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Was war denn da am Montagmorgen bloss mit den europäischen Aktienmärkten los? Kurz vor 10 Uhr gerieten die Kurse wie aus dem Nichts ins Rutschen – auch jene in der Schweiz. Dabei gerieten einige Aktien aus der zweiten Reihe besonders stark unter die Räder. Für die Valoren des Hörgeräteherstellers Sonova ging es innerhalb weniger Minuten von 356 auf 314 Franken, für jene des Risikokapitalspezialisten Partners Group sogar von 1137 auf 950 Franken runter. Überdurchschnittliche Verluste von je um die 10 Prozent hatten auch die Bankensoftware-Schmiede Temenos sowie der Transporteuer Kühne+Nagel zu beklagen.

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Doch genauso schnell war der Spuk dann auch wieder vorbei. Während die Aktien von Temenos, Partners Group und Sonova nur unwesentlich unter den Schlusskursen vom Freitag aus dem Handel gingen, legten jene von Kühne+Nagel im Laufe des Nachmittags sogar zu.

Tagesschwankungen von 17 Prozent und das bei einem SMI-Titel wie der Partners Group, das gab es schon eine ganze Weile nicht mehr. Schuld für die europaweiten Verwerfungen seien Fehleingaben der Citigroup im Londoner Handel mit skandinavischen Index-Futures gewesen – in angelsächsischen Kreisen auch als "fat finger" bekannt. Den genauen Grund werden wir wohl nie erfahren. Was sich aber mit ziemlicher Gewissheit sagen lässt: Die Stimmung unter den Aktienmarktakteuren war im Vorfeld des Zinsentscheids der amerikanischen Notenbank so nervös und angespannt wie selten zuvor. Hinzu kommen die momentan eher dünnen Geldkurse. Sie machen solche Verwerfungen überhaupt erst möglich.

Der Kursverlauf der Aktien der Partners Group glich am Montag jenem eines "Penny-Stocks" (Quelle: www.cash.ch)

Da überrascht es nicht, dass die New Yorker Börse mit Erleichterung und einem Kursfeuerwerk reagierte, als die diese Mittwochnacht unserer Zeit nach einer Leitzinserhöhung um 50 Basispunkte versöhnliche Töne anschlug. Notenbankchef "Jay" Powell scheint mal wieder die (Finanz-)Welt gerettet zu haben. Schauen wir mal für wie lange. Denn das Inflationsgespenst lässt sich nicht über Nacht vertreiben und wird uns noch eine ganze Weile begleiten.

Schutz vor Inflation – wenn nicht gar vor Stagflation - versprechen sich die Marktakteure von den Aktien von Zurich Insurance. Den Dividendenabgang von vor wenigen Wochen aufgerechnet, liegen die Valoren der Versicherungsgruppe seit Jahresbeginn mit 16 Prozent im Plus. Nur jene der Swisscom schnitten im bisherigen Jahresverlauf noch besser ab.

Vor wenigen Tagen traf für die Aktien von Zurich Insurance eine Abstufung durch die Mediobanca ein. Versicherungsanalyst Vinit Malhotra senkte sein Anlageurteil von "Outperform" auf "Neutral". Malhotra hat sich bei seinem früheren Arbeitgeber Goldman Sachs einen Namen gemacht und gilt als ein profunder Branchenkenner.

Er begründet die Abstufung einerseits mit der seit Jahresbeginn starken Kursentwicklung und der dadurch im Branchenvergleich unterdurchschnittlich hohen Dividendenrendite. Vermutlich war es den fehlenden firmenspezifischen Gründen zu verdanken, dass die Abstufung den Aktien der Versicherungsgruppe nicht gross zu schaffen machte.

Kommen wir nun aber auf Logitech zu sprechen. Der Unterhaltungselektronikhersteller aus Lausanne wandte sich von Montag auf Dienstag in einer Medienmitteilung an die Öffentlichkeit und legte dieser einen ziemlich überzeugenden Zahlenkranz fürs Schlussquartal vor. Umsatz und Gewinn waren im Jahresvergleich zwar rückläufig. Einmal mehr übertraf die Gewinnentwicklung allerdings selbst die kühnsten Erwartungen.

Etwas weniger gut kam die Reduktion der erst wenige Wochen zuvor kommunizierten Wachstums- und Gewinnvorgaben fürs neue Geschäftsjahr an – obwohl nicht eben wenige Analysten von einer solchen ausgegangen waren und sich die neuen Vorgaben im Rahmen der bisherigen Markterwartungen bewegten.

Dennoch ist die – wenn auch nur geringfügige - Reduktion ein Tolggen im ansonsten makellosen Reinheft von Logitech-Chef Bracken Darrell. Unter seiner Führung reihte sich in den letzten Jahren ein Umsatzrekord an den nächsten. Dass Darrell nun genau über diese Erfolge stolpert, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Zumindest bei den Leerverkäufern dürfte die Freude über die Kursverluste der letzten Tage wohl gross sein. Erhebungen der Beratungsfirma IHS Markit zufolge wetteten sie zuletzt mit nicht weniger als 14 Prozent aller ausstehenden Aktien gegen den Unterhaltungselektronikhersteller. Das sind so viele wie schon seit Jahren nicht mehr.

Und geht es nach Analyst Erik Woodring von Morgan Stanley, ist die Talsohle bei Logitech noch nicht durchschritten. Er kürzte sein Kursziel für die in New York gehandelten Titel kürzlich auf 60 (zuvor 75) Dollar und bekräftigte seine "Underweight" lautende Verkaufsempfehlung.

Logitech-Chef Bracken Darrell dürfte das allerdings keine schlaflosen Nächte bereiten. Denn auch er weiss: So viel geballter Pessimismus ist nicht selten ein geradezu idealer Nährboden für ein Kursfeuerwerk.

Kein Aktiensplitt: Der Aktienkurs von Logitech hat sich seit dem letzten Juni halbiert (Quelle: www.cash.ch)

In einem Stimmungstief befinden sich auch die Aktien von Swiss Re. Gestern Donnerstag legte der Rückversicherer den Zwischenbericht für die ersten drei Monate vor. Dieser enttäuschte prompt.

Von den Kommentaren, die mir zu diesem Thema zugespielt wurden, trifft es jener aus der Feder von Peter Casanova wohl am besten. Ihn irritiert insbesondere der Rückgang beim Buchwert. Mit rund 69 Dollar je Aktie liegt dieser 16 Prozent tiefer als noch zu Jahresbeginn.

Doch auch mit den Aussagen zur April-Erneuerungsrunde kann das Unternehmen beim für Julius Bär tätigen Analysten nicht punkten. Wie bankeigene Berechnungen zeigen, stiegen die Prämien zwar um 8 Prozent. Dennoch liessen sich nur Prämienerhöhungen von durchschnittlich 4 Prozent durchsetzen. Casanova hatte sich diesbezüglich mehr erhofft und hält fest, dass Swiss Re damit schlechter als andere Rivalen abschneidet.

Für den Lichtblick der Woche sorgte Oerlikon mit einem starken Ergebnis fürs erste Quartal – selbst wenn dieser von der Börse so gar nicht gewürdigt wurde. Der vorliegende Zahlenkranz beeindruckt mich zutiefst. Der Umsatz stieg im Jahresvergleich um 23 Prozent auf 698 Millionen Franken, was nicht nur deutlich über den durchschnittlich erwarteten 659 Millionen Franken lag, sondern selbst die kühnsten Schätzungen in den Schatten stellte. Den operativen Gewinn (EBITDA) konnte der Oberflächenbehandlungsspezialist sogar um 35 Prozent auf 119 Millionen Franken steigern. Analysten waren gerade mal von 102 Millionen Franken ausgegangen.

Allen Unkenrufen zum Trotz bestätigte das Unternehmen zudem seine bisherigen Jahresziele. In Expertenkreisen galt als sicher, dass es diese kappen würde. Umso mehr überrascht mich die eher unterkühlte Reaktion der Börse. Womöglich spielen bei Oerlikon auch die Besitzverhältnisse mit hinein. Mit einem Stimmenanteil von etwas mehr als 40 Prozent ist der russische Milliardär Viktor Vekselberg der mit Abstand grösste Einzelaktionär. Das hilft momentan nicht, scheint sich aber nicht negativ auf die Auftragslage auszuwirken.

Nächste Woche wird es in Sachen Quartalsberichterstattung langsam aber sicher etwas ruhiger. Mein Interesse gilt dabei dem Zwischenbericht von Zurich Insurance. Mal schauen, wie sich die Versicherungsgruppe in den ersten drei Monaten geschlagen hat. Mehr zum Thema kommenden Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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