Die Halbleiterindustrie gilt als "launisch". Das kommt nicht von ungefähr, unterliegt doch kein anderer Wirtschaftszweig derart starken und teils unberechenbaren Nachfrageschwankungen. Wähnte man die Halbleiterindustrie noch bis vor wenigen Monaten in einem "Super-Zyklus", haben sich die Aussichten zuletzt dramatisch eingetrübt.
Vorläufiger Höhepunkt ist eine einschneidende Umsatz- und Gewinnwarnung durch den US-Branchenprimus Nvidia. Der Nachfrageeinbruch zwingt den Hersteller von Grafikchips gar zu einem milliardenschweren Abschreiber auf seinen Lagerbeständen.
Lager momentan ungewöhnlich voll
Das setzte den Aktien aus der Halbleiterindustrie auch an der Schweizer Börse ziemlich zu. Mittlerweile liest sich die diesjährige Verliererliste wie das "Wer-ist-Wer" der hiesigen Halbleiterzulieferer. Bei AMS Osram errechnet sich seit Jahresbeginn ein sattes Minus von 56 Prozent, gefolgt von Comet, VAT Group und Inficon mit Kursabschlägen zwischen 45 und 49 Prozent.
In einem Kommentar warnt J.P. Morgan nun vor erneuten Kursverwerfungen. Die US-Investmentbank schliesst von den Resultaten für das zweite Quartal auf ungewöhnlich hohe Lagerbestände. Bankeigenen Berechnungen zufolge liegen diese durchschnittlich um 11 Prozent über den üblichen Beständen. Besonders stark davon betroffen ist das Geschäft mit Speicherchips.
Wirklich Sorgen bereiten den für J.P. Morgan tätigen Analysten allerdings die üppigen Lagerbestände im Zwischenhandel. Dort liegen die Bestände sogar um 15 Prozent über dem ansonsten Üblichen. Das wiederum könnte sich mit Blick auf die zweite Jahreshälfte rächen, so die US-Investmentbank weiter.
Sensirion-Warnung ein erster Vorbote?
Namentlich erwähnt wird aus Schweizer Sicht der Halbleiterzulieferer VAT Group. Gemäss J.P. Morgan macht die hohe Abhängigkeit von Speicherchipherstellern den Vakuumventilespezialist aus dem Rheintal besonders anfällig für einen Nachfragerückgang. Die Aktie wird bei den Amerikanern wie bis anhin mit "Neutral" eingestuft. Dass das Kursziel von 395 Franken weit oberhalb der aktuellen Notierung liegt (246 Franken), macht die Argumentation der Bank nicht unbedingt nachvollziehbar. Vielleicht könnte eine Senkung in nächster Zeit erfolgen.
Mit Sensirion spricht am frühen Mittwochmorgen eine weitere Schweizer Branchengrösse eine Umsatzwarnung aus (cash berichtete). Trotz einer starken ersten Jahreshälfte geht der Chiphersteller neuerdings von einem Jahresumsatz zwischen 310 und 340 (zuvor 325 bis 365) Millionen Franken aus. Einige Analysten waren gar von einem Jahresumsatz von bis zu 387 Millionen Franken ausgegangen.
Das Anlageurteil von J.P. Morgan für die Sensirion-Aktie lautet ebenfalls "Neutral" mit einem Kursziel von 109 Franken (derzeit: 107 Franken). Nach der Umsatzwarnung verliert die Aktie zur Stunde gut 5 Prozent. Wie aus den Handelsräumen hiesiger Banken verlautet, könnte die Umsatzwarnung von Sensirion ein Vorbote für weitere Warnungen durch andere Schweizer Unternehmen aus der Halbleiterindustrie sein. Dabei gelte, dass die Zulieferer den Abschwung für gewöhnlich später als die Chiphersteller selbst zu spüren bekommen.