Wieder einmal herrscht grosse Nervosität an den Finanzmärkten. In den letzten drei Wochen hat selbst der defensive Swiss Market Index (SMI) um über vier Prozent korrigiert. Einzelne Aktien, wie etwa die Grossbanken UBS und Credit Suisse oder auch der Uhrenhersteller Swatch, sind in den letzten Wochen sogar im zweistelligen Prozentbereich gefallen. In Anbetracht der zwischendurch fast schon panischen Marktstimmung taucht auch immer wieder die Frage auf: Ist an den Märkten bereits der nächste Bärenmarkt eingeläutet worden? Ist es das Ende der fast 10-jährigen Haussephase an den Börsen?

"Nein, wird befinden uns nicht in einem Bärenmarkt", lautet die klare Antwort von Belal M. Khan, Leiter Anlagestrategie Schweiz bei der britischen Grossbank HSBC, im cash-Video-Interview. Das konjunkturelle Umfeld der wichtigsten Volkswirtschaften der Welt sei mehrheitlich noch immer positiv. Sowohl die USA, als auch China und Japan hätten weiterhin gute ökonomische Aussichten. "Für einen Bärenmarkt braucht es ein ganz anderes Umfeld", fügt Khan hinzu.

Im Gesamtjahr 2018 wird für die US-Wirtschaft ein beachtliches Wachstum von 3 Prozent erwartet, auch die Schweiz dürfte gemäss Prognosen einen Wert zwischen 2,5 bis 3 Prozent erreichen. Somit sind die wirtschaftlichen Daten so gut wie seit acht Jahren nicht mehr, das spiegelt sich in den guten Unternehmenszahlen börsenkotierter Firmen wieder - auch wenn die (sehr hohen) Erwartungen hin und wieder enttäuscht werden.

Doch ziehen jüngst durchaus auch Wolken am Himmel auf: So weist etwa die Eurozone im Oktober schwächelnde Exporte auf, und China berichtete für das dritte Quartal von einer nachlassenden Dynamik der Wirtschaft. Und vereinzelte Märkte im asiatischen Raum sind sogar bereits offiziell in einen Bärenmarkt eingetreten: Die Leitindizes in China, Hongkong, Vietnam und den Philippinen haben mehr als 20 Prozent eingebüsst.

USA sorgt für Volatilität

Die jüngsten Turbulenzen haben gemäss Khan mehrere Ursachen, die Wichtigste geht aber von den USA aus: "Der primäre Treiber der gegenwärtigen Volatilität ist die Geldpolitik. Die US-Notenbank Fed hat einen Kurswechsel eingeschlagen", sagt Khan. Die Rückkehr zur "Normalität", in Form höherer Leitzinsen, werde auch im nächsten Jahr für leichten Gegenwind an den Märkten sorgen.

Die Fed setzt in regelmässigen Abständen den US-Leitzins um jeweils 0,25 Prozent nach oben, zuletzt erfolgte Ende September ein Anstieg auf 2 bis 2,25 Prozent. Khan geht von weiteren Erhöhungen im Dezember, sowie nächstes Jahr im März und im Juni aus - somit wäre der US-Leitzins dann bereits bei 2,75 bis 3 Prozent angelangt. Die US-Notenbank will mit dem Zinsanstieg einen zu schnellen Anstieg der Inflation verhindern, gleichzeitig bremsen höhere Zinsen aber auch die Wirtschaftsleistung etwas.

Für Khan beinhalten die höheren US-Zinsen noch eine weitere wichtige Komponente: "Die US-Notenbank verfügt so über geldpolitische Munition, um diese für den Fall der Fälle gebrauchen zu können". Er spricht damit die Möglichkeit an, bei einer konjunkturellen Eintrübung mittels einer Zinssenkung der Wirtschaft wieder einen Schub verleihen zu können. Eine stärkere Eintrübung in den USA - aber keine Rezession - erwartet Khan 2020, da neben dem geldpolitischen Gegenwind dann auch die Wirkung der von Donald Trump implementierten Steuersenkung verblassen werde. 

EZB und SNB noch im Ausnahmemodus

Während in den USA die Zinsen hochgehen, herrscht in Europa noch immer geldpolitische Eiszeit: Die Europäische Zentralbank (EZB) hält den Leitzins bei null, während die Schweizerische Nationalbank (SNB) an den Negativzinsen von minus 0,75 Prozent festhält. Die EZB hat angekündigt, allerfrühestens im Herbst 2019 mit dem ersten Zinsanstieg beginnen zu wollen.

Für Khan ist das eine schlechte Ausgangslage: "Die EZB ist in einer sehr brenzligen Situation." Da die Geldpolitik bereits locker sei, habe die EZB keinen Spielraum mehr, auf einen allfällige Abschwung der europäischen Wirtschaft reagieren zu können. Mitgefangen ist auch die SNB, die solange still halten dürfte, bis die EZB den ersten Schritt wagt. Ansonsten riskiert die SNB eine starke Aufwertung des Franken.

Die USA ist geldpolitisch besser aufgestellt, weshalb Khan auch US-Aktien bevorzugt: "In den USA waren die geldpolitischen Antworten beim Wirtschaftsabschwung klarer und stärker. Und die Fed bewegt sich nun bei der Normalisierung ebenfalls sehr schnell und aggressiv", lobt Khan die US-Geldpolitik. Demgegenüber hätten andere Notenbanken noch überhaupt nicht reagiert. "Deshalb mögen wir US-Aktien."

Im cash-Video-Interview erläutert Belal M. Khan ausserdem, welche Themeninvestments er derzeit interessant findet.