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Am gestrigen Montagnachmittag spielten sich an den Aktienmärkten teils dramatische Szenen ab. Nachdem der Pharmagigant Pfizer und sein deutscher Partner Biontech einen Durchbruch mit dem eigenen Covid-19-Impfstoff meldeten, gab es kein Halten mehr. Selbst der als träge verschrieene Swiss Market Index (SMI) schoss innerhalb weniger Minuten um mehr als 200 Punkte nach oben. Die Hoffnung auf eine beschleunigte Zulassung des Impfstoffs zwang auch noch die letzten falsch oder unzureichend engagierten Marktakteure in die Knie.

Während diesjährige Schlusslichter wie Dufry, Flughafen Zürich oder Valora mit prozentual zweistelligen Kursgewinnen aus dem Handel gingen, dürfte sich die Freude bei den Aktionären von Logitech, Zur Rose oder Givaudan vermutlich in Grenzen halten. Bei diesen Unternehmen – sie alle gelten als die eigentlichen Gewinner der Covid-19-Pandemie – gerieten die Kurse ins Rutschen. Bis Handelsende türmten sich bei einigen dieser Papiere gar prozentual zweistellige Kursverluste auf. Selbst jene von Siegfried konnten sich dem Verkaufsdruck nicht entziehen, obwohl der Pharmazulieferer mit der Herstellung des von Pfizer und Biontech entwickelten Impfstoffs betraut ist. Der Herr gibt's und der Herr nimmt's...

Bei den Valoren von Givaudan kam erschwerend hinzu, dass Analyst Ryan Tomkins von Jefferies am Montagmorgen die Wiederabdeckung des Aromen- und Duftstoffherstellers aus Genf mit "Underperform" und einem Kursziel von gerade einmal 3300 Franken aufnahm.

Mit der Begründung für seine Verkaufsempfehlung trifft Tomkins den Nagel ungewollt auf den Kopf. Der starke Kursanstieg der letzten Monate gehe zu weit und nehme mittlerweile unrealistisch hohe Wachstums- und Margenerwartungen vorweg, so der Analyst.

Die Logitech-Aktien stehen stellvertretend für viele andere Wachstumsaktien aus der Schweiz (Quelle: www.cash.ch)

Das gilt nicht nur für Givaudan, liesse sich dasselbe doch auch von manch einem anderen Börsenüberflieger aus der Schweiz behaupten. Allerdings gibt es einen weiteren triftigen Grund, weshalb sich ausländische Momentum-Investoren auch aus den hiesigen Wachstumsaktien zurück- und weiterziehen: Die Zinsen in New York sind zuletzt wieder gestiegen. Und die sind bekanntlich Gift für Wachstumsaktien. Die Rendite zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen stieg zuletzt auf fast ein Prozent und damit auf den höchsten Stand seit März.

Dass die Angelegenheit ernst ist, zeigen die in den letzten 24 Stunden beobachteten Glattstellungen bei beliebten Call-Warrants. Bei Zur Rose trennten sich ausländische Momentum-Investoren von ROXGJB, ROXAJB und ROXJJB, bei Logitech von WLOATV und LOGGJB und bei Tecan von TECZJB und TECMJB. Bei Givaudan konzentrierten sich die Verkäufe hingegen auf WGIBLV.

Meine Vermutung: Die Kursverluste der letzten 24 Stunden sind übertrieben. Selbst wenn der besagte Impfstoff in Kürze die Notfall-Zulassung erhalten sollte, könnte es lange Monate dauern, bis die Chargen für eine flächendeckende Immunisierung überhaupt produziert und verteilt sind. Allerdings gehe ich davon aus, dass wir die bei den Aktien von Logitech, Zur Rose und Co. noch vor wenigen Tagen bezahlten Kurse so schnell wohl nicht wieder sehen werden. Sie haben ihren Zweck - zumindest aus Sicht ausländischer Momentum-Investoren - fürs Erste erfüllt. Wichtige Erkenntnisse erhoffe ich mir in den nächsten Tagen einerseits von der Zinsentwicklung in New York, andererseits aber auch von den derivatseitigen Aktivitäten.

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Unter die Räder gerieten am gestrigen Montagnachmittag auch die Genussscheine von Roche. Sie gaben im späten Handel zeitweise um mehr als 4 Prozent nach und kosteten den Swiss Market Index (SMI) bei Börsenschluss immerhin noch um die 50 Punkte.

Das wiederum ruft nun den bekannten UBS-Pharmaanalysten Michael Leuchten auf den Plan. Er versucht in einem Kommentar die Wogen zu glätten. Trotz Durchbruch bei den Covid-19-Impfstoffen rechnet Leuchten beim Pharma- und Diagnostikkonzern aus Basel bis ins nächste Jahr hinein mit schönen pandemiebedingten Umsätzen. Es sei sogar davon auszugehen, dass ein Impfstoff die Nachfrage nach Antikörpertests noch erhöhe, so der Analyst.

Zuletzt gerieten auch die Genussscheine von Roche in den Abwärtssog (Quelle: www.cash.ch)

Ganz uneigennützig ist diese Wortmeldung aus dem Hause UBS nicht. Schliesslich preist die grösste Schweizer Bank ihrer Anlagekundschaft die Valoren von Roche schon seit Sommer letzten Jahres zum Kauf an. Seit Mitte Oktober lautet das 12-Monats-Kursziel noch 379 Franken.

Die UBS ist übrigens nicht die einzige Bank, die dem SMI-Schwergewicht verbal zu Hilfe eilt. Auch Vontobel findet am heutigen Dienstag versöhnliche Töne und bekräftigt sowohl die Kaufempfehlung als auch das Kursziel von 422 Franken.

 

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