"Wir wollen wachsen und uns werthaltig für den Konzern entwickeln. Langfristig halten wir uns alle Optionen bis hin zu einem IPO offen", sagte die Leiterin des Bereichs "Laden und Energie", Elke Temme, in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Damit rückt die Sparte in die Reihe der Geschäftsbereiche und Marken auf, die auf Geheiss von Konzernchef Oliver Blume sogenannte virtuelle Equity-Stories entwickeln. Unterstützt von externen Strategieberatern soll so das Potenzial ausgeschöpft und die Profitabilität erhöht werden.

Volkswagen hat seine Konzern-Aktivitäten im Bereich Energie, Ladeservices, -Equipment und -Infrastruktur markenübergreifend unter der Leitung der ehemaligen RWE-Managerin Temme zusammengefasst. Mit steigenden Zulassungszahlen von E-Autos bekommt das Geschäft immer mehr Bedeutung. "Die Bäume wachsen derzeit nirgendwo in den Himmel. Aber das Potenzial ist riesig", ist die gebürtige Wolfsburgerin überzeugt. "Laden wird das neue Tanken."

Konzernchef Blume lässt die Marken des Wolfsburger Konzerns derzeit virtuelle Aktienplatzierungen durchlaufen, eine Art Trockenübung, bei der dem jeweiligen Management ein Bankenteam sowie Berater von McKinsey zur Seite stehen. Ziel ist, das Ertragspotenzial zu heben, das in den Sparten steckt. Dadurch soll Europas grösste Autogruppe insgesamt profitabler werden und, so das Kalkül, an der Börse stärker wahrgenommen werden. Vorbild ist der Sportwagenbauer Porsche, den Volkswagen gerade erfolgreich an die Börse gebracht hat. Blume führt den Konzern und Porsche in Personalunion.

Bei den virtuellen IPOs richtet sich der Blick zunächst auf die Fahrzeugemarken, die Volkswagen in unterschiedlichen Gruppen zusammmengefasst hat. Aber auch die VW-Tochter PowerCo, in der das Batteriegeschäft für Elektroautos gebündelt ist, soll ihr Profil schärfen, um für Investoren attraktiv zu werden.

Den Stand der Equity-Stories sollen die Vorstände laut Insidern bei einer internen Zieleklausur an diesem Donnerstag präsentieren. Grundlage seien Ziele für Strategie, Produkte, Finanzen und Nachhaltigkeit. An der Konferenz nehme auch Chefstratege Gernot Döllner teil, sagte eine in die Abläufe eingeweihte Person. Blume hatte mit Beginn seiner Amtszeit Anfang September ein Zehn-Punkte-Programm aufgelegt, mit dem er den Mehr-Markenkonzern führen will. Dazu gehört auch eine stärkere Ausrichtung am Kapitalmarkt, um dem dümpelnden Börsenkurs auf die Sprünge zu helfen.

Goldgräberstimmung

Das Geschäft mit dem Laden von Elektroautos wird immer lukrativer. Experten sehen bereits eine Art Goldgräberstimmung. Dabei geht es nicht allein um das Aufladen der Batterien an Ladesäulen, sondern auch um Dienstleistungen. Mit Plug & Charge etwa bietet Volkswagen ein System an, bei dem die Ladesäule das E-Auto elektronisch erkennt und das Bezahlen automatisch abläuft - ohne App oder Karte.

Künftig sollen E-Autos auch als rollende Energiespeicher eingesetzt werden. Wenn es an eine Wallbox angeschlossen ist, funktioniert das Fahrzeug als Zwischenspeicher. Temme sagte, die regulatorischen Bedingungen dafür müssten erst geschaffen werden. "Aber das läuft derzeit in die richtige Richtung." Es sei inzwischen allgemein erkannt, wie wichtig dieses Thema für das Energiesystem sei. "Es wird keine fünf Jahre mehr dauern."

Beim bidirektionalen Laden kann Energie zwischen Elektroautos und dem Stromnetz in beide Richtungen ausgetauscht werden. Dadurch wird das E-Auto zu einem Teil des Stromnetzes. Das hat Vorteile auch für die Senkung des CO2-Ausstosses. Denn die Batterien können günstigen Strom aus regenerativen Quellen speichern und in Zeiten ins Netz zurückspeisen, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint. "Das hat einen preisdämpfenden Effekt", sagt Temme. "Für Autohalter lohnt sich das, denn sie können es sich bezahlen lassen, wenn ihr Auto als Stromzwischenspeicher zur Verfügung steht."

Für den Erfolg der Elektromobilität ist die Verbreitung von Ladesäulen, vor allem von Schnellladesäulen, entscheidend. Volkswagen hat sich mit Energieversorgern zusammengetan, um den Ausbau in Europa voranzutreiben. Mit inzwischen 440.000 Ladepunkten in 27 Ländern verfügt die Lade- und Energie-Marke Elli über das grösste Ladenetz in Europa. Weltweit sollen es bis zur Mitte des Jahrzehnts 45.000 Ladepunkte werden. Zuletzt waren es rund 15.000 Ladepunkte. Zum Vergleich: Mercedes-Benz will in Nordamerika, Europa, China und anderen Kernmärkten bis 2030 mehr als 10.000 Schnellladestationen errichten. Der US-Elektroautobauer Tesla betreibt weltweit bereits mehr als 40.000 Supercharger, also Ladeplätze. Eine Ladestation umfasst in der Regel zwei oder mehr Ladepunkte, je eine Steckdose oder ein fest eingebundenes Kabel. 

(Reuters)