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Müsste man das hiesige Aktienmarktgeschehen der letzten Tage in einen einzigen Satz verpacken, würde dieser wie folgt lauten: Ein paar wenige Kursgewinner stehen unzähligen Verlierern gegenüber.

Prominent auf der Verliererliste vertreten sind die Aktien von Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe. Jene des Pharmazulieferers PolyPeptide, des Sensorenherstellers AMS Osram und des Laborausrüsters Tecan haben sogar zweistellige Verluste zu beklagen.

Doch auch die erfolgsverwöhnten Aktionärinnen und Aktionäre des Bauchemiespezialisten Sika, des Halbleiterausrüsters Comet oder des Pharmazulieferers Lonza würden die vergangenen Tage wohl am liebsten vergessen.

In meinen dreissig Jahren an der Börse bin ich noch selten einem so selektiven und launischen Handelsgeschehen begegnet. Es ist, als würden sich die hiesigen Marktakteure etwas sehr vom Handelsgeschehen an der New Yorker Börse leiten lassen. Dort steht der breit gefasste S&P 500 Index seit Jahresbeginn zwar noch immer mit knapp 14 Prozent im Plus. Allerdings sind gerade einmal sieben Aktien wie etwa Apple, Alphabet oder Amazon für letzteres verantwortlich.

Gekauft wird, was bereits gut gelaufen ist und sich bewährt hat. Ähnliches ist auch hierzulande zu beobachten – wenn auch unter anderen Vorzeichen. Zugegeben: Die Aktien von Ascom und Flughafen Zürich klettern noch immer von einem Jahreshoch zum nächsten. Doch die Anzahl Valoren, welche fast täglich neue Jahrestiefststände schreiben, ist um einiges üppiger und umfasst etwa Idorsia, Oerlikon, Barry Callebaut oder auch Clariant. Bei uns wird aus den Portefeuilles gekippt, was bereits stark gefallen ist.

Höhenflug der Aktien des Flughafens Zürich seit Jahresbeginn (Quelle: www.cash.ch)

Es gibt in Börsenkreisen auch schon einen Begriff für diese höchst selektive Haltung der Marktakteure: "Momentum-Wahnsinn" – oder "Momentum-Mania" wie der geübte Amerikaner sagen würde.

Anders als in New York – dort sind momentan gerade die Indexschwergewichte angesagt – fristen die Valoren von Nestlé, Roche und Novartis ein Mauerblümchen-Dasein. Als am Mittwochnachmittag um 15.30 Uhr die amerikanischen Akteure in den Markt kamen, hatten bei Nestlé und Novartis für jeweils weniger als 80 Millionen Franken Aktien die Hand gewechselt. Bei Roche waren sogar nur Genussscheine im Gegenwert von gut 60 Millionen Franken umgegangen. Beides ist ganz schön mager, selbst für diese Zeit des Jahres.

Eine Achterbahnfahrt der Gefühle durchlebten einmal mehr die Aktionärinnen und Aktionäre von Idorsia. Am Dienstag wurde bekannt, dass die Ankeraktionäre Jean-Paul und Martine Clozel dem Pharmaunternehmen einen Überbrückungskredit in Höhe von 75 Millionen Franken gewähren.

An der Börse war die anfängliche Euphorie rasch verflogen, erkaufen sich die Baselbieter damit doch bloss etwas Zeit. Ab Anfang August dürfte es bereits wieder eng werden, wenn bis dahin kein Käufer für das Asien-Geschäft oder ein Lizenznehmer für einen der Wirkstoffe gefunden ist.

Gestern Donnerstag drückte Morgan Stanley den Aktienkurs dann sogar unter 7,20 Franken. In einer Unternehmensstudie nahm der Analyst Thibault Boutherin die Wiederabdeckung der Valoren mit "Underweight" und einem Kursziel von 7 Franken auf.

Seines Erachtens dreht sich bei Idorsia alles um das Schlafmittel Quviviq. Er selber geht davon aus, dass sich das Medikament in Nordamerika vorderhand eher schleppend verkauft. Dementsprechend gross dürfte der Bedarf an zusätzlichen finanziellen Mitteln sein.

Lange Rede, kurzer Sinn: Irgendwann wird das Pharmaunternehmen wohl oder übel in den sauren Apfel einer weiteren Kapitalerhöhung beissen müssen. Dessen sind sich leider auch die Leerverkäufer bewusst...

Ebenfalls ein Dauerthema bleibt die Liontrust-Offerte für GAM. Am gestrigen Donnerstag berichtete ich davon, dass der Vermögensverwalter fast so etwas wie eine Drohkulisse aufbaue. Ich spielte damit auf den zuvor öffentlich gemachten Zwischenbericht für die ersten drei Monate an. Firmeneigenen Angaben zufolge resultierte zwischen Januar und März ein Verlust vor Steuern in Höhe von 11,2 Millionen Franken. Ein weiterer Goodwill-Abschreiber führt demnach sogar zu einem Fehlbetrag von 63,2 Millionen Franken.

Vontobel-Analyst Andreas Venditti fand denn auch klare Worte, als er eine schnellstmögliche Stabilisierung forderte und die finanzielle Situation des Unternehmens als "prekär" bezeichnete. Er stuft die Aktien wie bis anhin nur mit "Hold" und einem Kursziel von 55 Rappen ein.

Aufstieg und Fall der GAM-Aktien in den letzten drei Monaten (Quelle: www.cash.ch)

Da überrascht es mich doch, dass die Aktien noch immer einen Aufschlag von gut 8 Prozent gegenüber dem rechnerischen Umtauschangebot seitens der Briten aufweisen. Ich wäre nicht sehr erstaunt, wenn sich in der Hoffnung einer Angebotsnachbesserung oder einer Gegenofferte durch die oppositionelle Aktionärsgruppe um den französischen Milliardär Xavier Niel weitere Trittbrettfahrer in Stellung bringen würden.

Die Zeit drängt, endet die Andienungsfrist des Liontrust-Angebots doch schon am 25. Juli. Am 3. August steht das Halbjahresergebnis zur Veröffentlichung an, gefolgt von der ausserordentlichen Generalversammlung der oppositionellen Aktionäre am 25. August. Vielleicht ist der Mist bis dahin schon geführt.

Dennoch verkommen die Aktien des schlingernden Vermögensverwalters immer mehr zum Spielball der Spekulanten – ganz nach dem Motto: Alles ist möglich.

Der Credit Suisse reicht es. In einer mehrseitigen Unternehmensstudie zieht sie beim Windanlagenzulieferer Schweiter Technologies die Reissleine und stuft dessen Aktien von "Outperform" auf "Neutral" herunter. Neuerdings veranschlagt der Studienautor Tommaso Operta noch ein 12-Monats-Kursziel von 735 (zuvor 950) Franken.

Reumütig räumt der Analyst ein, dass seine Margenprognosen rückblickend zu optimistisch waren. Darauf abgestützt streicht er seine Gewinnschätzungen um durchschnittlich 23 Prozent zusammen. Die Dividendenerwartungen werden sogar noch deutlicher gekürzt.

Ich habe mich mal eben schnell schlau gemacht: Die ursprüngliche Kaufempfehlung geht auf Mitte Dezember letzten Jahres zurück, als die Aktien noch um die 770 Franken kosteten. Mittlerweile sind sie 120 Franken günstiger zu haben.

Der Berufskollege Joern Iffert beim heutigen Mutterhaus UBS hatte Mitte Dezember übrigens mit einer Verkaufsempfehlung und einem 650 Franken lautenden 12-Monats-Kursziel dagegengehalten. Dort sind die Valoren von Schweiter Technologies nun angekommen.

Vielleicht erfahren wir schon in den nächsten Tagen, ob der UBS-Analyst seine Verkaufsempfehlung nach Erreichen seines 12-Monats-Kursziels überdenkt oder letzteres erneut unter negativen Vorzeichen überarbeitet. Falls ja, dann mehr dazu nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

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