Manch Urlauber hätte sich das schon Anfang Juli gewünscht. Denn kaum sind die Sommerferien vorbei, legt der Schweizer Franken zu allen wichtigen Währungen zu. Hintergrund sind die fiskalpolitischen Unsicherheiten in den USA, in Frankreich und in Grossbritannien sowie die Erwartung der Ökonomen, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) von den Negativzinsen Abstand halten und die amerikanische Notenbank Fed die Leitzinsen über die nächsten zwölf Monate um bis zu 100 Basispunkte senken wird.
Die Frankenaufwertung nach der Sommerpause ist umso bemerkenswerter, weil die Sommerflaute an den Devisenmärkten selten zu ausgeprägten Kursbewegungen führt. Auf Monatsfrist beläuft sich das Plus des Frankens zum amerikanischen Dollar auf 2,5 Prozent, zum kanadischen Dollar auf 2,8 Prozent oder zum Euro auf 1,3 Prozent. Auf Jahresfrist verzeichnete die hiesige Währung zum Dollar einen Kursanstieg von 14,6 Prozent, während der kanadische Dollar um 9,9 Prozent nachgab und der japanische Yen, der neuseeländische und australische Dollar Kursverluste von 7,2 bis 7,7 Prozent hinnehmen mussten.
Einer der Hauptgründe für die stärkere hiesige Valuta ist ein Meinungsumschwung bei den Devisenexperten und Ökonomen. So ging zum Beispiel Laurie Anderson, Ökonomin bei Nomura Securities, vor zwei Monaten noch von einer weiteren SNB-Leitzinssenkung an der nächsten geldpolitischen Sitzung vom 25. September in den negativen Bereich aus. Nachdem die Teuerung im August höher als erwartet bei 0,2 Prozent zu stehen kam, revidierte die Nomura-Expertin ihre Meinung und geht nun von keiner weiteren Leitzinssenkung der SNB aus.
Einen unveränderten Leitzins von 0 Prozent erwartet auch Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin. «Wir sehen nach den etwas höheren Teuerungszahlen vom Juli und August keinen Grund für eine Abwärtskorrektur der mittelfristigen Inflationsprognose der SNB. Unserer Ansicht nach ist der aktuelle geldpolitische Kurs expansiv genug, so dass keine weiteren Zinssenkungen erforderlich sind», so der Experte.
Senkt die US-Notenbank Fed wie erwartet den US-Leitzins von einer Bandbreite von 4,25 bis 4,50 Prozent auf 4,00 bis 4,25 Prozent, dann verringert sich die Zinsdifferenz - US-Anlagen und Investitionen werden entsprechend unattraktiver. Sollte die Fed über die nächsten zwölf Monate den Leitzins weiter auf 3,25 bis 3,50 Prozent senken, wie vom Markt eingepreist, würde dies die Attraktivität von US-Obligationen weiter schmälern und somit eine geringere Nachfrage nach Dollars auslösen, so die Argumentation der Devisenhändler.
Nationalbank zeigt sich toleranter gegenüber Franken-Stärke
Interessanterweise zeigte sich Martin Schlegel, Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, in einem Interview vom Montag zur Stärke des Schweizer Frankens etwas toleranter (mehr dazu hier). Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, wo der Kurs des Euro zum Franken bei 0,93 und der Dollar unter 0,80 notiert - also in einer Zeit mit einem sehr starken nominalen Schweizer Franken und einer Gesamtinflation von nur 0,2 Prozent im Jahresvergleich, meint Chris Turner, Global Head of Markets bei der ING Bank.
Zwei Kommentare des SNB-Präsidenten fielen dem Experten von ING Bank im Interview besonders auf. Der erste war, dass die Hürde für die Wiedereinführung negativer Zinsen hoch sei. Ferner sagte Schlegel, dass angesichts der deutlich schnelleren Preissteigerungen und damit die Kosten für Unternehmen in anderen Ländern wegen der realen Aufwertung nicht so signifikant sei, wie es auf den ersten Blick scheine.
Gemäss dem Devisenexperten der ING Bank dürfte die SNB der Stärke des Schweizer Frankens deshalb etwas gelassener gegenüberstehen. Entsprechend rücke eine Senkung der Negativzinsen in weite Ferne - vor allem in einem Umfeld, in dem Politik und Schuldentragfähigkeit an den Devisenmärkten eine grössere Rolle spielen. Diese fördere strategische Long-Positionen im Schweizer Franken, so Turner von der ING Bank weiter. Dies mache einen erneuten Test des Euros zum Franken auf die diesjährigen Tiefststände bei 0,9220 Franken wahrscheinlicher.
Dollarschwäche dürfte anhalten
Die Verbesserung der Liquiditätslage hat einige der Extremrisiken bei der amerikanischen Währung beseitigt, die sich bei einem völligen Ausbleiben von Zuflüssen ergeben hätten, schreibt George Saravelos, Leiter FX Research bei der Deutschen Bank in einer Kundennotiz vom Montag. «Die Unsicherheit über die stabile Nachfrage nach US-Anlagen bleibt jedoch hoch», so der Devisenexperte weiter.
Gleichzeitig habe sich die zyklische Unterstützung des Dollars verschlechtert, was sich in einer deutlichen Verringerung der Zinsdifferenz zwischen Euro und Dollar widerspiegelt. Diese reflektiert nun kurzfristig einen fairen Wert des Euros zum Dollar im Bereich von 1,18 bis 1,20. Es ist offensichtlich, dass weitere Zinssenkungen der Fed die Anreize ausländischer Anleger zur Absicherung von Dollar-Anlagen erhöhen würden. Da der Dollar inzwischen seine übermässige Billigzins-/Risikoprämie im Zusammenhang mit Präsident Trumps Politik abgebaut hat, bleibt der Gesamtausblick für den Dollar asymmetrisch pessimistisch, so das Urteil von Saravelos von der Deutschen Bank.
Der Dollar dürfte sich zum Franken bis Ende 2026 auf 0,73 Franken abwerten, meint Junius von der Bank J. Safra Sarasin. Aktuell liegt die Konsensprognose zum Schluss des vierten Quartals 2026 bei 0,79 Rappen. Den Euro zum Franken sieht die Privatbank dann bei 0,91 Franken stehen.