Thyssenkrupp versucht einmal mehr, mit einem Umbau aus der Krise zu kommen. Vorstandschefin Martina Merz will unrentable Geschäfte abstossen oder beenden. Die Stahlsparte und der Marineschiffbau sollen gegebenenfalls mit Konkurrenten fusioniert werden. Die Zeit drängt. Thyssenkrupp fährt hohe Verluste ein und kämpft mit milliardenschweren Schulden. 

Wie kam es dazu?

1998/1999

Zusammenschluss der beiden mehr als 100 Jahre alten Traditionskonzerne Thyssen und Krupp. Zusammen erzielen sie mit 185'000 Mitarbeitern einen Umsatz von 32 Milliarden Euro und einen Vorsteuergewinn von 616 Millionen Euro.

2000

Der geplante Börsengang der Stahlsparte wird wegen einer schwachen Bewertung abgesagt.

2007

Die EU-Kommission verdonnert Thyssenkrupp wegen der Beteiligung an einem Aufzugskartell zu einem Bussgeld von 480 Millionen Euro.

Bilanzjahre 2006/2007 und 2007/08

Der Konzern fährt im weltweiten Stahlboom Rekordgewinne ein. 2007/08 steigt der Nettogewinn auf 2,3 Milliarden Euro. Die Aktionäre erhalten eine Dividende von 1,30 Euro pro Aktie.

2010

Thyssenkrupp eröffnet im Juni ein neues Stahlwerk in Brasilien, im Dezember in den USA zwei Werke für Stahl und Edelstahl. Die Projekte kosten mehr als zehn Milliarden Euro.

Januar 2011

Der ehemalige Siemens-Manager Heinrich Hiesinger übernimmt den Chefposten von Ekkehard Schulz.

Bilanzjahr 2010/11

Das amerikanische Stahlgeschäft entwickelt sich zum Desaster. Die Sparte fährt einen operativen Verlust von 3,1 Milliarden Euro ein.

2011/12

Thyssenkrupp lagert das Edelstahlgeschäft mit der Weltmarke Nirosta in die Tochter Inoxum aus und stösst diese an Outokumpu ab. Die Transaktion im Volumen von 2,7 Milliarden Euro muss später teilweise rückabgewickelt werden.

Geschäftsjahr 2011/12

Thyssenkrupp schreibt 3,6 Milliarden Euro auf Steel Americas ab. Der Konzern fährt einen Verlust von 4,7 Milliarden Euro ein. Die Dividende fällt erstmals aus.

30. Juli 2013

Im Alter von 99 Jahren stirbt Konzern-Patriarch Berthold Beitz. Die Uni-Rektorin Ursula Gather rückt an die Spitze der Krupp-Stiftung, die heute noch mit rund 21 Prozent der grösste Einzelaktionär des Konzerns ist.

25. September 2013

Der schwedische Finanzinvestor Cevian meldet, 5,2 Prozent der Anteile des Konzerns erworben zu haben.

November 2013

Das US-Flachstahlwerk-Stahlwerk wird für gut eine Milliarde Euro an ArcelorMittal und Nippon Steel verkauft.

März 2014

Cevian hält 15,1 Prozent der Anteile. Derzeit sollen es rund 18 Prozent sein.

Februar 2017

Mit dem Verkauf des verlustreichen Stahlwerks in Brasilien für 1,5 Milliarden Euro an Ternium beendet der Konzern das Stahlabenteuer in Amerika. Nach Abzug der Verkaufserlöse für die Werke in Brasilien und den USA verbleibt unter dem Strich ein Verlust von rund acht Milliarden Euro.

Januar 2018

Cevian ist zunehmend unzufrieden mit Hiesinger und erhöht den Druck: "Die aktuelle Konglomeratsstruktur ist zu komplex und schwerfällig."

24. Mai 2018

Der US-Hedgefonds Elliott teilt den Erwerb eines grösseren Aktienpakets von Thyssenkrupp mit.

30. Juni 2018

Thyssenkrupp und Tata Steel beschliessen die Zusammenlegung ihrer europäischen Stahlgeschäfte.

5. Juli 2018

Nur fünf Tage später tritt Hiesinger zurück. In einem Brief an die Mitarbeiter deutet er auf einen fehlenden Rückhalt durch die Grossaktionäre Krupp-Stiftung und Cevian hin.

13. Juli 2018

Der Aufsichtsrat ernennt Finanzchef Guido Kerkhoff vorerst zum Vorstandsvorsitzenden.

16. Juli 2018

Aufsichtsratschef Ulrich Lehner tritt zurück

27. September 2018

Vorstandschef Kerkhoff gibt Pläne zur Aufspaltung von Thyssenkrupp in einen Werkstoff- und einen Industriegüterkonzern bekannt.

30. September 2018

Kerkhoff erhält einen Fünf-Jahres-Vertrag. Das GJ 2017/18 schliesst er mit einem bereinigtem Ebit von 1,6 Milliarden Euro ab. Unter dem Strich bleiben gerademal 60 Millionen Euro übrig.

4. Februar 2019

Die ehemalige Bosch-Managerin Martina Merz wird Aufsichtsratschefin.

10. Mai 2019

Kerkhoff legt die Pläne mit Tata und die Aufspaltung zu den Akten. Stattdessen kündigt er einen Teilbörsengang der Aufzugssparte an und prüft später auch einen Verkauf.

11. Juni 2019

Die EU-Kommission verbietet die Stahlfusion von Thyssenkrupp und Tata Steel Europe wegen Wettbewerbsbedenken.

08. August 2019

Kerkhoff senkt die Prognose für das GJ 2018/19 und verschärft den Sanierungskurs. Geschäfte mit insgesamt 9300 Mitarbeitern werden auf den Prüfstand gestellt. Darüber hinaus sollen 6000 der rund 160.000 Jobs gestrichen werden.

23. September 2019 

Thyssenkrupp steigt vom Dax in den MDax ab.

1. Oktober 2019

AR-Chefin Martina Merz übernimmt von Kerkhoff für zunächst bis zu zwölf Monate den Vorstandsvorsitz. Der ehemalige Siemens-Manager Siegfried Russwurm führt den Aufsichtsrat.

21. November 2019

Thyssenkrupp schliesst das Geschäftsjahr 2018/19 mit einem Nettoverlust von 260 Millionen Euro ab. Eine Dividende gibt es nicht.

30. Dezember 2019

Das Bundeskartellamt verhängt gegen Thyssenkrupp ein Bussgeld von 370 Millionen Euro wegen Preisabsprachen bei Stahlblechen.

13. Februar 2020

Thyssenkrupp meldet wegen des schwächelnden Stahlgeschäfts für das erste Quartal des Geschäftsjahres 2019/20 einen Nettoverlust von 372 Millionen Euro.

27. Februar 2020

Ein Konsortium von Advent, Cinven und der RAG-Stiftung erhält den Zuschlag für das Aufzugsgeschäft für 17,2 Milliarden Euro.

20. März 2020

Vorstandschefin Martina Merz erhält mit Wirkung zum 1. April einen Dreijahresvertrag.

12. Mai 2020

Der Konzern rutscht im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2019/20 tief in die Verlustzone. Die Coronakrise würgt die Nachfrage der Automobilindustrie ab. In der Bilanz stehen ein Nettoverlust von 1,3 Milliarden Euro sowie Nettofinanzschulden und Pensionsverpflichtungen von je 7,5 Milliarden Euro. Thyssenkrupp erhält von der staatlichen KfW Bank einen Überbrückungskredit von rund einer Milliarde Euro.

18./19. 2020

Merz will das Unternehmen in zwei Bereiche aufteilen: Einen mit Geschäften, die im Konzern oder mit Partnern weiterentwickelt werden sollen und einen, die verkauft, abgegeben oder eingestellt werden. Insidern zufolge Gespräche führt der Konzern Gespräche über eine Konsolidierung der Stahlindustrie mit ausländischen Konkurrenten. Im Marineschiffbau strebt der Konzern eine nationale oder europäische Lösung an.

(Reuters/cash)