Die Italiener, die in Deutschland mit ihrer Marke HypoVereinsbank bekannt sind, erwarben am Mittwoch neun Prozent am zweitgrössten börsennotierten deutschen Geldinstitut und deuteten Interesse an einer Ausweitung ihres Engagements an. Im Falle einer Fusion entstünde ein neuer Bankriese in Europa mit einem Marktwert von fast 74 Milliarden Euro, der Platz zwei nach der britischen HSBC einnehmen könnte.

Die Commerzbank reagierte zurückhaltend. Während die Aktienkurse beider Banken zulegten und Ökonomen den Schritt begrüssten, drohten deutsche Arbeitnehmer mit Widerstand. Kurz zuvor hatte Commerzbank-Chef Manfred Knof seinen Abschied im kommenden Jahr angekündigt.

Unicredit erklärte, man werde zusammen mit der Commerzbank Möglichkeiten zur Wertsteigerung für die Aktionäre beider Banken erörtern. Wenn nötig, werde man regulatorische Genehmigungen für eine mögliche Ausweitung des Anteils auf mehr als 9,9 Prozent einholen. Die Commerzbank teilte Stunden später mit, man habe dies zur Kenntnis genommen, und liess ihr weiteres Vorgehen offen: «Vorstand und Aufsichtsrat der Commerzbank werden weiterhin im besten Interesse aller unserer Anteilseigner sowie von Mitarbeitenden und Kunden handeln.»

Der Aufsichtsrat der Commerzbank will nach Angaben eines Arbeitnehmervertreters am Nachmittag über den neuen Grossaktionär beraten. Eine ausserordentliche Sitzung sei für 17.00 Uhr geplant, sagte Aufsichtsratsmitglied Stefan Wittmann. Er ist Vertreter der Gewerkschaft Verdi in dem Kontrollgremium. Wittmann kündigte entschiedenen Widerstand gegen eine Übernahme an. Man werde dagegen kämpfen. Er befürchte einen Verlust zahlreicher Arbeitsplätze und eine Verlagerung unternehmerischer Entscheidungen nach Italien.

Spekulationen, dass dies der Auftakt zu der lang erwarteten Konsolidierung auf dem europäischen Bankensektor sein könnte, trieben die Commerzbank-Aktien rund 18 Prozent. Das ist der grösste Kurssprung seit Jahren. Die Aktien von Unicredit, dem zweitgrössten italienischen Kreditinstitut, stiegen in Mailand um rund drei Prozent. Die Titel des Rivalen Deutsche Bank verloren rund zwei Prozent. Der deutsche Branchenprimus, der vor Jahren die Postbank übernommen hatte, erklärte, er äussere sich nicht zu Wettbewerbern.

Die Italiener bemühen sich Insidern zufolge bereits seit Jahren um eine Übernahme der Commerzbank. Der seit 2021 amtierende Unicredit-Chef Andrea Orcel sei deswegen bereits Anfang 2022 an Commerzbank-Chef Manfred Knof herangetreten, hatten mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters damals gesagt. Bereits Orcels Vorgänger Jean Pierre Mustier habe an einer Übernahme gearbeitet, sei aber auf politischen Widerstand gestossen, sagte eine an den Vorbereitungen beteiligte Person.

Bund hatte der Commerzbank in der Finanzkrise 2008 und 2009 unter die Arme gegriffen

Am Dienstag hatte die Commerzbank überraschend mitgeteilt, dass Vorstandschef Manfred Knof das Institut nach Ablauf seines laufenden Vertrags verlässt. Er werde bis Ende Dezember 2025 bleiben, aber darüber hinaus der Commerzbank nicht mehr zur Verfügung stehen. Der Aufsichtsrat um Jens Weidmann werde umgehend mit der Suche nach einer Nachfolge beginnen. In Medienberichten war Finanzchefin Bettina Orlopp als mögliche Kandidatin genannt worden.

Unicredit erwarb nach eigenen Angaben die Hälfte ihres Commerzbank-Anteils durch den Kauf eines 4,5-Prozent-Pakets, das der deutsche Staat über Nacht am Markt platzierte. Der andere Teil sei am Markt erworben worden. Der Bund hält nun noch zwölf Prozent an der Bank. Die Frage ist nun, ob der verbliebene Anteil ebenfalls an Unicredit gehen könnte. Für eine Trennung von weiteren Commerzbank-Aktien bestehe nun jedoch eine 90-tägige Sperrfrist, sagte eine Sprecherin des FDP-geführten Bundesfinanzministeriums am Mittwoch.

Der Bund hatte der Commerzbank in der Finanzkrise 2008 und 2009 unter die Arme gegriffen und sie mit Kapitalhilfen von insgesamt 18,2 Milliarden Euro gerettet. Die Finanzagentur des Bundes teilte mit, die Unicredit habe bei einem beschleunigten Platzierungsverfahren alle übrigen Interessenten überboten - und zwar mit grossem Abstand, wie das Finanzministerium ergänzte. Der Kaufpreis dieses Pakets lag den Angaben zufolge bei 13,20 Euro je Aktie, was einen Gesamterlös von 702 Millionen Euro ergibt. Dieser fliesst in den Finanzmarktstabilisierungsfonds. Die Commerzbank-Aktien waren am Dienstag mit einem Kurs von 12,60 Euro aus dem Handel gegangen.

«Mit diesem ersten Teilverkauf der Beteiligung wird der Abschluss der erfolgreichen Stabilisierung der Bank und somit der Ausstieg des Bundes eingeläutet», sagte Finanzagentur-Chefin Eva Grunwald. Von dem Unicredit-Einstieg wurde die Bundesregierung jedoch nach Angaben des Finanzministeriums überrascht. «Es gab vorab kein konkretes Angebot», sagte eine Ministeriumssprecherin. Das Verkaufsverfahren sei offen für alle Investoren gewesen. «Der Bund wird jetzt erstmal die neue Situation analysieren.»

Top-Ökonomen werteten den Schritt der Unicredit positiv. «Eine Konsolidierung am europäischen Bankenmarkt ist ökonomisch sinnvoll», sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, der Nachrichtenagentur Reuters. Dies gelte auch im Hinblick auf eine Vertiefung der Banken- und Kapitalmarktunion in der EU. Durch Letztere sollen kleine und mittlere Unternehmen im EU-Binnenmarkt leichter an Kredite kommen.

Ähnlich äusserte sich Regierungsberater Jens Südekum. «Die Übernahme durch eine italienische Grossbank ist eine interessante und durchaus begrüssenswerte Entwicklung», sagte der Ökonom, der dem wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums angehört. «Der europäische Kapitalmarkt ist immer noch zu stark entlang nationaler Grenzen zersplittert. Diese Verzerrung würde durch den Deal etwas behoben.»

«Die Verbindung beider Banken bis hin zu einer Übernahmeperspektive könnte sinnvoll sein», betonte der Finanzexperte des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, Friedrich Heinemann. «Die Commerzbank ist auch nach europäischen Massstäben eine kleine Bank, die nicht die notwendige Grössenordnung für ein dauerhaft erfolgreiches Agieren aufweist.»

(Reuters)