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Sell in May and go away – but remember to come back in September. Zu gut Deutsch: Verabschiede Dich im Mai von Deinen Aktien, aber kehre spätestens im September wieder zurück. Das zumindest besagt eine gängige Börsenweisheit.

Davon will man bei Merrill Lynch in diesen Tagen allerdings partout nichts wissen. Vielmehr sagen die für die New Yorker Börse zuständigen Strategen der amerikanischen Investmentbank dem dortigen S&P 500 Index eine Sommer-Rally nach. Sie stützen sich dabei auf bankeigene Erhebungen ab, die bis ins Jahr 1928 zurückreichen. Die besagten Erhebungen zeigen, dass das Börsenbarometer in den Sommermonaten Juni (+0,8 Prozent), Juli (+1,6 Prozent) und August (+0,7 Prozent) zuverlässig positive Ergebnisse liefert.

Den Strategen um Stephen Suttmeier zufolge verfügt die Leitbörse in New York zumindest aus technischer Sicht über alle für eine Sommer-Rally notwendigen Zutaten – seien es nun die Marktbreite oder andere Indikatoren.

Geht es nach seinem Berufskollegen Sebastian Rädler in London, dann dürften die Aktienkurse auch bei uns auf dem alten Kontinent steigen. Der Stratege traut dem breit gefassten Stoxx Europe 600 Index bis in den August hinein allerdings nur noch einen Anstieg im Umfang von gut 2 Prozent zu. Darin enthalten sich auch zahlreiche Schweizer Unternehmen. Seine Schlüsselbotschaft: Mit jeden 3 Punkten, den die Einkaufsmanager-Indizes jetzt noch zulegen, erhöht sich das Indexziel aus heutiger Sicht um weitere 5 Prozent.

Die Valoren von Roche (grün) und Nestlé (gelb) hinken dem SMI (rot) noch immer hinterher (Quelle: www.cash.ch)

Aktien aus der Schweiz räumt die amerikanische Investmentbank in den Portefeuilles ihrer Anlagekundschaft wie bis anhin bloss ein unterdurchschnittliches Gewicht ein. Schuld ist die schier erdrückende Dominanz der drei Indexschwergewichte Nestlé, Roche und Novartis.

In Erwartung steigender Dollar-Zinsen sieht Rädler konjunkturabhängige Aktien in den kommenden Monaten um bis zu 15 Prozent besser als Nestlé, Roche und Co. abschneiden.

Wenn die ganze (Börsen-)Welt gefühlt das eine tut, ist ein Trend – hier ganz klar weg von den drei SMI-Schwergewichten – meistens bereits weit fortgeschritten.

Anders als Merrill Lynch mache ich übrigens eine weitere, eher fragwürdige Ingredienz aus: Die blanke Gier.

Das Kursfeuerwerk bei stark leerverkauften Aktien wie etwa jenen von AMC Entertainment an der New Yorker Börse lässt grüssen. Dass der strauchelnde Kinobetreiber den rekordhohen Aktienkurs für eine weitere Platzierung von gut 11,5 Millionen neuen Aktien nutzt, darf man ihm da nicht übelnehmen. Denn die 5 ¾ Prozent Anleihe mit einer Laufzeit bis Mitte Juni 2025 geht selbst nach der Platzierung neuer Aktien bloss für 80 Cents je Dollar um.

Ein Paradies für "Daytrader" sofern man denn im Takt ist: Die AMC-Aktien (Quelle: www.cash.ch)

Als Zückerchen erhalten die mit der Aktienplatzierung beauftragten beiden Banken B Riley und Citigroup satte 2,5 Prozent vom Erlös der von ihnen über das Telefon verhökerten Aktien. Was an eine Szene aus dem Kinofilm The Wolf of Wall Street mit Leonardo DiCaprio als Jordan Belfort in der Hauptrolle erinnert, ist an der Wall Street leider wieder traurige Realität.

Lange ist es her, als mir mein Mentor auf der Bank einst eintrichterte: Der Anleihenmarkt liegt letztendlich immer richtig...

Das viele billige Geld führt dazu, dass die New Yorker Börse immer mehr zur Zirkusmanege und das Handelsgeschehen zur Clown-Nummer verkommt. Wenn das mal bloss gut kommt. Es wäre von Ironie kaum zu überbieten, sollten uns die Amerikaner damit die Sommer-Rally vermasseln.

Wenden wir uns nun aber wieder dem hiesigen Handelsgeschehen zu. Am späten Mittwochnachmittag watschte Analyst Justin Smith von der Société Générale die Genussscheine von Roche von "Buy" auf "Hold" ab. Gleichzeitig strich er das 12-Monats-Kursziel auf 340 (zuvor 385) Franken zusammen.

Ganz unter uns gesagt: Für mich lässt sich dieser Schritt kaum nachvollziehen, räumt doch auch der Pharmaanalyst selber ein, dass die Genussscheine des Pharma- und Diagnostikkonzerns aus Basel im Vergleich zum breiten Markt so günstig wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr zu haben sind. Er hoffe nun auf eine Gelegenheit, künftig seinen Optimismus wieder zu finden, wie Smith weiter schreibt.

Es sind genau Wortmeldungen wie diese, die andeuten, dass die hiesigen Indexschwergewichte das Tal der Tränen vermutlich bereits durchschritten haben. Auch die Börsenreaktion spricht Bände.

Eine Watsche gab es diese Woche für den Sensorenhersteller AMS. Die Aktionärinnen und Aktionäre zeigten der Teppich-Etage die rote Karte und lehnten den Vergütungsbericht ab. Es ist übrigens nicht die erste Karte dieser Art und mitunter eine Quittung für die noch immer schleppende Aktienkursentwicklung.

Wie die Zürcher Kantonalbank in einem Kommentar festhält, ist die Abstimmung über den Vergütungsbericht - wie in der Schweiz auch - zwar nur konsultativ. Dennoch gilt sie aber als wichtiges Signal für die Zufriedenheit der Aktionäre. Der Beschluss sei nicht anfechtbar. Im darauffolgenden Vergütungsbericht müsse das Unternehmen dann darzulegen, wie dem entsprechenden Abstimmungsergebnis der letzten Hauptversammlung Rechnung getragen wurde.

AMS selber versucht nun mit Bereichsverkäufen zu Punkten. Der Sensorenhersteller trennt sich von der Tochter Digital Systems. Diese geht für eine nicht genannte Summe an die amerikanische Acuity Brands. Meine Vermutung: Es wird wohl nicht bei diesem einen Verkauf bleiben...

Eine Offenlegungsmeldung an die Schweizer Börse SIX zeigt, dass beim Bauzulieferer Arbonia ein nicht namentlich bekannter Verwaltungsrat im grossen Stil Put-Optionen auf die eigene Aktie geschrieben hat. Er muss per Stichtag 300'000 Aktien zu je 17,20 Franken übernehmen, sofern der Kurs dannzumal darunter liegt.

Zuerst dachte ich beim Verwaltungsrat an den umtriebigen Grossaktionär Michael Pieper. Da in der Offenlegungsmeldung allerdings explizit von einem "exekutiven Mitglied des Verwaltungsrats" die Rede ist, fällt meine Wahl nun aber auf Verwaltungsratspräsident und Firmenchef Alexander von Witzleben.

Am gestrigen Donnerstag berichtete ich in meiner Kolumne von millionenschweren Aktien- und Optionsverkäufen bei Straumann und Richemont. Ich kommentierte diese wie folgt:

Damit unterscheidet sich die bei Arbonia beobachtete Transaktion wohlwollend von den anderen – was auch immer für Überlegungen dahinter stehen mögen.

Mal schauen, ob der SIX kommende Woche weitere Management Transaktionen gemeldet werden. Mehr dazu nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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