Die Aktien von Novartis haben im letzten Jahr 7 Prozent hinzugewonnen und die direkte Konkurrentin am Rheinknie deutlich hinter sich gelassen. Und auch im neuen Jahr geht es um den gleichen Prozentbetrag trotz jüngster Performance-Holperer infolge der Jahreszahlen aufwärts. Es scheint, als würde der zuvor vorherrschende Seitwärtstrend endlich hinter sich gelassen.

Vontobel-Analyst Stefan Schneider schätzt die Marktlage für Novartis als gut ein: «Novartis hat über die letzten Jahre eine Transition von einem diversifizierten Healthcare-Konglomerat hin zu einer fokussierten Pharmafirma abgeschlossen. Aber nicht nur das, sondern auch im Bereich innovative Medikamente wurde der Konzern fokussierter – so will man sich heute nur eine Handvoll Indikationsgebiete fokussieren. Dies mache Novartis schlagfertig in ihren Gebieten. 

Novartis, das mit seinen Produkten fast 800 Millionen Menschen auf der ganzen Welt erreicht, hat mit seinen Jahreszahlen die eigenen Ziele erfüllt. Mit seinen 108'000 Mitarbeitern aus mehr als 140 Ländern erzielte Novartis im vierten Quartal einen Umsatz von 11,4 Milliarden Dollar, ein Plus von 8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Es ist das erste Quartal, in dem der Konzern in seiner neuen Struktur als fokussiertes reines Pharmaunternehmen - ohne Sandoz - unterwegs war. 

Operative Leistung sticht positiv heraus

Schneider fand die Jahreszahlen von Ende Januar nicht enttäuschend. Die Umsätze entsprachen dem, was der Markt angenommen hatte. Die Profitabilität fiel etwas unter den Erwartungen aus. Dies, da die Firma etwas mehr in den Vertrieb investiert, um das Wachstum voranzutreiben. «Wir denken, die Investitionen machen durchaus Sinn, denn die Firma hat über die letzten Jahre einige Produkte lanciert und will diese möglichst gut auf dem Markt platzieren», so Schneider. Zudem: In Bezug auf die Zahlen müsse man auch klar in Erinnerung rufen, dass Novartis schlussendlich das Angekündigte geliefert hatte. 

Auch die Ratingagentur Moody’s ist positiv gestimmt für Novartis und hat den Pharmakonzern zuletzt mit einem besseren Langfristrating versehen. Die Heraufstufung des Ratings spiegle «die langjährige solide operative Leistung von Novartis, die starke Generierung von freiem Cashflow und das robuste Finanzprofil» wider. Das Rating gehe mit der Erwartung einher, dass das Unternehmen in den nächsten Jahren «weiterhin ein prozentuales Umsatzwachstum im niedrigen bis mittleren
einstelligen Bereich erzielen wird». 

Novartis-Chef Vas Narasimhan zeigt auch Charakterstärke: Anders als andere Pharmachefs lässt er sich vom ganzen Hype um die Abnehm-Spritze nicht vom strategischen Kurs abbringen. Sein Pendant Thomas Schinecker bei Roche etwa gab erst kürzlich den Wiedereinstieg in dieses Therapiegebiet bekannt. Diesen Schritt lässt er sich Milliarden kosten. Dabei hatte sich Roche vor einigen Jahren aus dem Therapiegebiet verabschiedet und die Wirkstoffe an die amerikanische Eli Lilly verkauft.

Novartis hat über die letzten Jahre hingegen zwar einige Technologien zugekauft, aber immer solche, die – nach Meinung der Firmen – gerade Marktreife erlangen könnten. Novartis versucht mit diesen Technologien Markt-Leadership zu erlangen – was ihnen dann robustes Wachstum über viele Jahre bringen könnte. Anstatt in Reaktion zu verfallen scheint langfristig strategisches Denken die Devise zu sein.

Pipeline bietet keine Katalysatoren

Aktien von Pharmafirmen leben an der Börse vom Sentiment, positiven Studienresultaten und einer nachhaltig soliden Guidance: «Wir sind der Meinung, dass Novartis dieses Jahr zeigen muss, dass sie nun als fokussierte Pharmafirm das liefern kann, was sie versprochen hat. Novartis erwartet für mehrere Produkte generische Konkurrenz im Jahr 2024 und hat diese alle in den Jahresausblick eingerechnet», so der Vontobel-Analyst auf Anfrage von cash.ch. Diese Lancierungen könnten sich aber auch noch etwas nach hinten schieben und daher nennt Novartis ihren eigenen Jahresausblicke als «vorsichtig». Es sei also durchaus möglich, dass wir auch dieses Jahr wieder sehen, dass der Ausblick für 2024 unter dem Jahr angehoben wird. 

Aus der Pipeline sollten Anlegerinnen und Anleger 2024 keine sehr grossen Katalysatoren erwarten – sicherlich gibt es aber einige Datenpunkte, die interessant sein werden und den Aktienkurs unterstützen können. Wichtig ist für Schneider vielmehr, dass Novartis weiterhin zeigen kann, dass ihre bereits lancierten Produkte weiterhin gut wachsen – und somit der 2024, sowie auch der mittelfristige Wachstumsausblick erfüllt werden kann. Sofern der Markt sich überzeugen lässt, dass Novartis doch schneller als angenommen wächst, werden die Kursziele angehoben werden. Dies könnte die Aktie nach oben treiben.

Moody's geht davon aus, dass die Umsätze aus den neuen Medikamenten und den Erweiterungen der Produktlinie von Novartis - darunter Cosentyx, Kisqali, Kesimpta und Pluvicto - den negativen Effekt durch generische Konkurrenz-Medikamente ausgleichen dürften.

Roche auf Strategiesuche, Novartis bleibt erste Wahl

Schlussendlich fragen sich viele Anlegerinnen und Anleger oftmals auch, ob man lieber in Roche oder Novartis investieren sollte. Hat doch Roche klar an der Börse an Boden verloren und erscheint so gegenüber Novartis rein optisch als günstigeres Investment.

«Wir haben eine Präferenz für Novartis, da die Firma ihr Businessmodell fokussiert hat und momentan von einem guten Momentum profitiert. Roche ist hingegen günstiger bewertet als Novartis – aber dafür gibt es Gründe», argumentiert Schneider. Die Firma verlor in 2022 mehrere wichtige Produktkandidaten und somit fehlen diese nun als wichtige Wachstumstreiber. Roche müsste eigentlich Produktkandidaten in der späten Entwicklungsphase zukaufen, um diesen Gap zu füllen – was der Pharmakonzern auch letzten Herbst angekündigt hat, aber bislang ohne handfeste Resultate. 

Die getätigten Zukäufe bei Roche waren für Produktkandidaten die noch viele Jahre bis zur Marktreife brauchen. Zudem wurden die Zukäufe in verschiedenen Indikationsgebieten getätigt und somit ist es momentan nicht ganz klar, was die Strategie von Roche ist. Die Firma führt zurzeit eine strategische Businessüberprüfung durch, die aber noch etwas dauert. «Investoren werden über die neue Strategie am Roche Pharma Day (30. September 2024) informiert. Bis dahin gehen wir davon aus, dass die Roche Aktie keine grossen Sprünge macht», fügt Schneider an.

Bei Novartis ist man bis dahin wohl an der besseren Adresse: Die von Bloomberg befragten Analysten stehen den Titel im Schnitt um 8 Prozent höher. Für das Jahr 2023 wurde eine Dividende von 3,30 Franken angekündigt, was einer Dividendenrendite von 3,7 Prozent entspricht. Novartis hat von 2001 bis 2023 jährlich eine Dividende von durchschnittlich 1,92 Franken pro Namenaktie ausgeschüttet (Zahl ist um allfällige Kapitalveränderungen bereinigt), was für eine nachhaltig aktionärsfreundliche Dividendenpolitik spricht.

ManuelBoeck
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