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Negative Vorgaben aus New York setzten am Dienstag auch dem Schweizer Aktienmarkt zu. Dass sich der breit gefasste Swiss Performance Index (SPI) an diesem Tag besser als andere europäische Börsenbarometer behaupten konnte, dürfte für die hiesigen Marktakteure bloss ein schwacher Trost sein.

Kaum eine Aktie, die nicht mit schmerzhaften Kursverlusten aus der durch Auffahrt verkürzten Handelswoche hervorgeht. Regelrecht unter die Räder gerieten Wachstumsaktien wie Logitech, Comet oder Sensirion. Und selbst beliebte Substanzwerte – etwa jene von Gurit, Dufry und Georg Fischer – hatten für einmal einen schweren Stand. Rette sich wer kann, lautete die Direktive.

Ob auch ausländische Hedgefonds bei den besagten Aktien als Verkäufer in Erscheinung traten, lässt sich auf die Schnelle nicht in Erfahrung bringen. Spannende Einblicke in das Treiben dieser nicht gerade sehr beliebten Zeitgenossen liefern Erhebungen von Goldman Sachs. Wie die amerikanische Investmentbank berichtet, trennen sich Hedgefonds seit nunmehr zehn aufeinanderfolgenden Handelstagen netto von Aktien – wobei der Mittwoch womöglich sogar als Tag elf in die Geschichtsbücher eingehen könnte.

Die Aktien von Logitech (rot) und Dufry (grün) stehen für zwei unterschiedliche Welten, nämlich für Wachstums- und Substanzwerte; diese Woche zählen beide gleichermassen zu den Verlierern (Quelle: www.cash.ch)

Am naheliegendsten wäre, dass die kreditgebenden Banken ihre Kundschaft aus der Hedgefonds-Industrie nach dem Archegos-Debakel an die Kandare nehmen und zur Reduktion von Risiken drängen. Doch weit gefehlt. Denn wie Goldman Sachs weiter schreibt, treffen Leerverkäufe im Verhältnis 1,6 zu 1 auf die Glattstellung bestehender Titelpositionen. Mit anderen Worten: Hedgefonds fahren ihre zuvor ausgedünnten Baisse-Wetten wieder hoch.

Anders an den europäischen Aktienmärkten, wo Hedgefonds angeblich als Nettokäufer in Erscheinung treten. Darf man der mächtigen amerikanischen Investmentbank Glauben schenken, dann stehen Deckungskäufe und der Aufbau von Titelpositionen einander im Verhältnis 3 zu 1 gegenüber.

Aus den mir zugespielten Informationen ist allerdings nicht ersichtlich, ob es sich bei den besagten Hedgefonds ausschliesslich um Kunden von Goldman Sachs handelt oder die Amerikaner gar Zugriff auf industrieweite Statistiken haben.

Wenden wir uns nun aber wieder dem hiesigen Handelsgeschehen zu. Dieses kommentierte ich am Freitag wie folgt:

Wenn sich nämlich etwas wie ein roter Faden durch die Quartalsberichterstattung hiesiger Unternehmen zieht, dann dass die Marktakteure akribisch auf der Suche nach Haaren in der Zahlensuppe sind. Noch nie zuvor lag der Teufel häufiger im Detail.

Passender liessen sich die letzten Tage kaum umschreiben. Auch die Aktionäre von Zurich Insurance und Swiss Life mussten die unangenehme Erfahrung machen, dass die Marktakteure schon fast krampfhaft nach Gründen suchen, um den einen oder anderen Gewinn einzufahren.

Bei Swiss Life liess der im ersten Quartal erlittene Prämieneinbruch die Kurse purzeln. Dass sich dieses Phänomen auf das margenschwache Geschäft mit BVG-Vollversicherungslösungen beschränkt, schien kaum jemanden zu interessieren – genausowenig wie die im Jahresvergleich um beachtliche 14 Prozent höheren Kommissionerträge. Letztere gehen mit einer nur geringen Kapitalbindung einher, was künftig höhere Dividenden oder Aktienrückkäufe zulässt.

Aktienkursentwicklung von Swiss Life rund um den Zwischenbericht herum (Quelle: www.cash.ch)

Kein Wunder also, liegen die Dividendenschätzungen des für Kepler Cheuvreux tätigen Analysten Peter Eliot um durchschnittlich 10 Prozent über den durchschnittlichen Erwartungen seiner Berufskollegen. Nach dem Zwischenbericht vom Dienstag geht er zudem von umfassenderen Aktienrückkäufen aus. Das spiegelt sich auch in der Kaufempfehlung sowie im Kursziel von 525 (zuvor 520) Franken für die Aktien des Lebensversicherungskonzerns wieder.

Den Valoren von Zurich Insurance erging es am Mittwoch nicht viel besser als tags zuvor jenen von Swiss Life: Auch sie wurden mit Kursverlusten für einen mehr als ordentlichen Zwischenbericht abgestraft.

Im Nichtleben-Geschäft – dem wichtigsten Geschäftszweig – steigerte die Versicherungsgruppe die Prämieneinnahmen im Jahresvergleich um fast 15 Prozent auf 11 Milliarden Dollar. Zugegeben: Das dürfte auch der erstmaligen Konsolidierung von übernommenen Teilen des amerikanischen Rivalen MetLife zu verdanken sein. Doch selbst unter deren Ausklammerung wuchsen die Prämieneinnahmen immerhin noch um 9 Prozent. Zurich Insurance war es möglich, die Prämienansätze im Nichtleben-Geschäft um 7 Prozent zu erhöhen. Das ist schon ganz schön beachtlich.

Der eigentliche Lichtblick sind jedoch die bei der Solvenz erzielten Fortschritte. So verbesserte sich die viel beachtete SST-Quote von Ende Dezember bis Ende März auf 201 (zuvor 182) Prozent. Analysten hatten im Vorfeld gerade mal mit einer SST-Quote in Höhe von 194 Prozent gerechnet.

Dennoch steckte auch hier der Teufel im Detail – und zwar in Gestalt vorsichtiger Aussagen zu den Kosten aus Naturkatastrophen und der pandemiebedingt geringeren Lebenserwartung.

Ich bin neugierig, ob sich das nächste Woche genauso verhält, wenn der Hörgerätehersteller Sonova, der Luxusgüterkonzern Richemont sowie Julius Bär mit Zahlenkränzen aufwarten. Denn eines haben diese Unternehmen gemeinsam: Bei allen dreien sind die Erwartungen der Analysten erdrückend hoch und die Aktien zuletzt gut gelaufen. Es verspricht deshalb auf den letzten Metern der Quartalsberichterstattung noch einmal spannend zu werden.

Kommen wir nun aber zum Textilmaschinenhersteller Rieter. Erst kürzlich berichtete ich von millionenschweren Aktienkäufen seitens eines Verwaltungsrats. Seither wurden der Schweizer Börse SIX weitere Käufe gemeldet. Diese belaufen sich alleine seit Jahresbeginn auf mehr als 16 Millionen Franken.

Während Analysten den Belgier Luc Tak mit seinem Industriekonglomerat Picanol dahinter vermuten, setze ich meinen Wetteinsatz auch weiterhin auf Stadler-Rail-Patron Peter Spuhler. Hier kommt nun Autoneum ins Spiel, sind doch auch beim ehemaligen Schwesterunternehmen seit Monaten Titelkäufe in Millionenhöhe aus dem Verwaltungsrat zu beobachten. Da Spuhler über sein Beteiligungsvehikel PCS Holding sowohl substanziell an Rieter als auch an Autoneum beteiligt ist, lässt sich eins und eins zusammenzählen.

In den letzten 12 Monaten haben sich die Rieter-Aktien fast im Kurs verdoppelt (Quelle: www.cash.ch)

Das Tagesgeschäft scheint dem mysteriösen Käufer von Aktien übrigens Recht geben zu wollen, wie die erfreulichen Aussagen des Textilmaschinenherstellers vom Mittwochabend zeigen. Das Unternehmen stellt für Juli neue – und vermutlich optimistischere – Jahresvorgaben in Aussicht.

Bei Aryzta machen hingegen Spekulationen die Runde, wonach die Familie Jacobs an schwächeren Tagen wacker Aktien zukauft. Diese hatte sich im Zuge des Ausstiegs von Veraison im Dezember letzten Jahres beim noch immer hochverschuldeten Backwarenhersteller eingenistet.

In einem Kommentar bekräftigt Jon Cox von Kepler Cheuvreux seine "Reduce" lautende Verkaufsempfehlung sowie das Kursziel von 1 Franken. Seines Erachtens wird Aryzta nicht um die Ausgabe einer Wandelanleihe herumkommen. Ausserdem warnt er vor den Folgen der zuletzt stark gestiegenen Getreidepreise auf die Gewinnentwicklung.

Die Stunde der Wahrheit naht, legt der Backwarenhersteller in etwas mehr als zwei Wochen doch die Quartalsumsatzzahlen vor. Spätestens dann werden wir mehr wissen.

Ich verabschiede mich für diese Woche und wünsche allen meinen Leserinnen und Lesern ein erholsames Wochenende – auch wenn die Wettervorhersagen nicht gerade sehr ermutigend sind...

 

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