Wenn es um Aktien und Finanzmärkte geht, kommt man in den USA kaum um Barron’s herum. Das Magazin, das schon seit 1921 besteht, fasst Woche für Woche das Marktgeschehen zusammen und konzentriert sich bei der Berichterstattung aufs Investieren. Leserinnen und Leser greifen zu Barron’s, weil sie dort vor allem Anlageideen und –tipps erhalten. Allgemeine Wirtschaftsthemen und die Weltpolitik überlässt die Redaktion anderen Medien.
Jeweils Anfang und Mitte Jahr wird der "Barron’s Roundtable" veröffentlicht. Vielbeachtet ist der runde Tisch deswegen, weil sich dort einige als absolute Finanzgurus geltende Experten zu Wort melden, welche die Marktlage analysieren. Dabei diskutieren sie durchaus kontrovers: Die Auswirkungen der Steuerpolitik der USA, der Bewertungen von Aktien oder der Regulierung auf die Finanzmärkte werden thematisiert. Mit Urteilen über den Tech-Sektor und Kryptowährungen halten die Gurus nicht zurück. Vor allem aber nennen die neun Experten persönliche Aktienfavoriten im Markt.
This week’s @barronsonline cover story. Good read!
— Florian Regnery (@RegneryFlorian) January 13, 2018
Barron’s 2018 Roundtable: Bright Outlook for #stocks#BarronsRoundtable https://t.co/52jakH8Yyt
Die neun Auguren gaben auch Anfang 2018 ihre Tipps ab. Die vor 20 Jahren gefeierte Abby Joseph Cohen - sie erntete damals Anerkennung, weil sie den grossen Bullenmarkt der 90er Jahre vorausgesagt hatte - empfahl zu Jahresbeginn unter anderem Samsung . Cohen nannte die Produktepalette mit erfolgreichen Smartphones und Fernsehern, die wichtige Halbleitersparte des Konzerns und die tiefe Bewertung von einem Aktienpreis-Gewinn-Verhältnis von 7 als Vorteil.
Seit Jahresbeginn liegt die Samsung-Aktie allerdings um 1,7 Prozent im Minus. Die Warnung von Samsung, dass der Smartphone-Absatz schwächeln werde, trug dazu bei. Daneben lag Joseph Cohen auch mit dem Lebensmittelkonzern und Nestlé-Konkurrenten Mondelez (-6 Prozent), prophezeite dafür richtigerweise einen besseren Kursverlauf beim Pharmakonzern AbbVie. Das Plus fällt mit 3,2 Prozent seit Jahresbeginn aber eher dürftig aus.
Ein Sportkonzern mit Potential
Bei der US-Gesellschaft Occidental Petroleum, deren Aktie seit Januar um 17 Prozent zugelegt hat, trafen zwei Voraussagen der Anlagespezialistin ein: Dass das Unternehmen mit einer hohen Steuerquote von der Steuerreform profitieren würde, und dass sich der steigende Ölpreis positiv aus den Kurs auswirke. Joseph Cohens Ruf als Expertin war vor zehn Jahren etwas getrübt worden, weil sie die Finanzkrise 2008 nicht vorausgesehen hatte. Alles in allem bleibt sie aber in der amerikanischen Finanzwelt eine Institution.
Bei Barron’s Roundtable spielen vor allem US-Aktien eine Rolle. Mario Gabelli, Chef der Investmentfirma Gamco und einer der 500 reichsten Amerikaner, war im Januar sehr angetan von Madison Square Garden (MSG).
Zu diesem Unternehmen, das seinen Namen von der legendären New Yorker Sportarena hat, gehören unter anderem die Basketballmannschaft New York Knicks und die Eishockeymannschaft New York Rangers, Entertainment-Lokalitäten sowie - im Immobiliengeschäft der US-Metropole nicht unwichtig - die Luftrechte über dem Stadion. Gabelli liegt mit seinem Tipp gut: MSG hat den Aktienkurs seit Anfang Jahr um 30 Prozent gesteigert.
Auch Contrarians sind dabei
Der Fondsmanager Henry Ellenbogen von T. Rowe Price sagte vor knapp sechs Monaten, ihn interessierten vor allem kleine Unternehmen, die wesentlich wachsen dürften, und Turnaround-Firmen. Typischerweise argumentieren so die Contrarians, also Anleger, die gegen den Strom schwimmen.
Mit der amerikanischen Wirtschaftsauskunftei Equifax nannte er ein Unternehmen, das durch ein Datenleck schwer getroffen worden war. "Man weiss nie, wie gut ein Geschäftsmodell ist, bis es in der grössten Not getestet wird", sagt Ellenbogen. Equifax hat unter deutlichen Schwankungen seit Anfang Jahr an der Börse mässige 5,5 Prozent zugelegt. Der Erfolg lässt also noch auf sich warten.
Auch Fintechs faszinieren die Barron’s-Gurus. Ellenbogen sprach sich für Shopify aus: Das 2004 gegründete kanadische Unternehmen, das Software zur Einrichtung von E-Commerce-Shops anbietet, ist kein eigentliches Startup mehr.
Ein Kursverlauf, an dem Aktionäre wenig auszusetzen haben: Der E-Commerce-Softwarehersteller Shopify in den vergangenen drei Jahren (Grafik: cash.ch)
Die Aktie entwickelt sich schon seit fünf Jahren gut – seit Anfang Jahr allein beträgt der Kurszuwachs 59 Prozent. Auch bei Grubhub, ein Online-Bestellservice für 80'000 Restaurants in den USA und in Grossbritannien, erweist sich Ellenbogens Wahl als Goldgrube: Die Year-to-Date-Performance beträgt beachtliche 50 Prozent.
Dass man auch als Guru ziemlich daneben liegen kann, beweist der Value-Investor (und bedeutende Kunstsammler) Scott Black. Einer seiner Tipps, Gray Television, ist seit Jahresbeginn um 30 Prozent abgestürzt. Das Unternehmen aus Atlanta, das etwa 60 Fernsehstationen betreibt, wird von Anlaysten höchst unterschiedlich beurteilt.
Der Kurszerfall dürfte aber den Value-Investoren Black eher darin bestätigen, dass er ein im Grunde genommen gut laufendes, von der Börse unterschätztes, Unternehmen empfohlen hat. Sein Einstiegszeitpunkt war aber offensichtlich etwas falsch gewählt.