Die Zinsen in der Schweiz sind seit einer gefühlten Ewigkeit tief - und daran dürfte sich allzuschnell auch nichts ändern. Wer ein Haus oder eine Wohnung kaufen will, kann an dieser Situation durchaus Gefallen finden: Die Hypothekarzinsen sind tief. Hypotheken mit zehnjähriger Laufzeit sind immer noch zu weit unter 1,5 Prozent zu haben, Liborhypotheken für weiter unter 1 Prozent.
Dass aber doch nicht jedermann so ohne weiteres eine Hypothek bekommt, liegt am kalkulatorischen Zins der Banken. Damit die Hypothek als tragbar erachtet wird, müssen Hypothekarnehmer theoretisch in der Lage sein, im Jahr etwa 5 Prozent des Hypothekenvolumens als Zins bezahlen zu können. Der kalkulatorische Zins wird vor allem wegen des Risikos angewendet, dass das Zinsniveau steigt. Er berücksichtigt aber auch, dass auf Eigenheimbesitzer Unterhaltskosten zukommen.
Angenommen, ein Einfamilenhaus kostet 900'000 Franken. 700'000 Franken müssen als Hypothek bezogen werden, 200'000 Franken sind als Eigenkapital verfügbar, und die Hypothekarnehmer verfügen über 115'000 Franken Jahreseinkommen. Bei 5 Prozent kalkulatorischem Zins betragen die jährlichen Wohnkosten somit 45 Prozent des Einkommens. Auch wenn dies nur ein theoretischer Wert ist, die Hypothek gilt unter diesen Umständen als nicht tragbar. Um diesen Wert auf 33 Prozent zu bringen ("knapp tragbar"), müsste entweder das Eigenkapital auf 330'000 Franken erhöht werden, oder ein Jahreseinkommen von 160'000 Franken verfügbar sein (Siehe auch den Tragbarkeitsrechner von cash.ch).
Die 5-Prozent-Hürde ist also ein ernstzunehmendes Thema für jene, die sich ein eigenes Heim wünschen. Was aber, wenn eine Bank deutlich tiefer gehen würde? Am Wochenende hat - für manche wohl ungewöhnlich - die US-Investmentbank Goldman Sachs von sich reden gemacht, mit der Idee, mit tiefen Tragbarkeitssätzen in den Schweizer Immoblilienmarkt einzusteigen. Die Überlegungen bei Goldman Sachs kreisen unter anderem darum, dass in der Schweiz mit einer im Vergleich zu anderen westlichen Ländern tiefen Eigenheimquote von 40 Prozent noch Potenzial besteht.
Die wichtigsten Punkte zur Hypothekentragbarkeit Belehnung: Darf höchstens 80 Prozent des Werts der Immobilie ausmachen. Eigenkapital: Muss mindestens 20 Prozent betragen. Davon darf die Hälfte aus Pensionskassengeldern bestehen. Hypothekarzins: Der Zinssatz, der jährlich für eine Hypothek fällig wird. Kalkulatorischer Zins: Risikozins der Hypothekenfinanzierer, in der Regel zwischen 4,5 und 5 Prozent. |
Banken haben grundsätzlich die Möglichkeit, mit tieferen kalkulatorischen Zinsen zu arbeiten. Der kalkulatorische Zins von 5 Prozent ist nicht in Stein gemeisselt. Einerseits gibt es Banken, die mit 4,5 Prozent rechnen. Andererseits: Mit so genannten "Exception to Policy"-Hypotheken vergeben Banken landauf, landab individuell Darlehen ausserhalb der eigenen Kreditlinien. Solche Hypothekenvergaben müssen die Banken bei der Finma melden und sie mit genügend Eigenkapital unterlegen. Für die Banken bedeutet dies administrativen Aufwand. Wie viele Hypotheken ausserhalb der Kreditrichtlinien vergeben werden, ist nicht bekannt.
Der kalkulatorische Zins ist also eine Empfehlung der Regulatoren an die Banken. Gemäss Dominique Ackermann, der mit seiner Firma Hypoconsult Plus als Hypothekenberater tätig ist, wird er allerdings weitgehend durchgesetzt: "Meiner Erfahrung nach wird der kalkulatorische Zinssatz von 4,5 bis 5 Prozent bei normalen Einkommen strikt angewandt." Ab etwa 250'000 Franken Jahreseinkommen erst spiele er dann weniger eine Rolle. Risikozinsen unter 4,5 sieht Ackermann übrigens eher kritisch: "Ein kalkulatorischer Zins in dieser Höhe macht die Hypothekenvergabe nachhaltiger und schützt Kunden."
Mehr Amortisation als Möglichkeit
Wie Goldman Sachs gegenüber den Regulatoren einen tieferen kalkulatorischen Zins anbieten will, ist nicht bekannt. Möglich, dass Goldman Sachs als Nischen- und als ausländischer Anbieter gewisse Vorteile hätte. Ein sehr grosser Anbieter, der den kalkulatorischen Zins senken will, würde hingegen wohl schnell Reaktionen der Regulierer nach sich ziehen. Die Raiffeisenbanken sorgten vergangenes Jahr mit der Forderung, den kalkulatorischen Zins von 5 auf 4 Prozent zu senken, für Aufsehen und wurden von der Finma gebremst. Die "Empfehlung" der Regulatoren ist also durchaus ernst gemeint.
Goldman Sachs würde beim Einstieg in den Schweizer Markt mit Moneypark zusammenarbeiten, dem Hypothekenvermittler, der mehrheitlich zum Helvetia-Konzern gehört. Die Überlegungen über einen Einstieg der Amerikaner werden bei Moneypark auch als Beitrag dazu verstanden, die Diskussion über den kalkulatorischen Zins zu beleben. Denn Vorschlägen, wie Personen mit einem relativ tiefen Einkommen oder Familien an eine günstigere Hypothek kommen, wird so oder so nachgegangen.
"Als sinnvoller Ansatz wäre denkbar, dass bei einem tieferen kalkulatorischen Zins die Richtlinien für die Amortisation geändert würden", sagt Kay Foerschle, Marketingleiter beim Hypothekenvermittler Moneypark. "Beispielsweise so, dass Hypothekarnehmer mindestens 10- oder 15-jährige Laufzeiten abschliessen müssen und in dieser Frist zwingend auf 65 Prozent oder mehr amortisieren - was die Bankenregulierung bereits vorschreibt." Bei einem von 5 auf beispielsweise 3 Prozent gesenkten kalkulatorischen Zins müssten die Kunden dann aber auch über die Laufzeit 2 Prozent mehr von der Hypothek amortisieren. "So wären die Eigenheimbesitzer hinsichtlich des Einkommens bei der Tragbarkeit unter dem Strich entlastet und würden zudem mehr Kapital im Eigenheim ansparen", sagt Foerschle.
Ob Goldman Sachs den Schritt in den umkämpften Schweizer Hypothekenmarkt wagt, oder ob die Berichte über Billig-Hypotheken von der US-Investmentbank eine geschickt platzierte PR-Geschichte sind: Die Diskussion um die Tragbarkeitskriterien bei Schweizer Hypotheken geht weiter. Kunden müssen sich aber bewusst sein, dass diese Hürden trotz tiefer Hypothekarzinsen immer noch bestehen.