelten, aber noch nicht zertifizierten System der Stufe drei für hochautomatisiertes Fahren kann der Computer das Steuer bis zur derzeit in Deutschland erlaubten Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometern übernehmen. Damit kann die Technik vor allem in Stausituationen genutzt werden.

Der Computer regelt dann die Geschwindigkeit und den Abstand und führt den Wagen innerhalb seiner Spur. Er reagiert auf Staus, umfährt Hindernisse - etwa wenn ein anderer Wagen am Strassenrand liegengeblieben ist - und hält in Notfällen selbstständig an. Schlafen, dauerhaft nach hinten blicken, oder gar den Fahrersitz verlassen darf der Fahrer nicht. Denn er muss binnen zehn Sekunden in der Lage sein, die Kontrolle zu übernehmen, wenn der elektronische Helfer ihn dazu auffordert.

Mercedes hat dazu sein herkömmliches Fahrerassistenz-System weiterentwickelt. Das nutzt zwei Kameras für dreidimensionale Bilder und Radar, um die Spur und Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug zu halten oder eine Notbremsung einzuleiten. Das neue System fügt einen neuen Sensor hinzu: Lidar erlaubt mit Hilfe von Laserstrahlen einen weiteren Blick in mehrere Richtungen und gleicht diese Daten mit denen des Radars, der Kameras und digitalen Karten ab.

BMW und Daimler waren im vergangenen Jahr vorgeprescht

BMW bietet seinen Kunden unter dem Namen "Personal CoPilot" teilautomatisierte Funktionen der Stufe zwei an, darunter Lenk- und Spurführungsassistenten, die das Steuer vorübergehend übernehmen, sowie automatisches Einparken. Systeme der hochautomatisierten Stufe drei, mit denen Wagen auf Autobahnen selbstständig fahren können, lässt BMW seit einigen Jahren von eigens ausgebildeten Fahrern im Strassenverkehr erproben.

BMW und Daimler waren im vergangenen Jahr mit einer Zusammenarbeit bei der Ankündigung hochautomatisierter Fahrsysteme vorgeprescht, um sich die enormen Kosten zu teilen. Mittlerweile haben sich die beiden deutschen Premiumhersteller jedoch getrennt, auch weil die wirtschaftlichen Aussichten noch weitergehender Schritte wie dem Level vier, bei dem der Fahrer die Kontrolle komplett abgibt, in den Sternen stehen. Das Ziel, ganze Flotten selbstfahrender Fahrzeuge auf die Strasse zu bringen und damit ein neues Geschäftsfeld zu eröffnen, ist erstmal in die ferne Zukunft gerückt.

Volkswagen hat die Entwicklung des autonomen Fahrens bei der Tochter Audi konzentriert und stützt sich zudem auf die Zusammenarbeit mit dem US-Partner Ford. Seit einiger Zeit lassen die Wolfsburger fünf speziell ausgerüstete e-Golf auf bestimmten Routen durch Hamburg fahren, um selbstfahrende Autos im Grossstadtverkehr zu testen.

Ins Rollen kommen soll autonomes Fahren mit dem Projekt "Artemis" von Audi. 2024 wollen die Ingolstädter mit dem vollautomatisierten Fahren, Level vier also, einsteigen. Damit kann der Fahrer das Lenkrad komplett abgeben und wird zum Passagier. Bis dahin hält sich Audi zurück: "Viele gackern lange, bevor das Ei gelegt ist. Wir gackern erst, wenn das Küken schon geschlüpft ist", sagte ein Sprecher.

(Reuters)