"Nach einem völlig verkorksten Anlagejahr 2022 sind die Kapitalmärkte fulminant ins neue Jahr gestartet", sagt Carsten Klude, Chefökonoim von M.M. Warburg. Den Börsenbullen dürfte die Puste seiner Ansicht nach noch nicht ausgehen. Die Aussicht auf eine US-Inflation von unter drei Prozent in der zweiten Jahreshälfte, Entspannung bei den Lieferkettenproblemen, billigere Transportkosten, die Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft - das alles spreche für eine weitere Erholung der Aktienmärkte, fasst Klude zusammen.

Die Investoren wähnen sich entsprechend im sogenannten Goldilocks-Szenario und damit in der beste aller Welten aus Börsensicht, sagen die Strategen der Helaba. "Darin gelingt es den Notenbanken mit ihren Zinserhöhungen, die Inflation zu bekämpfen, ohne die Volkswirtschaften in eine tiefe Rezession zu stürzen." 

Der SMI schloss am Freitagabend mit 11'349,39 Punkten um 1,44 Prozent höher. Damit hat der Leitindex im Wochenvergleich ein leichtes Plus von 0,15 Prozent verbucht. Andere Indices, die weniger von defensiven Aktien geprägt sind, haben während der abgeschlossenen Handelswoche noch stärker zugelegt. So schloss der deutsche Dax auf Wochensicht 2 Prozent höher.

Konjunkturjubel nach Zinsentscheiden muss sich behaupten

Zwar drehten die drei grossen Notenbanken Fed, EZB und Bank of England in der alten Woche erneut an der Zinsschraube und deuteten an, noch nicht am Ende angelangt zu sein. Doch das Tempo dürfte angesichts der nachlassenden Teuerung abnehmen und der Zinsgipfel zumindest bei der US-Notenbank nach Meinung der Börsianer bald in Sicht sein. "Zwar konzentriert sich die Fed weiter eindeutig auf die Bekämpfung der Inflation, aber so locker ist die Notenbank seit 2018/19 nicht mehr aufgetreten", sagt Laura Frost, Investmentexpertin im Anleiheteam von M&G. "Damit ist auch klar, dass wir uns dem Ende des Zinserhöhungszyklus nähern." Die Hoffnungen auf ein "Soft Landing" der US-Konjunktur steigen entsprechend.

Wie die Realität aussieht und ob die Zeichen für die Wirtschaft wirklich auf Entwarnung stehen, werden die Börsianer an den anstehenden Konjunkturdaten abklopfen. Dass die Investoren in der Euro-Zone im Februar weiter auf eine mild verlaufende Rezession hoffen, dürfte der Erwartungsindex der Investment-Beratungsfirma Sentix zum Wochenstart zeigen. 

Ob die Preise in Deutschland im Januar weiter gestiegen sind, wird das Statistische Bundesamt bei der verspäteten Veröffentlichung der Daten am Donnerstag bekanntgeben. Ähnlich wie im Euro-Raum dürften die Preisbremsen bei Gas und Strom Wirkung zeigen, sagt die Helaba. "Für eine Entwarnung insbesondere mit Blick auf die Dynamik in der Kernrate ist es aber zu früh." Von Reuters befragte Volkswirte erwarten einen Anstieg auf 9,2 Prozent nach einer Teuerungsrate von 8,6 Prozent im Dezember. Wie es um die Stärke am US-Arbeitsmarkt bestellt ist, werden unter anderem die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe am selben Tag zeigen. Am Freitag wird die erste Schätzung zum britischen Bruttoinlandsprodukt erwartet.

Bilanzflut geht weiter

Börsianer hoffen auch weiter auf eine besser als befürchtet verlaufende Gewinnsaison und werden deswegen die kommenden Firmenbilanzen genau unter die Lupe nehmen. Am Schweizer Markt wartet am Donnerstag die Credit Suisse mit den Zahlen zum vierten Quartal auf. Die Bank hat 2022 aller Voraussicht nach mit einem Verlust abgeschlossen, doch werden sich die Anleger auf Detailzahlen und auf Aussagen zum Ausblick konzentrieren. 

Ebenfalls erwartet werden in der neuen Woche unter anderem Zahlen von den SMI-Unternehmen Zurich und Swisscom sowie am breiten Markt von AMS, Idorsia, BCV, Dätwyler und Ems-Chemie. Auch in den USA liefern etliche Konzerne die Woche über Zahlen, unter anderem Amgen, Walt Disney, PepsiCo und PayPal.

(Reuters/cash)