Tesla hat das schon lange angekündigte Robotaxi auf die Strasse gebracht. Doch das ist nur der erste Schritt auf einem womöglich langen Weg zum massenhaften Einsatz der fahrerlosen Beförderung. Tesla-Chef Elon Musk kündigte im April an, «Millionen» von Robotaxis schon bis zur zweiten Hälfte des nächsten Jahres auszuliefern.

Der US-Elektroautobauer steht unter Druck, weil sein Absatz auch aufgrund des Imageschadens durch Musks politisches Engagement sinkt. Ein Ausrollen in dieser Geschwindigkeit ist nach Einschätzung von einem Dutzend Analysten und Branchenkennern, mit denen die Nachrichtenagentur Reuters sprach, äusserst schwierig. Musk und Tesla wollten sich dazu nicht äussern.

Schon beim Testlauf der rund zehn Modell-Y-Robotaxis in Austin im US-Bundesstaat Texas am Sonntag ging nicht alles glatt. Das Video eines Passagiers, das Reuters auf Echtheit überprüfte, zeigte, wie ein Wagen an einer Kreuzung für sechs Sekunden lang auf die Gegenfahrbahn steuerte.

Ein Augenzeuge beobachtete, dass ein Robotaxi mit überhöhter Geschwindigkeit eine Schule für Gehörlose passierte - trotz des Schildes, das auf gehörlose Fussgänger hinweist. Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA wurde bereits hellhörig und prüft die Vorfälle.

Die Experten waren geteilter Meinung zu Teslas Erfolgsaussichten, bremsten aber unisono die Erwartungen an eine blitzschnelle Einführung tausender Robotaxis auf den Strassen amerikanischer Städte. Sie wiesen auf Vorteile hin, die Tesla gegen Konkurrenten wie Alphabets Tochter Waymo nutzen könnte.

So ist Tesla erfahren in Massenproduktion und war Vorreiter bei der Entwicklung von Software-Updates per Fernzugriff, die für Upgrades des autonomen Fahrens genutzt werden können. Der Autohersteller verzichtet im Gegensatz zu Waymo auf Sensoren wie Radar und Lidar. Stattdessen setzt er ausschliesslich auf Kameras und künstliche Intelligenz (KI).

«Die Markteinführung könnte sehr schnell gehen. Wenn die Software funktioniert, könnte Teslas Robotaxi auf jeder Strasse der Welt fahren», sagte Seth Goldstein, Analyst bei Morningstar, wies aber auf die noch begrenzte Testumgebung hin. In Austin sind die Robotaxis in einem definierten Gebiet unterwegs. Der Fahrersitz ist leer, doch ein geschulter Beifahrer kontrolliert die Tour mit Sicherheitsmonitoren. In der Ferne halten Spezialisten digital Wache. Einsatz bei schlechtem Wetter ist nicht vorgesehen.

«Es ist, als würde man ankündigen: ‹Ich fliege zum Mars›, und landet dann in Cleveland»

Musk hatte schon 2019 einen eigenen autonomen Fahrdienst angekündigt, der in kurzer Zeit kommen sollte. Das sei aber viel schwerer umzusetzen als die Testflotte in Austin, sagte Bryant Walker Smith, Juraprofessor an der University of South Carolina, Experte für die Regulierung des autonomen Fahrens. «Es ist, als würde man ankündigen: ‹Ich fliege zum Mars›, und landet dann in Cleveland.»

Herausforderung des KI-basierten Ansatzes von Tesla sei, die Robotaxis maschinell zu trainieren, damit sie komplexe Verkehrssituationen bewältigen können, erklärte Philip Koopman, Professor für Computertechnik an der Carnegie Mellon University und Experte für autonome Technologien. Das könne viele Jahre dauern. Tesla werde nicht schneller sein als Waymo.

Waymos Projekt für selbstfahrende Autos begann schon 2009. Ein eiförmiger Prototyp absolvierte dann 2015 seine erste Fahrt auf öffentlichen Strassen, ebenfalls in Austin. Heute hat die Google-Tochter eine Flotte von 1500 Robotaxis in ausgewählten Städten der USA aufgebaut.

Dem Unternehmen zufolge sollen bis Ende 2026 weitere 2000 hinzukommen. Einige Analysten trauen Tesla eine schnellere Expansion zu, auch weil Waymo als Pionier regulatorische und technische Herausforderungen meisterte und der Konkurrenz so den Weg ebnete.

Waymo wollte sich zum Expansionspotenzial von Teslas Robotaxi-Geschäft nicht äussern. Der ehemalige Firmenchef John Krafcik zeigte sich skeptisch. Die Vorsichtsmassnahmen Teslas in Austin zeigten, dass das Unternehmen nicht davon überzeugt sei, dass seine Technologie im grossen Massstab sicher sei, sagte Krafcik.

«Es ist nicht so sicher, wie es sein müsste, und bleibt weit hinter dem robusten Ansatz und der gut dokumentierten Sicherheit zurück, die Waymo bewiesen hat», ergänzte er. Das Unternehmen schafft Jaguar-SUVs an und stattet sie mit aufwendiger Sensortechnik aus.

Einige Analysten warnten, das von Musk angestrebte Tempo bei der Einführung könnte im Fall weiterer Pannen zum Bremsklotz werden, wenn sie das Vertrauen der Öffentlichkeit untergraben. Sie verweisen auf die rechtlichen Probleme in der Vergangenheit mit Teslas automatisiertem Fahrerassistenzsystem Full Self-Driving (FSD).

Bis Oktober gab es bei Einsatz dieser Funktion nach NHTSA-Daten 40 Unfälle mit Todesopfern. Aktuell untersuchen Behörden, inwiefern die Störung von Kameras durch Regen bei Unfällen eine Rolle spielte. Zum Projektstart in Austin betonte Musk, Tesla werde «super paranoid» in Sachen Sicherheit sein. 

(Reuters)