Eines muss man Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing lassen: Das Vertrauen der Anleger hat er durch seinen vor gut einem Jahr gestarteten Konzernumbau offenbar zurückgewonnen. Kein anderes Finanzinstitut in Europa hat sich an der Börse in diesem Jahr besser geschlagen als das grösste deutsche Geldhaus. Und das, obwohl die Weltwirtschaft wegen der Corona-Pandemie in der schwersten Krise seit Jahrzehnten steckt.

Am Mittwoch zieht Sewing beim Investorentag Bilanz zur Halbzeit des Radikalumbaus, der weltweit 18'000 Jobs kostet. Ob die Anleger der Bank weiterhin die Treue halten, ist offen. Im nächsten Jahr warten wegen der Corona-Krise einige Hürden.

"Mea Culpa"

Selbst der schärfste Kritiker der Deutschen Bank, Analyst Stuart Graham vom Brokerhaus Autonomous, revidierte kürzlich sein kritisches Urteil. "Die Deutsche Bank hat sich in einem extrem herausfordernden Umfeld zum Teil besser geschlagen als Wettbewerber wie JP Morgan", schrieb der Experte in einer Studie mit der Überschrift "Mea Culpa". Graham entschuldigte sich bei Anlegern für seine teils vernichtenden Kommentare in der Vergangenheit. Er habe sich in Details verzettelt und das grosse Ganze aus dem Blick verloren.

Auch andere Experten sehen das jahrelang Milliardenverluste schreibende Institut auf einem aufsteigenden Ast. "Die Deutsche Bank hat 2020 grosse Fortschritte erzielt", konstatiert MM-Warburg-Analyst Andreas Pläsier. Sein Kollege Philipp Hässler vom Brokerhaus Pareto sieht die Frankfurter gut aufgestellt, um die Corona-Krise zu meistern. "Die Bank hat ihre Risiken im Griff." Auch die Ratingagentur Moody's schätzt die Kreditwürdigkeit der Deutschen Bank wieder positiver ein.

Seit Jahresanfang legten die Aktien rund 35 Prozent auf 9,41 Euro zu und übertrafen damit alle anderen Titel im europäischen Bankenindex. Dieser verlor im selben Zeitraum 24 Prozent, ebenso wie Aktien von ING und Credit Agricole. Aktien von Banken wie Santander und UniCredit rutschen noch stärker ab.

Ertragstreiber Investmentbanking

Analysten erhoffen sich beim Investorentag Aussagen zu den Zielen der Bank, vor allem zu Erträgen und Kosten. "Die grosse Frage ist, wie nachhaltig die Ertragssteigerung ist", sagt Pläsier. "Der Rückenwind vom Investmentbanking war ziemlich stark."

Die wegen der Krise gestiegene Risikovorsorge glich die Bank bislang mit höheren Einnahmen im Investmentbanking aus - dem Bereich, den sie eigentlich verkleinern wollte. Der höhere Beratungsbedarf und die gestiegenen Handelsaktivitäten von Kunden kamen der Bank nun gelegen. Konzernweit stiegen die Erträge im dritten Quartal um 13 Prozent auf 5,9 Milliarden Euro, die Kosten fielen um zehn Prozent auf 5,2 Milliarden Euro.

Sewing selbst räumte aber ein, dass im Investmentbanking 2021 nicht mehr so starke Ertragszuwächse zu erwarten seien wie dieses Jahr. Unwahrscheinlich ist nach Meinung von Analysten, dass andere Sparten das auffangen. Wegen der niedrigen Zinsen sind die Erträge im Privat- und Firmenkundengeschäft seit Jahren unter Druck und das Management hat nicht viel Handlungsspielraum ausser zu sparen. Konzernweit will die Deutsche Bank die Kosten bis 2022 auf 17 Milliarden Euro senken.

Ambitioniertes Renditeziel

Offen ist bislang auch, wie viele Belastungen durch mögliche Kreditausfälle noch drohen. Zwar betont der Vorstand immer, der Grossteil sei bereits in der Bilanz enthalten. Doch keiner kann mit Sicherheit vorhersagen, welche Folgen die Corona-Krise für die Wirtschaft noch haben wird.

Der Chef der Finanzaufsicht BaFin, Felix Hufeld, warnt, dass auf die Banken noch mehrere Wellen an Kreditausfällen zurollen. "Man hat zwar die Risikovorsorge deutlich angehoben, aber die Pleiten im deutschen Mittelstand infolge der Virusmassnahmen werden auch die Deutsche Bank wuchtig treffen", ist sich Chefanalyst Stefan de Schutter vom Brokerhaus Alpha Trading sicher.

Spannend wird, ob sich Sewing wenige Wochen vor Jahresende eine konkrete Prognose zutraut. Obwohl sich der Vorsteuergewinn nach neun Monaten bereits auf 846 Millionen Euro belief, stellte er bislang nur ein positives Vorsteuerergebnis in Aussicht. Nicht auszuschliessen ist nach Meinung von Pareto-Analyst Hässler auch, dass Sewing vom Ziel einer Eigenkapitalrendite von acht Prozent bis 2022 abrückt. "Das war immer schon sehr ambitioniert und man könnte es jetzt gut auf Corona schieben." 

(Reuters)