Viele Schwellenländer stehen nun vor der schwierigen Entscheidung, die Wirtschaft zu stützen und ihre Währungen zu stabilisieren. Notenbanker in Ländern wie Indien oder Indonesien hatten es bislang bei Zinssenkungen eher vorsichtig angehen lassen, auch um Markterschütterungen zu vermeiden. Einige dieser Bedenken hinsichtlich der Marktstabilität treten jedoch inzwischen in den Hintergrund, da Sorgen um wirtschaftliche Fundamentaldaten in den Vordergrund rücken. Experten zufolge bedeutet dies, dass einige Zentralbanken in Schwellenländern die Zinsen aggressiver senken könnten als die zunächst im Wartemodus verharrende US-Notenbank.
«Ich denke, dass diese Art der Neuausrichtung der wirtschaftlichen Prioritäten wahrscheinlich dazu führen wird, dass einige lokale Währungen in diesem Jahr stärkerem Gegenwind ausgesetzt sein werden, da ihre Zentralbanken das Wachstum durch eine lockere Geldpolitik stützen», sagt David Chao von der Investmentgesellschaft Invesco. Dies bedeute, dass manche Zentralbanken in Asien vor der Fed die geldpolitischen Zügel lockern könnten. Schwellenländer waren in der Vergangenheit extrem anfällig für starke Zinsabweichungen gegenüber den USA, die häufig eine Kapitalflucht mit destabilisierenden politischen und wirtschaftlichen Folgen auslösten.
Indiens Zentralbank etwa hat im Februar die erste Zinssenkung seit fünf Jahren vollzogen. In den vergangenen Monaten versuchte sie jedoch, Liquiditätsengpässe im indischen Bankensystem durch Geldspritzen zu lindern. Denn weitere Zinssenkungen hätten den Wechselkurs der Rupie unter Druck gesetzt. Der Zollhammer Trumps - 26 Prozent auf Importprodukte aus Indien - führt nun wohl zu einem Umdenken bei der Reserve Bank of India: Es wird allgemein erwartet, dass sie den Leitzins am Mittwoch um mindestens einen Viertelpunkt senken wird. Derzeit liegt er noch bei 6,25 Prozent.
Regionale Unterschiede
Die Herausforderungen für die Zentralbanken in Schwellenländern sind jedoch recht unterschiedlich. Indonesien, die grösste Volkswirtschaft in Südostasien, sieht sich im Hinblick auf Zinssenkungen grösseren Zwängen gegenüber. Denn die Landeswährung Rupiah nähert sich einem Tiefstand, der seit der asiatischen Finanzkrise 1998 nicht mehr erreicht wurde. Dies ist zum Teil auf die Sorgen der Anleger hinsichtlich der Ausgabenpläne der Regierung zurückzuführen. Es wird erwartet, dass diese massiv eingreift, um die Währung zu stützen, wenn die Märkte am Dienstag nach einem elftägigen Feiertag wieder öffnen.
«Eine deutlich schwächere Rupiah wird wahrscheinlich zu einer viel längeren Pause bei den Leitzinsen führen, als dies sonst der Fall wäre, selbst wenn die Tendenz weiterhin dahin geht, die Zinsen im Laufe der Zeit zu senken», sagte Michael Wan, leitender Währungsanalyst bei der Mitsubishi UFJ Financial Group.
In Lateinamerika, wo Trump den meisten Ländern vergleichsweise niedrige Zollsätze aufbrummte, waren die Zentralbanken der US-Notenbank in den vergangenen Monaten und Jahren weitgehend voraus. Jüngste Ereignisse schränken den weiteren Handlungsspielraum jedoch ein. Brasilien könnte sich in einer besonders schwierigen Lage befinden. Dort sind die Inflationserwartungen aus dem Ruder gelaufen, nachdem die Ausgabenpläne voriges Jahr Haushaltssorgen geschürt und die Landeswährung Real auf ein Rekordtief gedrückt hatten. Die Zentralbank des Landes stemmt sich dagegen und erhöhte im vergangenen Monat zum dritten Mal in Folge die Zinsen um einen volle Punkt - auf nunmehr 14,25 Prozent.
Die mexikanische Zentralbank hingegen senkte im vergangenen Monat die Zinsen und warnte vor erhöhter Unsicherheit aufgrund der Handelsspannungen bei schwächelnder Konjunktur. Mexiko war von den von Trump am 2. April angekündigten Zöllen nicht betroffen, muss aber weiterhin mit den zuvor angekündigten 25-prozentigen Zöllen auf eine Reihe von Produkten leben.
Auch Südkorea, ein gebranntes Kind in Sachen Finanzkrisen, wird voraussichtlich unter Druck geraten, die geld- und haushaltspolitischen Schleusen stärker zu öffnen. Die Zentralbank senkte Ende Februar den Leitzins um 25 Basispunkte auf 2,75 Prozent. Dabei wurde im Direktorium bereits die Sorge laut, dass sich die Binnenwirtschaft schwächer als erwartet entwickele und Abwärtsrisiken durch die US-Zollpolitik zunähmen.
(Reuters)