Haben die Schweizer Unternehmen seit dem «Liberation Day» dazugelernt? Als US-Präsident Donald Trump am 2. April seine weltumspannenden Zölle verkündete, verharrte die Schweizer Firmenlandschaft tagelang in Schockstarre. Nur wenige Unternehmen kommunizierten mit Analysten über Auswirkungen der Tarife für ihr Geschäft.

Das ist nun anders. «Unsere Produkte nicht von US-Zöllen betroffen», «Zuversichtlich bezüglich US-Zölle» oder «Kein direkter Einfluss durch Zölle» - am Montag ergoss sich eine wahre Flut von Firmenstellungnahmen in die Redaktionsordner und über die Nachrichtenticker. Dass diese Beschwichtigungen zum 39-Prozent-Zollhammer der USA nun dafür verantwortlich waren, dass ein Absturz des Swiss Market Index am Montag ausblieb und der Leitindex nur 0,15 Prozent verlor, ist nicht anzunehmen. Vielmehr geht der Markt von einer Last-Minute-Einigung der Schweiz mit den USA aus.

«Wir erwarten, dass die Verhandlungen bis zum 7. August oder darüber hinaus fortgesetzt werden», schreiben etwa die Experten rund um Nannette Hechler-Fayd’herbe, Leiterin Investment-Strategie bei Lombard Odier. «Unserer Meinung nach dürften sich die USA und die Schweiz auf einen Zollsatz einigen, der näher bei den 15 Prozent liegt, die mit der EU und Japan vereinbart wurden. Damit könnten herausfordernde Zugeständnisse einhergehen.»

Auch Swatch-Chef Nick Hayek ist zuversichtlich, dass eine Einigung erzielt werden könne, bevor die am Freitag angekündigten Zölle am 7. August in Kraft treten. Allerdings gibt es gewichtige Gegenstimmen: Die Zölle, inklusive der Schweiz, sind laut US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer «fast endgültig», Verhandlungen über eine Senkung dieser Zollzuschläge würden «in den nächsten Tagen» nicht stattfinden.

Novartis und Roche im Fokus

Die Lage an der Schweizer Börse bleibt also fragil. Das sieht auch Lombard Odier so: «Schweizer Aktien dürften in dieser Phase der Unsicherheit nachgeben.» Da der Gesundheitssektor rund 37 Prozent des Swiss Market Index (SMI) ausmache, sei die Behandlung der Pharmaexporte entscheidend für die Entwicklung der Schweizer Aktien.

Die Unsicherheit lastet im SMI vor allem auf den beiden Basler Pharmagiganten Novartis und Roche. Die Pharmabranche ist zwar vorerst von den US-Zöllen ausgenommen. Trump hat allerdings Briefe an die grössten Pharmakonzerne verschickt und tiefere Medikamentenpreise gefordert.

Patienten in den USA müssen das Dreifache für ein Medikament bezahlen verglichen mit den Preisen in Europa. Inwiefern der Bund mit den Spitzen von Novartis und Roche redet oder reden wird, ist nicht bekannt. Ein Kenner der Basler Pharmabranche sagt aber gegenüber cash.ch, dass die beiden Konzerne bei den US-Preisen wohl Zugeständnisse machen müssen. Nicht umsonst brachten Novartis und Roche - als Kompensation für mögliche Einbussen in den USA - zuletzt höhere Medikamentenpreise in Europa ins Spiel.

Die Wertpapiere der Konzerne könnten in nächster Zeit also unter Druck stehen, wobei Novartis (Aktie am Montag nach einem langen Minus 0,2 Prozent höher) etwas besser davon kommen könnte. Denn der Anteil am US-Geschäft ist bei Roche - Genussschein am Montag 0,8 Prozent schwächer und auf dem tiefsten Stand seit Mitt April - höher als beim Lokalrivalen.

Entspannung ist wohl auch bei Logitech noch nicht angesagt. Die Aktie des Computerzubehörherstellers war am Montag mit über 1,9 Prozent der grösste Verlierer im SMI. Sie wurde schon in den Tagen nach dem «LiberationDay» heftig abverkauft. Allerdings liegt der Fokus von Logitech punkto Zollvermeidung auf der Verlagerung der Produktionslinien aus China in Länder wie Malaysia, Mexiko, Taiwan, Thailand und Vietnam.

Auch die Aktionäre von Richemont (minus 1,3 Prozent am Montag) und Swatch (minus 2,3 Prozent) dürften noch nicht aufatmen. Die USA sind für die Uhren-Branche der mit Abstand der wichtigste Markt. Im 2025 dürfte die Schweiz Uhren im Wert von rund 5 Milliarden Franken in die USA liefern. Laut Schätzungen von ODDO BHF lasten die US-Zölle mit 5 bis 10 Prozent auf dem Jahres-EBIT von Swatch, bei Richemont sind es weniger als 5 Prozent.

Aktien von Börsen-High-Flyern unter Druck

Aktien vor allem im Small- und Midcap-Bereich, die in den letzten Wochen stark zugelegt haben, könnten in den nächsten Tagen zudem weiter korrigieren. Basilea (am Montag minus 4 Prozent), Idorsia (minus 7 Prozent), Kardex (minus 4 Prozent) oder Kuros (minus 8 Prozent) haben zwar teils wenig mit US-Zöllen zu tun. Aber wenn Märkte korrigieren, dann «nimmt» es die High-Flyer gewöhnlicherweise zuerst. Auch Halbleiter-Aktien wie Comet (minus 8 Prozent am Montag), AMS Osram (minus 3 Prozent) oder VAT (minus 0,4 Prozent) bleiben verwundbar.

Defensive und auf den Binnenmarkt fokussierte Schweizer Unternehmen könnten dagegen weiter gefragt sein, allen voran Swisscom. Die Aktie kletterte am Montag nach einem Gewinn von 3 Prozent auf den höchsten Stand seit Mai 2023. Das Italien-Geschäft mit der Tochtergesellschaft Fastweb ausgenommen geschäftet die Telecom-Gesellschaft ausschliesslich in der Schweiz.

Aus dem SMI könnten Versicherungstitel bei weiteren Börsenunsicherheiten gefragt sein. Sowohl Swiss Life, Swiss Re und Zurich schlossen am Montag je rund 1 Prozent höher. Auch der Duftstoff- und Aromenhersteller Givaudan mag in nächster Zeit bei verunsicherten Investoren - trotz enttäuschender Halbjahreszahlen - wieder vermehrt in der Gunst stehen.

Schweizer Immobilienaktien wie Allreal, Intershop, Mobimo, SPS oder PSP stiegen am Montag ebenfalls. Sie alle haben ihre Einkünfte vorwiegend in der Schweiz. Ein traditioneller «Sicherer Hafen» sind auch die Aktien von Kantonalbanken. Die Institute aus den Kantonen St. Gallen, Thurgau, Zug oder Genf kletterten am Montag alle über 1 Prozent.

Wer weitere defensive Werte am breiten Markt sucht, wird bei den Aktien des Hautpflegespezialisten Galderma, bei der Apothekenkette Galenica (beide je rund 1 Prozent plus am Montag) und vor allem beim Telecom-Anbieter Sunrise (plus 3 Prozent) fündig.