Anleger, die ruhige Gewässer mit lukrativen Kurssteigerungen schätzen, hatten es dieses Jahr nicht leicht. Das Coronajahr 2020 hat für viel Wirbel gesorgt. Auf den massiven Absturz der Börsen im Frühjahr folgte eine beispiellose Aufholrally.

Allerdings prägte nicht nur Corona das Jahr, auch andere Umstände spielten mit. Bei manchen Aktien konnten Anleger viel Geld verdienen, gleichzeitig aber auch hohe Verluste einfahren. Und klar kennen wir die Lonzas, Modernas, Biontechs, Logitechs, Pfizers und so weiter - alles Gewinneraktien der Coronapandemie. Hier aber eine etwas andere cash-Auswahl der nervenaufreibendsten Aktien in diesem Jahr. 

Wirecard – das Kartenhaus stürzt ein

1,9 Milliarden Euro. Über diese Summe stolperte der deutsche Finanzdienstleister und lange von Anlegern gefeierte Börsenstar Wirecard, der erst zwei Jahre zuvor in die höchste deutsche Börsenliga, dem Dax, aufgestiegen war. Im Juni musste der Vorstand um CEO Markus Braun eingestehen, dass Bankguthaben in Höhe von 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar seien. Damit brach das Kartenhaus zusammen, das Braun und seine Mannschaft seit Jahren aufgebaut hatten.

Wirecard hat jahrelang Umsätze durch Scheintransaktionen frisiert, Wirtschaftsprüfer mit falschen Saldenbestätigungen gezielt getäuscht und gefälschte Unterlagen für Treuhandkonten vorgelegt. Die 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf einem Treuhandkonto auf den Philippinen liegen sollten, hat es wohl nie gegeben. Aktionäre, darunter auch viele in der Schweiz, erlitten einen Totalverlust. Doch die Geschichte ist noch längst nicht zu Ende: Ex-Vorstand Jan Marsalek befindet sich weiterhin auf der Flucht und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Die Aktie ist bloss noch ein Spekulationsobjekt auf tiefstem Nivau.

Nikola – Hype-Aktie ohne Umsatz

Der Fall Nikola Motor zeigte in diesem Jahr erneut, dass ein Unternehmen ohne jeglichen Umsatz oder andere Ausweise für Investoren an der Börse Höhenflüge erleben kann. Der Wasserstoff-Truck-Hersteller – das will Nikola jedenfalls irgendwann mal werden – ging im Frühling 2020 mit einem Preis von 37,55 Dollar pro Aktie an die Börse. Innert Kürze schoss der Preis des US-Unternehmens auf knapp 80 Dollar hoch – ohne bisher auch nur ein Fahrzeug ausgeliefert zu haben.

Ein mit Betrugsvorwürfen gespickter Bericht des Leerverkäufers Hindenburg Research Nikola führte schliesslich ins Chaos. CEO Trevor Milton musste den Hut nehmen. Bis heute konnte Nikola die Vorwürfe nicht klar widerlegen. Bei Kritik um ein viel beachtetes Werbevideo des LKW-Prototypen One legte Nikola sogar ein Geständnis ab: Man habe den Truck einfach den Berg hinabrollen lassen. Der Antrieb war also kein Nikola-Motor, wie suggeriert, sondern reine Gravitation. Für Anleger gilt weiterhin: Investieren auf eigene Gefahr – oder am besten gar nicht. Die Aktie notiert derzeit bei 16,55 Dollar.

Aryzta - endloses Übernahmegerangel

Das Gerangel im Übernahmekampf des Shweizer Backwarenkonzerns Aryzta gleicht teilweise einem Boxkampf mit mehreren Runden - und mehreren involvierten Parteien. Zuletzt standen vor allem US-Grossinvestor Elliot und die neue Aryzta-Führungsmannschaft um Neu-Präsident Urs Jordi im Ring. Elliot will den Backwaren-Hersteller aufkaufen und auf Vordermann bringen - während Jordi und seine Gefolgschaft Aryzta auf den Alleingang setzt und selbst mit Teilverkäufen verschlanken möchte.

Die Nachricht von unverbindlichen Übernahmeverhandlungen zwischen Elliot und Aryzta liess die Aktie im September zwischenzeitlich von 62 Rappen auf 83 Rappen hochschiessen. Diese Woche gelang Jordi jedoch ein (vielleicht entscheidender) Wirkungstreffer. Die Generalversammlung bestätigte ihn als Präsidenten und wählte Jordi-treue Kandidaten in den Verwaltungsrat. Dem US-Grossinvestor bleiben drei Möglichkeiten: Ein höherer Preis, eine feindliche Übernahme oder ein Rückzug. Denn die Offensive von Elliott war bislang alles andere als von Erfolg geprägt. Der Aktienkurs erreichte in den letzten Wochen an der Börse nicht annhähernd die 80 Rappen, welche Elliott Anfang Dezember pro Aryzta-Aktie als verbindliches Übernahmeangebot in die Runde geworfen hatte. Aryzta bleibt für Anleger eine Wette auf einen künftigen Turnaround - oder auf ein höheres Elliott-Angebot.

Relief Therapeutics - bis 78'000 Prozent Kursanstieg

Wer Anfang Januar 1000 Franken in die Aktie der Genfer Biotech-Firma Relief Therapeutics gesteckt hatte, kann Sie sich heute über einen Buchgewinn von knapp 400'000 Franken freuen. Hoffnungen auf ein mögliches Corona-Medikament von Relief Therapeutics haben der Aktie im Frühjahr einen Raketenstart beschert: In der Spitze bestand ein Kursgewinn von sage und schreibe 78'000 Prozent.

Grund für die Euphorie ist der entzündungshemmende Wirkstoff Aviptadil, auf den Relief das Patent innehat. Dieser hat in einer Gruppe von schwer kranken Coronapatienten die Sterberate merklich reduzieren können. In den USA werden mit dem US-Partner NeuroRx derzeit zwei klinische Studien der Phase IIb/III durchgeführt. Anleger sollten sich bewusst sein: Der Ausgang der Studien dürfte bei dieser Aktie hopp oder top bedeuten. 

Kursentwicklung der Relief-Therapeutics-Aktie in den letzten zwölf Monaten, Quelle: cash.ch.

Tesla - Leerverkäufer mal wieder auflaufen lassen

Es ist kein Jahr her, da war der Fall für viele Experten in Sachen Tesla klar: Die Aktie ist so etwas von hoffnungslos überbewertet. Zwischen Oktober 2019 und Februar 2020 haussierte die Aktie um 300 Prozent. Das Unternehmen hatte es nach jahrelangen Verlusten das zweite Quartal in Folge in die Gewinnzone geschafft. JP Morgan war der Hype um die Aktie zu viel. Die US-Bank stufte sie auf "Sell" herab mit einem Kursziel von 48 Dollar (umgerechnet nach dem Aktiensplit vom Spätsommer 2020). Zehn Monate später ist die Aktie: 640 Dollar wert. Und sie eilt weiter von Rekord zu Rekord.

Viele Anleger hat die Aktie reich gemacht, und viele arm. Tesla gehörte dieses Jahr erneut zu den am meisten leerverkauften Aktien der Welt. Laut dem US-Datenanalysehaus S3 Partners verloren Tesla-Shortseller dieses Jahr bereits knapp 30 Milliarden Dollar mit ihren Wetten gegen Tesla. Dass der Tesla-Wahnsinn in diesem Tempo weitergeht, ist trotz der mittlerweile stabilen Gewinne kaum vorstellbar. Wahrscheinlich ist, dass die Aktie erwachsener geworden ist und etwas zur Ruhe kommt. Das dachte man allerdings schon vor einem Jahr.

AMS - es kehrt keine Ruhe ein

Im November schien es kurz, als könnte der österreichische Sensoren-Spezialist endlich einmal in ruhigere Fahrwasser geraten. Der so genannte "Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag" mit der übernommenen deutschen Tochter Osram war unter Dach und Fach. Zudem wurde eine Neubesetzung des Osram-Managements durch AMS-treue Kandidaten in die Wege geleitet. In den Monaten zuvor hatten die Querelen um die Osram-Übernahme den AMS-Aktionären viele Nerven gekostet.

Doch seit Anfang Dezember ist es schon wieder vorbei mit der Ruhe. Grund sind Befürchtungen, dass AMS zwei Grosskunden flöten gehen könnten. So kündigte Samsung an, in seinen Smartphones weniger AMS-Sensoren verbauen zu wollen. Zudem ranken sich Gerüchte, dass Apple nach neuen Lieferanten für die Technologie zur Gesichtserkennung suche. Sollte sich das bewahrheiten, wäre das ein herber Schlag für AMS. Die Aktie wird auch künftig nicht zur Ruhe kommen.

Alpha Pro Tech & Drägerwerk - die gefallenen Corona-Profiteure

Die Corona-Pandemie sorgte bei vielen Aktien, die bis dahin kaum im Fokus der Anleger standen, für rasante Kurssprünge. Sowohl Alpha Pro Tech aus Kanada als auch Drägerwerk aus dem deutschen Lübeck waren klassische Corona-Profiteure der ersten Stunde. Alpha Pro hatte im März als Hersteller von Atemschutzmasken Kurssprünge von bis zu 400 Prozent erlebt. Seitdem hat sich die Euphorie jedoch wieder gelegt. Der Aktienkurs halbierte seit dem Hoch von rund 25 Dollar auf derzeit 12 Dollar. Hier mussten Anleger rechtzeitig ein- und vor allem wieder aussteigen.

Ähnliches gilt für die Drägerwerk-Aktie. Der deutsche Medizintechniker profitierte ebenfalls nach der sprunghaft erhöhten Nachfrage nach Atemschutzmasken. Der Aktienkurs verdoppelte sich innert weniger Wochen von 50 Euro auf 100 Euro. Seit dem Hoch Ende März büssten die Titel jedoch wieder um 40 Prozent ein. Auch hier gilt: Wohl dem, der am Anfang dabei war.