Einige Kunden der Bank Coop erhielten jüngst einen Brief: Darin empfahlen ihnen ihre Bankberater, die Anteile am Swisscanto Real Estate Fund Ifca zu verkaufen, ein Fonds, der vor allem in Schweizer Wohnimmobilien investiert ist. Der Wert des Fonds sei innert Jahresfrist um 18 Prozent gestiegen, und das Agio, also der Aufpreis gegenüber dem Nettoinventarwert, habe sich auf über 36 Prozent erhöht, hiess es im Schreiben der Bank Coop, das cash.ch vorliegt.

18 Prozent Wertsteigerung müsste die Bankkunden eigentlich freuen. Warum rät deren Bank dann zum Verkauf?

Der Grund liegt unter anderem darin, dass ein Agio von 36 Prozent ziemlich hoch ist und dass dabei Befürchtungen bestehen, dass der Fonds dieses Niveau nicht halten kann. Unter dem Agio versteht man den Unterscheid zwischen dem Nettoinventarwert von Liegenschaften, also dem Wert aller Immobilien in einem Portefeuille, und dem Einstandspreis beim Kauf von Fondsanteilen.

Diese Differenz bezahlt der Anleger als Prämie. Weil Immobilienfonds die Aura von Sicherheit und verlässlicher Rendite haben, zahlen die Investoren diese Prämie in der Regel gerne. Aber in der Höhe des Agio sind noch weitere Informationen enthalten.

«Der Spatz in der Hand…»

Wegen der Tiefzinsen sind die Agios heute erheblich höher als im langjährigen Durchschnitt, der zwischen 10 und 15 Prozent liegt. Jetzt erreichten Agios mit bis zu 50 Prozent Rekordwerte. Angesichts tiefer Zinsen sind mit Immobilien und Immobilienpapieren ausgestattete Fonds seit Jahren beliebt. Die Negativzinsen, wie sie die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Dezember einführte, haben die Agios weiter in die Höhe getrieben. Und das Ende des Euro-Franken-Mindestkurses und die damit verbundenen Unsicherheiten seit Mitte Januar haben weiteres dazu beigetragen.

Die hohen Agios von Immobilienfonds beschäftigen zusehends die Bankkunden. Das Agio bei Immobilienfonds wirkt ähnlich wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei einer Aktie als Massstab für die Bewertung. Und wenn die Bewertung zu hoch ist, steigt die Chance einer Korrektur - wie bei den Aktien.

Die Bank Coop schreibt in einer Stellungnahme an cash.ch, dass in Beratungsgesprächen mehr und mehr kritische Fragen zu den Agios auftauchten. Ganz offensichtlich will das Institut den Kunden keine zu hohen Risiken aufbürden und vermittelt angesichts der im Wert zum Teil deutlich gestiegenen Immobilienfonds den Ratschlag: "Lieber den Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach." Der Zeitpunkt sei gut, nicht nur Klumpenrisiken zu verringern, sondern auch Gewinne zu realisieren, schreibt die Bank Coop.

Macht das Beispiel Schule?

Das Vorgehen der Bank Coop zeigt: Tiefzinsen und die Folgen der SNB-Geldpolitik mit der Aufgabe der Euro-Mindestkursgrenze entfalten zahlreiche und unterschiedliche Folgen. Eine davon ist, dass eine Schweizer Bank ihren Kunden rät, einen sehr renditeträchtigen Fonds zu verkaufen, weil er immer höhere Risiken mit sich bringt.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass weitere Anbieter der beliebten Immobilienfonds den Anlegern raten werden, mit weniger Risiko zu fahren und hoch bewertete Fonds eher den Investoren mit dickeren Finanzpolstern zu überlassen. Ein durchschnittlicher Bankkunde steht allerdings vor der Frage, wo er mit seinem Geld sonst hin will. In die sowieso "alternativlosen" Aktien? Dort sind die Bewertungen allerdings auch hoch und die Stimmen, die vor einer Korrektur warnen, werden zahlreicher. Das Dilemma für Anleger geht weiter.