Der Franken ist in geopolitisch und wirtschaftlich turbulenten Zeiten eine gefragte Währung als sicherer Hafen oder sogenannter «safe haven». Anlegerinnen und Anleger werden risikoscheu und wollen übermässigen Preisschwankungen an den Finanzmärkten aus dem Weg gehen. Kein Wunder, hat sich der Franken zur US-Valuta seit den US-Zollankündigungen am «Liberation Day» und im Zuge des Nahost-Krieges um 10 Prozent aufgewertet.

In den letzten drei Wochen hat sich die Lage zwar zunehmend beruhigt. Die militärischen Schläge gegen den Iran scheinen vorbei, und bei den US-Zöllen herrscht mehr Klarheit. Entsprechend notieren die US-Börsen wieder auf neuen Höchstständen, verschiedene Stimmungsbarometer zeigen hohe Risikobereitschaft der Anleger. Eigentlich hätte sich der Franken zum Dollar deshalb abschwächen sollen. Dies ist nicht passiert, denn jede Erholungs-Minirally des «Greenback» verpuffte.

Die Analysten der Bank of America (Bofa) stellen sich daher die Frage, weshalb der Franken weiter so stark nachgefragt wird und welche Kräfte am Werk sind. Ein erstes Indiz ist die Höhe der Prämien für die Absicherung von Dollarrisiken, wie Kamal Sharma, Devisenstratege bei der BofA, in einer Research-Note schreibt. Die Dollar-Franken-Volatilitätsprämie ist aktuell so hoch wie seit 2017 nicht mehr. Dies sei höchst ungewöhnlich, denn mit den abnehmenden Risiken an den Finanzmärkten müsste die Prämie sinken. 

Zweitens stellt der BofA-Experte die etwas provokante These auf, dass ausserhalb des Dollarraumes der Franken und Gold die einzigen beiden liquiden Anlagen seien, mit denen sich Anlegerinnen und Anleger als Schutz gegen Unsicherheit absichern können. Der ehemals krisensichere japanische Yen hat diesen Status schon vor einiger Zeit verloren - und US-Staatsanleihen haben an Attraktivität als sicherer Hafen eingebüsst.

Patrick Saner, Leiter Makrostrategie von Swiss Re, meint gegenüber cash.ch zur Gold- und Frankenthese von BofA, dass diese durchaus zum Nachdenken anrege. «Der Schweizer Franken legt weiter zu, obwohl die Schweizerische Nationalbank zu Nullzinsen zurückgekehrt ist und die globale Marktvolatilität zurückgegangen ist. Dies widerspricht der gängigen Erwartung in so einem Umfeld und deutet darauf hin, dass die Ursachen tiefer liegen.»

Devisenmarktinterventionen eventuell möglich

Sollte diese Argumentation von BofA der eigentliche Grund für die anhaltende Franken-Stärke sein, dürfte diese von Dauer sein - zumal der Franken strukturell eine starke Währung ist, meint Saner von Swiss Re weiter. «Die SNB hat bereits einen Nullzinssatz festgelegt, was weitere Zinssenkungen und eine Abwertung des Frankens erschwert. Fundamental gesehen ist die konjunkturelle Geldpolitik der SNB sowieso nicht das richtige Instrument, um eine strukturelle und langanhaltende Aufwertung des Frankens ganz auffangen zu können.»

Für den Währungsstrategen Sharma von BofA ist klar, dass die Bemühungen der SNB, die Stärke der hiesigen Valuta einzudämmen, gescheitert sind und weiterhin scheitern werden. Verbale Interventionen am Devisenmarkt wurden nicht durch physische Massnahmen unterstützt, und der Franken ist seit dem Übergang zur Nullzinspolitik nicht schwächer geworden.

Die SNB könnte im aktuellen Umfeld gezielter Devisenmarktinterventionen in Erwägung ziehen, um einer übermässigen Aufwertung des Frankens entgegenzuwirken und damit den Inflationsdruck zu stützen. Solche Massnahmen bergen jedoch das Risiko, insbesondere von den USA, als Währungsmanipulation interpretiert zu werden.

«Die SNB würde dem entgegenhalten, dass ihre Interventionen rein geldpolitisch motiviert sind - mit dem Ziel, Preisstabilität zu sichern - und nicht darauf abzielen, der Exportwirtschaft künstlich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen», erläutert Saner. Entscheidend sei, dass internationale Regeln Währungsinterventionen dann als problematisch werten, wenn sie ausschliesslich auf Handelsvorteile ausgerichtet sind, was hier klar nicht der Fall wäre. 

Sowohl Saner von Swiss Re als auch Sharma von BofA gehen von weiteren Zinssenkungen der US-Notenbank Fed aus. Während in Amerika auf zwölf Monate bis zu 100 Basispunkte an Zinssenkungen eingepreist sind, scheinen Negativzinsen in der Schweiz vorerst wenig wahrscheinlich.

Die SNB dürfte den Leitzins vorerst auf dem Nullzinsniveau belassen, die Zinsdifferenz zwischen der Schweiz und den USA würde sich verkleinern. Damit bliebe die hiesige Valuta attraktiv - es sei denn, die US-Konjunktur zeigt sich weiter robust und die Zinssenkungserwartungen in den USA werden vom Markt wieder heruntergeschraubt. Das könnte dem Dollar wieder auf die Beine helfen - und der SNB helfen. Diese muss zudem darauf hoffen, dass mögliche Schocks geopolitischer oder weltwirtschaftlicher Art ausbleiben.

Thomas Daniel Marti
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