Es gibt verschiedene Wege, vom KI-Trend zu profitieren. Offensichtliche Anlagemöglichkeiten wie Mega Caps oder Datenzentren etwa - sie scheinen jedoch oft ausgereizt. Und viele dieser Aktien sind in den letzten Monaten enorm teuer geworden.

So war die Bewertung von Microsoft zuletzt auf dem höchsten Stand seit 23 Jahren. Apple erreichte Bewertungsniveaus wie im Jahr 2007 - kurz nach der Einführung des iPhones. Und sogenannte «Pure Plays», also Unternehmen mit nahezu vollständigem Engagement im KI-Sektor, werden auf Rekordniveau gehandelt. Beispiele sind Palantir, CoreWeave und auch Oracle. Letzteres Unternehmen, mit Fokus auf Software und Cloud, erzielt rund drei Viertel seiner Umsätze mit Serverdienstleistungen und war zuletzt während der Dotcom-Blase ähnlich teuer bewertet.

Dabei gibt es zahlreiche andere Unternehmen, die ebenfalls von der langfristigen Entwicklung der Künstliche Intelligenz profitieren dürften. Sie sind im Gegensatz zu den genannten Techkonzernen anderen - und teilweise geringen - Risiken ausgesetzt. Meist sind die KI-Teilnehmer jenseits des Scheinwerferlichts aber deutlich günstiger.

Hohe Kursgewinne und Dividendenrendite

Eine Value-Aktie fällt dabei besonders auf: In diesem Jahr konnte sie mit einem Kursplus von rund 42 Prozent mühelos mit den «Magnificent 7» mithalten. Nur Googles Kursanstieg von 65 Prozent übertrifft sie. Mit einer Dividendenrendite von gut 6,7 Prozent, einem Dividendenbonus von 10 Prozent für langfristige Aktionäre, einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von leicht über 10 und einem sehr defensiven Geschäftsmodell ist sie für Value-Investoren eine attraktive Anlageoption.

Kursverlauf der Engie-Aktie in Euro.

Der französische Versorger Engie fristete aufgrund historischer Belastungen bis vor wenigen Jahren ein Mauerblümchendasein an der Börse. Seit rund drei Jahren marschieren die Aktien aber mit regelmässigen kleineren Korrekturen Richtung Norden - ideal für eine «Buy the Dip»-Vorgehensweise. Neben Kursgewinnen von rund 80 Prozent haben Aktionäre 53 Prozent über Ausschüttungen kassiert. Eine Gesamtperformance von 133 Prozent seit Oktober 2022 lässt sich sehen - der Stoxx 600 warf in dieser Zeit rund 62 Prozent ab.

Diese Kursavancen fallen zusammen mit der konsequent umgesetzten Turnaround-Strategie. CEO Catherine MacGregor ist die Dirigentin hinter dem Wandel und führt den Versorger seit vier Jahren an. Ziel der Strategie ist es, Engie in margenstärkere Geschäfte zu lenken, sich komplett auf erneuerbare Energien zu fokussieren und auf Flexibilität statt Grösse zu setzen.

Versprechen eingehalten

Bisher hat die Engie-Führung die gesetzten Ziele erfüllt. Während die operativen Margen in den Jahren vor dem Amtsantritt von MacGregor noch zwischen 16,8 und 17,4 Prozent lagen, belaufen sie sich heute auf über 21 Prozent. 

Ebenso den Wandel in Richtung dezentralisierter erneuerbarer Energie. Rund 60 Prozent der Investitionen fliessen in Wind, Sonne oder Gas, bis 10 Prozent werden für Batterien ausgegeben und 20 Prozent werden für den Netzausbau verwendet. Das Unternehmen verfügt nur noch über wenige Nukleareaktoren in Belgien, die es aber auslaufen lässt. Ein Drittel der operativen Gewinne werden mit den erneuerbaren Energien, ein Drittel mit dem Netz und ein Drittel mit dem Energiehandel respektive -management erwirtschaftet.

Eine disziplinierte Investitionspolitik erlaubte es Engie, Ausschüttungen und Capex (Capital Expenditure oder: Investitionsausgaben) ohne Erhöhung des Leverage (Nettoschulden im Verhältnis zum EBITDA) zu tragen. Die Obergrenze für die Verschuldung hat das Management bei einem Verhältnis von 4x festgelegt. Derzeit befindet es sich bei 3,2x, vor vier Jahren lag die Nettoverschuldung noch über 3,7x.

Potenzial mit Dividendensicherheit

Positive Analysteneinschätzungen gibt es zuhauf: Von 22 Expertinnen und Experten raten 20 zum Kauf, nur zwei sind mit einem «Halten» etwas vorsichtiger. Seit Ende August wurden zudem nur Rating- oder Kurszielhochstufungen vorgenommen. Beim Rating waren es deren acht, das Kursziel haben 17 der Expertinnen und Experten nach oben angepasst - niemand hat reduziert. Das zwölfmonatige Kursziel liegt im Durchschnitt bei 23,07 Euro, was ein Aufwärtspotenzial von rund 7 Prozent ergibt.

Die UBS gehört zwar zu den zurückhaltenden Optimisten im Markt. Die Kaufempfehlung wird von einem Kursziel von 21 Euro begleitet - 10 Prozent unter dem Konsens. Doch die Analystin ist überzeugt, dass Engie gegenüber dem Sektor unterbewertet ist. Die Verschiebung hin zu transparenteren, planbareren Erträgen und die überdurchschnittliche Dividende müssten zumindest zu einem Abbau der Unterbewertung führen. Die Problemfelder für den Bewertungsabschlag hat auch der Versorger erkannt und arbeitet fleissig an Lösungen: «Die Gründe für die historisch niedrigen Multiples von Engie werden systematisch angegangen», so die Analystin weiter.

Zwar wird heute viel Geld in den Bau von Hyperscalern investiert, doch laut einigen Branchenkennern dürfte die Zukunft einer dezentralen KI-Infrastruktur mit kleineren Serverfarmen gehören. Diese eignet sich besser für den vielfältigen Einsatz von KI-Chips in Autos, Haushaltsgeräten und anderen Gegenständen des täglichen Bedarfs. Mit der Ausrichtung auf Flexibilität und dezentrale Energiegewinnung scheint der Versorger der KI-Entwicklung einen Schritt voraus zu sein.

Die Risiken bei Engie sind begrenzt, das Wachstum ist es aber auch - was mitunter Grund für die tiefen Bewertungen ist. Aufgrund des unsicheren makroökonomischen Ausblicks sehen Analystinnen und Analysten die Risiken hauptsächlich im Bereich Strom- und Rohstoffhandel. Dass der Anteil des volatileren «Merchant»-Geschäftsbereichs sukzessive reduziert wird, dürfte die Anlagerisiken jedoch weiter senken.

Vergangenes Geschäftsjahr betrug der Anteil an den operativen Ergebnissen noch 45 Prozent, bis 2027 dürfte er auf 25 Prozent fallen. Die regulierten Bereiche und vertragsgebundenen Einnahmen - darunter Abnahmeverträge mit KI-Dienstleistern - gewinnen damit an Gewicht, was die Planbarkeit der Investitionen und Ausschüttungen erhöht. 

Der operative Cashflow wird für die nächsten zwei Jahre auf 12,5 bis 12,8 Milliarden Euro geschätzt. Damit lassen sich Capex von rund 9,5 Milliarden Euro und der Dividendenboden von 2,7 Milliarden Euro (1,1 Euro pro Aktie) decken. Das Ausschüttungsquotenziel von 65 bis 75 Prozent kann durch über den Erwartungen liegende Erträge oder kurzfristige Nettoverschuldung erfüllt werden.

Die Dividende dürfte von 1,38 Euro pro Aktie heute bis 2028 auf 1,47 Euro steigen. Kann Engie die Faktoren für die Unterbewertung erfolgreich lösen, sind bewertungsbedingte Kursgewinne von 25 bis 30 Prozent möglich - attraktive Werte für eine defensive Value-Anlage.

Luca_Niederkofler
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