Die Bevölkerung wird voraussichtlich weiter wachsen, zugleich wird der Anteil älterer Menschen steigen. Im Jahr 2055 dürften 10,5 Millionen Menschen in der Schweiz leben und der Anteil der über 64-Jährigen dürfte auf 25 von momentan 19 Prozent angestiegen sein. Dies besagt ein Bevölkerungsszenario des Bundesamtes für Statistik. Die Gruppe der Rentnerinnen und Rentner werde «ein immer grösseres Gewicht haben», so die Fachleute des Bundes. 

Der Trend wirkt sich auch auf die Aktienmärkte aus, etwa auf die Anzahl Menschen, die überhaupt Geld an Börse anlegen, auf die Risikoneigung der Anleger sowie auf Aktien aus bestimmten Branchen. Naheliegend sind klassische Gesundheitswerte. Umgemünzt auf den Schweizer Aktienmarkt zählen Pharmawerte wie Roche, Novartis oder Lonza, der Augenheilkundespezialist Alcon, der Dentalimplantatehersteller Straumann oder das Orthopädieunternehmen Medacta zu den plausiblen Kandidaten.

Doch auch abseits davon gibt es Unternehmen, denen der demografische Wandel entgegenkommt - die aber weniger prominent diskutiert werden als die Gesundheitsaktien.

Beispielsweise sieht Reto Huber, Experte des Analyseunternehmens Research Partners, in der alternden Bevölkerung einen strukturellen Treiber des Kommunikationsspezialisten Ascom: «Ascom ist ein Telekom-Unternehmen, dem der Langlebigkeitstrend in die Karten spielt - da Ascom Telekommunikationslösungen für Spitäler, Heime und dergleichen anbietet», sagt er im Gespräch mit cash.ch.

Ascom als Gewinner des demografischen Wandels überrascht nicht nur wegen der strategischen Ausrichtung, sondern auch wegen der in den letzten Jahren schwachen Performance. So ist der Aktienkurs seit Anfang 2018 von über 25 auf rund 3,50 Franken gefallen.

Jedoch: Das in Baar ansässige Unternehmen macht rund 70 Prozent des Umsatzes mit Einrichtungen der Akut- und Langzeitpflege. Solche dürfte es in den kommenden Jahren vermehrt brauchen. Ein Schlaglicht darauf warfen vor kurzem die Experten der Immobilienberatung Wüest Partner. Bis 2040 würden 30 Prozent mehr Menschen in der Langzeitpflege in Alters- und Pflegeheimen leben als noch im Jahr 2023. Daraus resultiere ein Bedarf von 25'200 Plätzen, die erst noch geschaffen werden wollen.

Ascom selbst sieht im demografischen Wandel einen der langfristig positiven Markttrends. Die alternden Bevölkerung, der Mangel an qualifiziertem medizinischem Personal und die somit notwendige Digitalisierung seien «wirklich grundlegende Trends, die weiterhin positiv bleiben», sagte Nicolas van den Abeele im März an einer Analystenkonferenz, als er noch CEO des Unternehmens war.

Swisscom ist Top-Position im europäischen Langlebigkeitsindex

Zu den Telekommunikationswerten, die vom Langlebigkeitstrend begünstigt werden können, zählt auch Swisscom - zumindest, wenn man auf den iStoxx-Europe-Longevity-Index schaut. Er enthält Aktien aus Sektoren, die von der alternden Bevölkerung in Europa profitieren sollten, die hohe Dividenden zahlen und eine geringe Volatilität aufweisen. Swisscom ist aktuell die Top-Position in diesem Index.

Teil der Erklärung ist die Dividende. Die Rendite liegt bei 3,8 Prozent; bislang wurden 22 Franken je Aktie ausbezahlt. Für das Geschäftsjahr 2025 sollen es nun 4 Franken mehr sein.

Zudem: Telekommunikation sei eine Branche, der die Alterung der Bevölkerung zuspielt, «da eine zuverlässige Kommunikationsinfrastruktur und digitale Dienstleistungen für ältere Bevölkerungsgruppen zunehmend wichtiger werden», erklärt Serge Nussbaumer vom Wertschriftenhaus Maverix.

Ähnliches sagt Reto Huber von Research Partners. Wahrscheinlich profitiere Swisscom momentan von den im internationalen Vergleich wohlhabenden und wenig preissensitiven Schweizer Seniorinnen und Senioren.

Einen anders gelagerten Einfluss sieht der Experte von Oddo BHF in der Belegschaft. Swisscom beschäftigt knapp 20'000 Mitarbeiter, davon rund 16'000 in der Schweiz. Sie seien im Schnitt höchstwahrscheinlich etwas älter als die Angestellten anderer Schweizer Unternehmen. Folglich werde die alternde Bevölkerung die natürliche Fluktuation erhöhen und zur Kostensenkung bei Swisscom beitragen, so der Analyst.

Die Experten sind allerdings auch skeptisch. Nussbaumer sieht ein Problem in den Indexregeln. Gerade bei thematischen Auswahlen seien sie oft so allgemein gefasst, dass letztlich Werte enthalten seien, die nur am Rande mit dem eigentlichen Thema zu tun hätten.

Laut Huber sind die nachfolgenden Generationen preissensitiver und wechseln eher zu günstigeren Anbietern als die Senioren von heute. Das spricht gegen die Überlegung, dass die momentan jüngeren Leute stärker digital unterwegs sind und deshalb mehr Telekommunikationsleistungen von Swisscom beziehen, sobald sie in einigen Jahren älter geworden sind.

«Zudem wird Swisscom aufgrund der Vodafone-Übernahme rund 50 Prozent des Umsatzes in Italien machen - wo der Wettbewerb so hart wie in kaum einem anderen europäischen Markt ist und die Konsumenten überdurchschnittlich stark auf den Preis achten», führt Huber aus.

Die Demografie umfasst neben dem Alter etwa auch das Geschlecht, den Familienstand und die Bildung. Entsprechend treffen nicht nur zunehmend ältere Menschen Kauf- und Anlageentscheidungen, sondern vermehrt beispielsweise auch Frauen oder Personen, die als Single leben. Der Effekt der demografischen Entwicklung auf die Unternehmen dürfte darum vielschichtiger sein, als er allein von der Alterung ausgeht.

Reto Zanettin
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