Die grosse Mehrheit der US-Aktien werde Ende des Jahres höher stehen. Das ist die Konsensansicht an der Wall Street – im krassen Gegensatz zum "bearishen" Ausblick des bekannten Strategen Mike Wilson von Morgan Stanley, der Anfang dieser Woche gewarnt hat, US-Aktien könnten 2023 bis um 22 Prozent fallen.
Wall Street erwartet, dass vier von fünf S&P-500-Unternehmen Kursgewinne verbuchen werden. Zwei von fünf Unternehmen könnten um mehr als 10 Prozent steigen, so die Analyse aus den von Bloomberg zusammengestellten Kurszielen.
Insgesamt prognostizieren die Strategen, dass der S&P 500 das Jahr bei 4075 Punkten beenden wird, was einem Anstieg von etwa 2 Prozent gegenüber dem aktuellen Kurs entspricht. Dies basiert auf dem Median der von Bloomberg zusammengestellten Schätzungen vom letzten Monat. Aktienanalysten erwarten, dass alle 11 Sektoren des S&P 500 die Kurs-Ziele übertreffen. Kommunikationsdienstleistungen, Energie und Technologie werden die Bestenliste anführen, während Basiskonsumgüter und Versorger hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Sektor-Analyse 2023
Bei der Aufschlüsselung stechen drei Aktien hervor, die 6,6 Prozent der Benchmark-Gewichtung ausmachen - Alphabet, Amazon und Tesla. Diesen wird in den nächsten 12 Monaten ein durchschnittliches Potenzial von 50 Prozent attestiert. Diese "bullishe" Haltung ist nach Ansicht einiger Skeptiker allerdings fehl am Platz, da die höheren Zinsen die technologiebezogene Aktien weiter belastet werden, nachdem dieser Sektor einen Grossteil der Ausverkäufe im letzten Jahr verursacht hat.
“Es gibt ein Zusammensetzungsproblem beim S&P 500, was bedeutet, dass es gleichzeitig Gewinner und Verlierer gibt”, sagte Cole Smead, Präsident von Smead Capital Management. “Die Korrelationen brechen auf der ganzen Linie zusammen, wo die Sektoren stark voneinander abweichen und der passive Investor daher eine Weile verlieren wird.” Das heisst, dass ETF-Index-Investoren praktisch keinen Gewinn in 2023 erzielen werden und nur mit Stock-Picking Geld verdient werden kann.
Die gegensätzlichen Ansichten sind sinnbildlich für die Lage der Märkte im Jahr 2023. Die Investoren müssen sich mit einer potenziellen Rezession und der Sorge über nachlassende Gewinne auseinandersetzen. Die US-Aktien haben sich zu Beginn des Jahres bereits deutlich erholt, nachdem sie letztes Jahr die schlechteste Jahresperformance seit der Finanzkrise 2008 eingefahren haben.
“Es gibt einige Hinweise darauf, dass wir im Jahr 2023 eine Erholung erleben könnten. Selbst eine Rendite von 5 Prozent auf den Indices wäre in diesem Jahr ein Gewinn”, sagte Amy Kong, Chief Investment Officer bei Barrett Asset Management. “Es scheint, als würde man feststellen, dass die Erwartungen angepasst werden, sobald wir beginnen, die Guidances vom Management der Unternehmen zu erhalten”, sagte sie. Die Strategin erwartet hierbei sinkende Gewinneinschätzungen, wenn die Unternehmen Ergebnisse vorlegen und den Ausblick für das laufende Jahr abgeben.
Diese Hinweise werden in den kommenden Wochen klarer. Die Eröffnung der Bilanzsaison startet mit den Grossbanken Bank of America und JPMorgan und dem Industrie-Titanen 3M, welche am heutigen Freitag über die Ergebnisse des abgelaufenen Geschäftsjahres berichten und ihre Ansichten für 2023 erörtern. Die Jahresberichte der grossen Tech-Firmen wie Amazon, Alphabet und Apple werden später einen weiteren Einblick geben, wie sich die grössten Technologie-Unternehmen in dieser von Unsicherheit und schwächelndem Wachstum geprägten Zeit positionieren.
(Bloomberg/cash)