Er zwang Amundi, Europas grössten Vermögensverwalter, sich von Anleihen einer indischen Bank zu trennen, weil die ein Kohlebergwerk finanzierte. Er blamierte HSBC, weil sie es versäumt hatte, diese Bank in die Pflicht zu nehmen. Und er nötigte ein japanisches Kreditinstitut, aus der Finanzierung von Kohlekraftwerken auszusteigen.

Erlandsson sieht seine Art des Aktivismus, die von fast zwei Jahrzehnten an den Anleihemärkten geprägt ist, als neue Form des Bond-Wächtertums. In den 1980er Jahren nannte man “bond vigilantes” Investoren, die zügellose Schuldenstaaten über die Finanzmärkte unter Druck setzten. Erlandssons Druck richtet sich nicht auf fiskalische Disziplin, sondern darauf, sich den Risiken des Klimawandels und der Erderwärmung zu stellen. Investoren und Banker sollen ihre wirtschaftliche Macht nutzen, um die Finanzierungskosten für Umweltverschmutzer zu erhöhen und Unternehmen drängen, sich für eine kohlenstoffarme Zukunft neu zu erfinden.

Nachdem er im vergangenen Jahr eine gemeinnützige Organisation gegründet hatte, die von Rockefeller-Geldern unterstützt wird, ist der ehemalige Stratege für Kreditderivate bei Barclays und Manager von Anleihefonds zu einem unverblümten Kritiker des Finanzestablishments geworden. Er geisselt Unternehmen wie seinen ehemaligen Arbeitgeber Barclays dafür, dass sie nicht genug gegen die globale Erwärmung tun.

Erlandsson arbeitet mit einer Kombination aus öffentlicher Blossstellung, typischerweise in sozialen Medien, und Diplomatie durch die Hintertür. Er nutzt Kontakte, die er über Jahre hinweg beim Handel mit Anleihen aufgebaut hat, und überredet Investoren und Kreditgeber, aus Positionen, die den Klimawandel treiben, auszusteigen. Und er zögert nicht, Anwälte, andere Non-Profit-Organisationen oder Journalisten in seine Kampagnen einzubinden. Dass die Leute ihn als Unruhestifter sehen, ist ihm völlig klar.

“Wenn ich etwas sehe, das ich für falsch halte, habe ich eine niedrige Hemmschwelle, Ärger zu bereiten,” sagte der in Stockholm lebende Erlandsson. “Es gibt ein Sprichwort, das lautet: ‘nur tote Fische schwimmen mit dem Strom’. Zu den toten Fischen gehöre ich sicher nicht.”

Ende letzten Jahres erfuhr Erlandsson, 45, dass Indiens grösste Bank, die State Bank of India, plante, Adani Enterprises mit rund 650 Millionen Dollar (547 Millionen Euro) bei der Finanzierung einer umstrittenen Kohlemine im Norden Australiens zu helfen. Als früher Investor in grüne Bonds - Anleihen, die zur Finanzierung bestimmter umweltfreundlicher Projekte aufgenommen werden - erinnerte sich Erlandsson daran, dass die indische Bank bereits 2018 solche Anleihen begeben hatte. Er wusste auch, dass einer der prominentesten Fonds, der grüne Anleihen kauft - der Planet Emerging Green One Fonds von Amundi - die Anleihen hielt.

Er störte sich an dem Widerspruch, dass eine Bank, die Anleihen zur Finanzierung von Wind- und Solarprojekten in ganz Indien ausgibt, auch die stark umweltverschmutzende Carmichael-Mine in Australien finanziert. Also rief er die Investoren des EGO-Fonds an, um sie auf die bevorstehende Finanzierung hinzuweisen und sie an das Reputationsrisiko für einen grünen Investor zu erinnern, der mit diesem Geschäft in Verbindung gebracht wird.

“Ich sehe eine Menge Dinge, die einfach intellektuell inkonsistent sind”, sagte Erlandsson. “Wenn Leute sagen, dass sie das Richtige tun, es aber nicht tun, dann ärgert mich das gewaltig.”

Als er bei Amundi anrief, hatten mehrere der Investoren, mit denen er gesprochen hatte, das Problem bereits thematisiert und drohten, aus dem EGO-Fonds auszusteigen, falls Amundi nicht entweder sein Investment in State Bank of India veräussern oder das Unternehmen davon überzeugen würde, den geplanten Kredit zurückzuziehen. Innerhalb weniger Wochen verkaufte Amundi sein rund 20 Millionen Dollar schwere Anleihepaket.

«Intellektuell inkonsistent»

Joakim Blomqvist, Leiter Fixed Income und Devisen bei der schwedischen Pensionskasse AP3, war einer der EGO-Fonds-Investoren, die von Erlandsson kontaktiert wurden. Blomqvist sagte, dass Erlandssons Anruf eine Reihe von Ereignissen auslöste, die letztendlich zu Amundis Desinvestition führten, und dass seine Lobbyarbeit bei den Investoren wahrscheinlich massgeblich für die Entscheidung des französischen Fondsmanagers war.

Ein Sprecher von Amundi lehnte einen Kommentar ab. Ein Sprecher der State Bank of India reagierte nicht auf Bitten um einen Kommentar.

In einem offenen Brief, der von der ESG-Nachrichtenseite Responsible Investor veröffentlicht wurde, warf Erlandsson der in London ansässigen HSBC vor, es versäumt zu haben, sich mit der State Bank of India über die Carmichael-Finanzierung zu verständigen, da sie einer der führenden Zeichner der grünen Anleihe des indischen Kreditinstituts war.

In einem anderen Fall rügte Erlandsson die staatliche Japan Bank for International Cooperation für die Finanzierung eines Kohlekraftwerks in Vietnam. Er kritisierte die Geldgeber der Bank, HSBC und Barclays, dafür, dass sie den Anleiheinvestoren die offensichtlichen Klimarisiken nicht offengelegt haben. Nur zwei Monate nachdem Erlandsson vorschlug, die Bank auf eine schwarze Liste zu setzen, sagte das japanische Institut im März, dass es keine neuen Kohlekraftwerksprojekte finanzieren wolle.

Sprecher von HSBC und Barclays lehnten eine Stellungnahme ab.

Mit finanzieller Unterstützung des Growald Family Fund, einer Stiftung, die von Mitgliedern der Rockefeller-Familie gegründet wurde und sich auf den Klimawandel konzentriert, hat Erlandsson eine Research- und Advocacy-Firma gegründet.

Erlandssons Anthropocene Fixed Income Institute ist wie ein Klimaaktivist, der die Sprache der Finanzmärkte spricht. Es veröffentlicht alles, von technischem Research über Relative-Value-Klima-Trades mit Kreditderivaten bis hin zu Meinungen darüber, wie die Europäische Zentralbank ihre Anleihekäufe strukturieren sollte, um die Finanzierung von Kohlenstoffemissionen zu vermeiden. Das Institut ist auch sein Vehikel, um alles zu entlarven, was nach Greenwashing riecht.

Während er es liebt, Heuchelei zu entlarven, ist ihm bewusst, dass eine zu konfrontative Haltung seine Bemühungen untergraben könnte, Fixed-Income-Manager zu ermutigen, den Klimawandel zu unterstützen.

“Irgendwann wird man so sehr zum Unruhestifter, dass die Leute nicht mehr auf einen hören: Man wird zu einer Art Kassandra oder einem ‘wer hat Angst vorm bösen Wolf’-Jungen”, so Erlandsson. “Ich möchte nicht als blauäugiger Skandinavier wahrgenommen werden, der mit dem Finger auf alle anderen zeigt.”

(Bloomberg)