Der Warschauer WIG20-Index stieg in den ersten acht Monaten des Jahres um bis zu 38 Prozent, da robustes Wachstum und eine starke Binnennachfrage ausländische Investoren anzogen. Die Rallye brach jedoch ein, da die Hoffnungen auf einen Durchbruch in den Ukraine-Friedensgesprächen schwanden und russische Drohnen im polnischen Luftraum eine Reaktion der NATO auslösten.
Ein weiterer negativer Faktor für polnische Aktien ist die geplante Erhöhung der Bankensteuern durch die Regierung, um das durch steigende Verteidigungsausgaben stark angestiegene Haushaltsdefizit einzudämmen. Seit der politischen Ankündigung Mitte August schwächelt der Markt und ist von seinem Höchststand Anfang des Monats um mehr als 5 Prozent gefallen.
Die regionalen Märkte bleiben angespannt, und Polens Luftabwehrsysteme sind in höchster Alarmbereitschaft, da der russische Präsident Wladimir Putin weiterhin Angriffe auf die Ukraine startet und die USA neue Sanktionen erwägen, um Moskau zu Verhandlungen zu zwingen. Auch der Budapester BUX-Index ist von seinem im August erreichten Rekordhoch um 5 Prozent gefallen.
Dennoch sagen Anleger, dass polnische Aktien die Rallye fortsetzen dürften, bei der sich der WIG20 seit 2022 ungefähr verdoppelt hat. Der Benchmarkindex übertrifft im September den paneuropäischen Stoxx 600, da sich die Aktien nach dem Drohnenangriff rasch erholen. Der polnische Zloty bleibt relativ stabil und schwankt seit sechs Monaten um 4,25 pro Euro.
«Regierungsentscheidungen sind nicht hilfreich, aber das Gesamtbild hat sich nicht dramatisch verändert, da Polen noch immer eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in Europa ist», sagt Andras Szalkai, Portfoliomanager der Raiffeisen Kapitalanlage in Wien. «Viele Anleger haben die frühere Rallye verpasst und sehen den Rückgang möglicherweise als Gelegenheit, in den polnischen Markt einzusteigen.»
Ministerpräsident Donald Tusk ist marktfreundlich
Der Plan der Regierung, den Körperschaftssteuersatz für Banken im nächsten Jahr von 19 Prozent auf 30 Prozent anzuheben, hat die Ansicht in Frage gestellt, das Kabinett von Ministerpräsident Donald Tusk sei marktfreundlich und konzentriere sich auf die Verbesserung der Unternehmensführung. Die WIG20 wird von staatlich kontrollierten Unternehmen und Finanzfirmen dominiert und reagiert daher höchst sensibel auf politische Entwicklungen.
«Die Bankensteuer macht einen wirklich schlechten Eindruck, denn diese Regierung wurde als Verfechterin einer marktfreundlichen Politik gefeiert», sagte Gabor Pentek von Accorde Fund Management. Für Tomasz Matras, Aktienchef von TFI PZU, der Investmenteinheit von Polens grösstem Versicherer, bedeutet der jüngste Ausverkauf nicht unbedingt das Ende der Hausse. Während angesichts des Ausmasses der Rallye noch immer ein nachhaltiger Rückgang möglich ist, verfügt Polen über attraktive Bewertungen, eine starke Binnennachfrage und die Chance auf weitere Investitionen, die durch EU-Wiederaufbaufonds finanziert werden. „
«Polnische Aktien sind noch nicht überbewertet, und das Etikett 'Frontland' rechtfertigt keinen signifikanten Abschlag gegenüber den globalen Märkten», sagte er. Der WIG20 wird derzeit zum etwa 10-Fachen der erwarteten Gewinne gehandelt, ein Abschlag von 28 Prozent gegenüber dem MSCI Emerging Market Index. Die polnischen Gewinne sind in den letzten drei Jahren stetig gestiegen, und die Banken erzielen trotz Zinssenkungen Rekorderträge.
Ein aktuelles Urteil eines EU-Gerichts zu variablen Zloty-Krediten mindert zudem einige Rechtsrisiken für Kreditgeber. Die jüngste Underperformance sei «nur eine Pause in einem langfristigen gesunden Aufwärtstrend», sagte Maciej Kik, Aktienchef des Investmentfonds Generali Investments TFI SA. «Die Fundamentaldaten sind nach wie vor stark, und positive Makrodaten und steigende Gewinne polnischer Unternehmen tragen zur Stabilisierung der Stimmung bei.»
(Bloomberg)