Der cash Insider berichtet im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv.

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Eigentlich liess die Eskalation im Nahen Osten vom letzten Wochenende so etwas wie einen «schwarzen Montag» an den Aktienmärkten vermuten. Allerdings blieb das von einigen Beobachtern befürchtete Kursdebakel erst einmal aus. Der Schweizer Aktienmarkt notierte bei Sitzungsende sogar etwas über dem Schlussstand vom vergangenen Freitag. In den darauffolgenden beiden Tagen gerieten die Kurse dann doch noch ins Rutschen – wenn auch bei moderaten Handelsumsätzen. Letztere lassen erahnen, dass bei den hiesigen Marktakteuren nie wirklich Panik aufkam. Das mag übrigens auch mit der Erkenntnis zu tun haben, wonach geopolitisch geprägte Börsen meist kurze Beine haben. Sprich: Dauerhaft drücken Brandherde wie jener im Nahen Osten – so tragisch sie für die dortige Bevölkerung auch sind – oft nicht auf die Kurse.

Die Kursverluste der letzten Tage dürften denn auch eher eine Folge revidierter Zinserwartungen sein. Spätestens seit der Veröffentlichung der Konsumentenpreise für März dürfte wohl dem Hintersten und Letzten klar sein, dass die Wahrscheinlichkeit einer ersten Leitzinsreduktion durch die amerikanische Notenbank im Juni gegen null tendiert. Ein erster Zinsschritt im September erscheint hingegen noch immer möglich – sofern denn ein sogenannter Zweitrunden-Effekt bei der Teuerung ausbleibt. Und genau dieser Effekt könnte die Währungshüter weiterhin zögern lassen.

Neben der angespannten geopolitischen Lage und den Zinserwartungen bewegt vermehrt auch die Quartalsberichterstattung die hiesigen Aktienkurse. Während der Zahlenkranz des schweizerisch-schwedischen Industrieunternehmens ABB gut ankam, fiel die Reaktion auf jene des Bauchemiespezialisten Sika und des Aufzugs- und Rolltreppenherstellers Schindler unterkühlt aus.

Da meine Redaktionskollegen diese Ergebnisveröffentlichungen bereits eng begleitet haben, möchte ich an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil mehrere Schweizer Aktien für die Zahlen ausländischer Branchennachbarn unter positiven oder negativen Vorzeichen beeinflusst wurden.

Die Valoren des Stellenvermittlers Adecco etwa wurden gestern Donnerstag dank soliden Zahlenfakten des amerikanischen Rivalen Manpower mit Kursgewinnen bedacht. Auch jene des Nahrungsmittelmultis Nestlé kamen im frühen Handel in den Genuss höherer Kurse, nachdem der französische Gegenspieler Danone fürs erste Quartal ein organisches Umsatzwachstum von 4,1 Prozent ausgewiesen und damit die bei 3,4 Prozent liegenden Analystenschätzungen übertroffen hatte. Doch die Freude der Aktionärinnen und Aktionäre von Nestlé war nur von kurzer Dauer. Denn zu überzeugen vermochte Danone eigentlich nur im Wasser-Geschäft sowie in China. Ausgerechnet Umschichtungstransaktionen waren es, welche die Kurse des Nahrungsmittelmultis aus Vevey im Tagesverlauf sogar ins Minus drückten.

Regelrecht unter Verkaufsdruck gerieten gestern Donnerstag die Aktien von Pharmazulieferer Lonza und Laborausrüster Tecan. Obwohl bloss weit entfernt verwandt, wurden beide für ein schwaches Quartalsergebnis der deutschen Sartorius mit Kursverlusten abgestraft.

Kurszerfall bei den Aktien von SMI-Überflieger Lonza in den letzten Tagen (Quelle: www.cash.ch)

Mit einem operativen Gewinn (EBITDA) von 235 Millionen Euro bei einem Umsatz von 820 Millionen Euro verfehlte Sartorius die Analystenerwartungen ziemlich deutlich. Die Aktien des Pharmazulieferers schmierten nach dem Bekanntwerden zeitweise um 18 Prozent ab und rissen so auch jene von Lonza und Tecan mit sich nach unten.

Müsste ich eine Vermutung abgeben, dann hat Sartorius vermutlich auch mit hausgemachten Problemen zu kämpfen. Mögliche Rückschlüsse auf die beiden Schweizer Unternehmen sind deshalb mit Vorsicht zu geniessen.

Wenden wir uns aber noch einem anderen Thema zu: Gestern Donnerstag kam es an der Generalversammlung von SoftwareOne zum Schlagabtausch zwischen dem Verwaltungsrat und den oppositionellen Aktionären – zu welchen auch die einstigen Firmengründer zählen. Für den Verwaltungsrat gab es gleich in zweifacher Hinsicht eine Klatsche: Zum einen verwehrten ihm die Aktionäre doch mit einer knappen Mehrheit von gut 54 Prozent die Entlastung für das Geschäftsjahr 2023 und zum anderen wurden die von den Gründungsaktionären aufgestellten Kandidaten ins Gremium gewählt.

Nun, da die Palast-Revolution geglückt ist, fragt sich natürlich, wie es weiter geht. Anfang März stellte der Finanzinvestor Bain Capital ein neues Übernahmeangebot in Aussicht, für den Fall, dass der Verwaltungsrat neu besetzt wird. Ich bin neugierig, ob die Amerikaner in den nächsten Wochen auf diese Worte auch Taten folgen lassen. Überrascht wäre ich jedenfalls nicht. Das letzte von SoftwareOne als ungenügend zurückgewiesene Angebot lag bei 18,80 Franken je Aktie in bar.

Bei Kepler Cheuvreux geht man davon aus, dass das Unternehmen wieder von der Börse genommen werden könnte und auch bei der UBS heisst es, dass nach dem Sieg der Gründeraktionäre über den Verwaltungsrat wieder Übernahmespekulationen laut werden dürften. Beide Banken preisen die Aktien übrigens mit Kurszielen zwischen 18,80 und 18,85 Franken zum Kauf an.

Für die Aktien von Logitech trafen diese Woche gleich zwei Verkaufsempfehlungen ein. Zuerst senkte der für Morgan Stanley tätige Analyst Erik Woodring den Daumen über dem Lausanner Vorzeigeunternehmen und stufte dessen Valoren mit einem Kursziel von 75 (zuvor 85) Dollar von "Equal-weight" auf "Underweight" herunter. Er wähnt die Westschweizer vor einer längeren Wachstumsflaute und hält die momentane Bewertung daher für übertrieben hoch. Woodring schliesst nicht aus, dass die anstehende Quartalsergebnispräsentation am Anfang einer schmerzhaften Bewertungskorrektur stehen könnte.

Auch bei seinem Berufskollegen George Brown von der Deutschen Bank dreht sich alles um die übertrieben hohe Bewertung. Der Analyst veranschlagt sogar nur ein Kursziel von 60 Franken und spricht neuerdings ebenfalls eine Verkaufsempfehlung aus. Er warnt in Bezug auf die nächstjährigen Finanzziele vor möglichen Enttäuschungen und geht davon aus, dass sich die ambitionierten Mittelfristziele nur durch grössere Firmenübernahmen erreichen lassen. Brown war vor wenigen Monaten schon mal durch mahnende Worte aufgefallen.

Die Aktien von Logitech sind zuletzt etwas im Kurs zurückgefallen (Quelle: www.cash.ch)

Nicht nur bei Morgan Stanley und der Deutschen Bank wird mit eher vorsichtigen Finanzzielen fürs kommende Jahr gerechnet. Auch die Analysten von Stifel und Kepler Cheuvreux sehen diesbezüglich ein gewisses Enttäuschungspotenzial. Sie stufen die Aktien weiterhin beide mit "Hold" ein.

Genaueres werden wir wohl erst am 30. April erfahren. An diesem Tag wartet Logitech nämlich sowohl mit dem Zahlenkranz fürs Schlussquartal des laufenden Geschäftsjahres als auch mit einem Ausblick aufs neue Geschäftsjahr auf.

Nächste Woche gehört die Bühne aber erst einmal den drei Schwergewichten Nestlé, Roche und Novartis. Für Bewegung dürfte beim SMI damit wohl gesorgt sein. Auch Holcim wird mit Quartalszahlen aufwarten. Mehr dazu spätestens am nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

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