In der vergangenen Börsenwoche rutschte der deutsche Aktienindex Dax unter die psychologisch wichtige Marke von 16'000 Punkten und verlor bei einem Schlussstand von 15'845 Punkten auf Wochenfrist etwas mehr als drei Prozent. Damit entfernte er sich weiter von seinem jüngsten Rekordhoch bei 16'425 Punkten.
Von der erhofften Zinspause oder gar Wende könne keine Rede mehr sein, sagt Helaba-Strategin Claudia Windt. Die Bank of England hatte ihren Straffungskurs im Kampf gegen die Inflation forciert, auch in der Schweiz, Norwegen und der Türkei wurden die Zinsen angehoben. US-Notenbank-Chef Jerome Powell stellte zudem weitere Anhebungen in Aussicht und liess mögliche Zinssenkungen in grössere Ferne rücken, als manchen Anlegern lieb sein dürfte. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) sendete Signale für ein erneutes Drehen an der Zinsschraube.
Berechtigte Konjunktursorgen trüben Börsenumfeld ein
Damit dürfte die Angst um das Wirtschaftswachstum an den Börsen wieder in den Vordergrund rücken. "Die lang erwartete Konjunkturabschwächung ist eindeutig im Anmarsch", sagt Ben Laidler, Marktstratege beim Broker eToro. Die Anleihemärkte sendeten am Freitag bereits das stärkste Rezessionssignal seit 1992: Investoren wetteten auf einen Konjunktureinbruch und warfen vor allem kürzer laufende Bonds aus ihren Depots. Dies trieb deren Renditen in die Höhe. So rentieren zweijährige deutsche Bundesanleihen etwa 3,3 Prozent und damit nur knapp unter dem Niveau vom Herbst 2008. Die zehnjährigen Bundesanleihen rentieren dagegen nur rund 2,4 Prozent. Experten sprechen hier von einer "inversen Zinskurve", weil kürzer laufende Obligationen höher verzinst werden als Langläufer.
"In einem sich eintrübenden konjunkturellen Umfeld lastet die Aussicht auf weitere Leitzinsanhebungen auf der Stimmung an den Finanzmärkten", sagte Helaba-Strategin Windt. Es sind berechtigte Sorgen, dass die gegenwärtigen fundamentalen Schwächesignale verstärkt werden." Bei den Unternehmen hagelte es bereits eine Reihe von Gewinnwarnungen, wie etwa zuletzt vom Laborausrüster Sartorius und dem Chemiekonzern Lanxess. Allerdings seien auch einige Sektoren trotz eines Dax-Anstieges um rund 15 Prozent in diesem Jahr noch niedrig bewertet, sagt Commerzbank-Stratege Markus Wallner. "Das sind insbesondere Unternehmen aus den Sektoren Immobilien, Chemie und Automobil, was auch zum Teil dem konjunkturellen Umfeld geschuldet ist."
EZB lädt führende Köpfe nach Sintra ein
Anleger werden in jedem Fall die anstehenden Konjunkturdaten sehr genau unter die Lupe nehmen. Am Montag liegt das Augenmerk auf dem Ifo-Index, der die Stimmung in den deutschen Chef-Etagen widerspiegelt. Die Stimmung dürfte sich im Juni eingetrübt haben, wenn die von Reuters befragten Experten mit ihrer Prognose richtig liegen: Sie sagen einen Rückgang des Barometers auf 90,7 Zähler von 91,7 Punkten im Mai voraus. Zwei Tage später gibt der GfK-Index Auskunft über die Kauflaune der deutschen Verbraucher. Am Donnerstag stehen die deutschen Inflationsdaten an, gefolgt von den europäischen am Freitag.
Im Kampf gegen die hartnäckig hohe Inflation hat die Europäische Zentralbank die Zinsen bereits acht Mal in Folge erhöht. Für die Anleger zeichnet sich bereits ab, dass sie im Juli nachlegen wird. Weiteren Aufschluss könnte in der neuen Woche das alljährliche Notenbank-Treffen im portugiesischen Sintra auf Einladung der EZB sein. Investoren werden dabei sämtliche Äusserungen von EZB-Chefin Christine Lagarde sowie ihren Kollegen Jerome Powell von der US-Notenbank Fed und Andrew Bailey von der Bank von England (BoE) auf die Goldwaage legen.
(Reuters)